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Phasendrescher: Trouble zur Mannschaftsmeldung

Zweimal im Jahr muss eine undankbare Entscheidung getroffen werden (©Laven)

08.01.2024 - Wenige Wochen ist es her, dass sich die Vereinsverantwortlichen nach der Q-TTR-Wert-Berechnung im Dezember Gedanken zur Mannschaftsmeldung für die Rückrunde machen mussten. Wie unser Phasendrescher Philipp Hell berichtet, können diese Termine im typischen Tischtennisjahr ziemlich heikel ausfallen. Wer entscheidet? Gelten allein die sportlichen Aspekte oder lässt man auch individuelle Wünsche mit einfließen? Hell berichtet von so manchem Konfliktpotenzial.

Zweimal im Jahr gilt es für jede Tischtennisabteilung, eine Rangliste für die kommende Halbserie aufzustellen. Dies ist eine durchaus diffizile Angelegenheit, müssen doch sowohl sportliche als auch soziale Aspekte berücksichtigt werden: Einerseits muss die zweite Mannschaft so sehr gestärkt werden, dass es mit dem etwas in die Ferne gerückten Aufstieg (derzeit Platz sieben von zehn Mannschaften) doch noch etwas wird. Andererseits darf man die dritte Mannschaft nicht so sehr schwächen, dass sie noch in den hässlichen Abstiegsstrudel gerät.

Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die beiden Nachwuchskräfte Leon und Luca unbedingt weiter miteinander in einer Mannschaft spielen wollen, auch wenn es sportlich eigentliche nicht mehr geht. Der Sepp und der Klausi wiederum können prinzipiell nicht in derselben Mannschaft eingesetzt werden, ohne dass es regelmäßig beinahe zu Körperverletzungen kommt. Darüber hinaus gilt die vierte Mannschaft insgesamt als schwierig, in diese kann man eigentlich niemanden einfach versetzen, ohne zu riskieren, dass umgehend der eine oder andere Tischtennisschläger an den Nagel gehängt wird.

Undankbare Aufgabe

Man sieht, keine leichte Aufgabe. Am Einfachsten wäre es sicherlich, alles beim Alten zu lassen, um niemanden zu verärgern. Allerdings gibt es da ja noch die besonders ehrgeizigen Spieler, die eine nicht top aufgestellte Mannschaft aufgrund von sozialen Abwägungen als persönliche Beleidigung verstehen. Hinzu kommen die Verbandsfritzen, die sich spätestens seit Einführung des TTR-Wertes auch nicht mehr mit fadenscheinigen Ausreden wie "Der hatte aber auch nur bockstarke Gegner" oder "Der hat ganz klar über seinen Möglichkeiten gespielt" abspeisen lassen und daher knallhart einige Umstellungen in der Rangliste einfordern. So kommt es, dass sich jeder Verein – zumeist auch noch unter hohem Zeitdruck – dem hässlichen Thema der Ranglistenaufstellung widmen muss, nur um anschließend von allen, die nicht an der Entscheidung beteiligt waren, harsch kritisiert zu werden.

Daher gibt es bei manchen Vereinen einfach eine offene Spielersitzung für alle, um dieses Thema möglichst transparent abzudecken. Gut, leider sind dann ausgerechnet immer die Härtefälle, die Querulanten und die notorischen Kritiker verhindert, so dass es anschließend doch wieder einige Überraschungen und daher böses Blut gibt. Zudem hat nun jeder die Meinung von jedem gehört, was auch nicht immer unbedingt zum guten Vertragen beiträgt: Peter glaubt also nicht an meine neu gewonnene Stärke, Horst meint offenkundig, man passe nicht so recht ins "Sozialgefüge" der ersten Mannschaft und was von Dieters Einlassung bezüglich der neuen Doppelpaarungen zu halten ist, weiß kein Mensch.

Extra Gremium für die Mannschaftsmeldung

Andere Vereine haben alternativ ein Gremium extra für die Ranglistensitzung erfunden, bestehend normalerweise aus den Mannschaftsführern, dem Abteilungsleiter und eventuell noch weiteren Funktionsträgern wie dem Gerätewart, dem Turnierwart, dem Assistenten des Jugendtrainers oder dem dritten Schriftführer. Wichtig zu wissen ist: Wenn dieses Gremium zusammentrifft, ist eigentlich alles bereits ausdiskutiert. In diversen Umkleidegesprächen und langen Wirtshausnächten wurde genau ausgetüftelt, wie man es schafft, den allen unsympathischen Konrad trotz starken Leistungen nicht befördern zu müssen, und gleichzeitig den allenfalls mittelmäßig talentierten Jungspund Malte möglichst weit nach vorne bringt, auch wenn es für ihn in der Kreisklasse A vermutlich außer Erfahrung wenig zu gewinnen geben wird. Die Sitzung an sich dient also nur der Folklore und des Aufrechterhaltens des Anscheins von Demokratie.

Es sei denn, es steht eine die Abteilung spaltende Entscheidung an. Wenn sich über Wochen die Köpfe heiß geredet wurden und die Gemüter erregt sind. Oftmals ist dies der Fall, wenn es um drohende Auf- oder Abstiege geht. Dann hilft nur noch eins: die Kampfabstimmung! Noch einmal werden die allseits bekannten und eigentlich wirklich zur Genüge debattierten Punkte des Für und Wider diskutiert, ob man Hans-Norbert wirklich ins erste Paarkreuz der zweiten Mannschaft hochziehen soll. Da es erwartungsgemäß auch jetzt keinen Konsens gibt, wird nun abgestimmt. Geheim. Und mehrfach. Schließlich gibt es beim ersten Mal ein Patt, also wird der fehlende Mannschaftsführer herbeitelefoniert – der dann eine Enthaltung in die Wahlurne wirft. Wieder Debatten: Soll die Stimme des Abteilungsleiters doppelt zählen? Aber dessen Meinung ist allen bekannt, also kommt es auch hierüber zur – geheimen – Abstimmung. Wieder ein Patt bei einer Enthaltung. Auch ein Blick in die Vereinssatzung hilft nicht weiter, dieser Fall wurde einfach nicht vorgesehen bei der Gründung vor über 40 Jahren. Nun appelliert man an den sich Enthaltenden sich doch bitte zu entscheiden und das Patt somit aufzulösen. Drei Wahlgänge später steht fest: Hans-Norbert bleibt in der Rangliste, wo er ist, weswegen Matze umgehend Konsequenzen zieht und sein Amt als zweiter Delegierter des Bezirkstages zur Verfügung stellt. Eine harte Nummer!

Viel einfacher ist es da in Abteilungen, die von einem Alleinherrscher regiert werden. Ohne viele Diskussionen setzt sich dieser alleine in seinem stillen Kämmerchen an seinen Schreibtisch und stellt innerhalb weniger Minuten die neue Rangliste zusammen. Vielleicht kein sehr transparentes Verfahren, aber immerhin weiß man anschließend, wer an der Entscheidung maßgeblich beteiligt war.
 

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell hat nun schon sein zweites Buch auf den Markt gebracht. Nach "Netzball" geht es in "Schon wieder ein Netzball" weiterhin mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga.

(Philipp Hell)

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