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Phasendrescher: Ringen um Spieler am Großkampftag

Im Kampf um die besten Spieler ist Verhandlungsgeschick gefragt (©Laven)

04.09.2023 - So manche Mannschaft hat schon an normalen Spieltagen ihre Mühe, genügend Spieler zusammenzutrommeln. Wenn nun aber der alljährlich anstehende Großkampftag gekommen ist, an dem jede Mannschaft des Vereins im Einsatz ist, geht das Ringen um die verfügbaren Spieler los. Unser Phasendrescher Philipp Hell beschreibt in seinem Blog über besondere Tage, die es in einem typischen Tischtennisjahr gibt, den ganz normalen Wahnsinn im Vorfeld solch eines Großkampftags.

Früher oder später ist es jedes Jahr so weit: Der Großkampftag steht an, der Tag, an dem alle Mannschaften gleichzeitig im Einsatz sind. Bereits Tage und Wochen vorher beginnt das Hauen und Stechen um die besten Spieler – oder einfach nur um die verfügbaren Spieler, was bekanntermaßen nicht notwendigerweise das Gleiche sein muss. Denn zusätzlich zu den bekannten Dauerausfällen (Horst hat einen eingewachsenen Zehennagel, Klausjürgen von März bis Oktober Heuschnupfen und Willy packt so ein Tischtennis-Spiel psychisch einfach nicht mehr) gesellen sich noch die üblichen kurzfristigen Ausfälle (Manni fährt zum Skifahren, Udo hat Hochzeitstag, die junge Merle lernt fürs Abitur).

Verhandlungsgeschick gefragt

Nun gilt es also abzuwägen und auszugleichen zwischen strategischem Verstärken einzelner Mannschaften („Die Zweite kann sogar noch absteigen wenn es dumm läuft!“) und egoistischem Herumgenöle („Die Dritte tritt doch nicht zu dritt an!“), zwischen hochnäsiger Selbstverliebtheit („Was sollen wir denn in der Landesliga mit diesem Jugendlichen anfangen…?“) und realistischer Lageeinschätzung („Natürlich habe ich keinen Bock mit der Ersten drei Stunden zum Auswärtsspiel anzufahren, um dann keine vier Punkte zu machen!“). Nun ist also Verhandlungsgeschick gefragt.
Außerdem gilt es, letzte Reserven zu mobilisieren: Senior Ernst hat zwar letztes Jahr eigentlich aufgehört (das Herz), aber müsste der nicht noch eine Spielberechtigung besitzen? Könnte man nicht kurzfristig noch ein paar ambitionierte Jugendliche nachmelden? Und wer ist eigentlich dieser Wolfgang, der in der Fünften an Position 13 gemeldet ist, kennt den irgendjemand?

Es werden natürlich auch halblegale Möglichkeiten diskutiert: Beispielsweise könnte man einen Jugendlichen für Hansjürgen ausgeben. Allerdings: Welcher Jugendliche heißt heute noch Hansjürgen? Alternativ könnte der konditionsstarke Sepp gleichzeitig in der Ersten und in der Dritten spielen, denn die haben beide ein Heimspiel und die Dritte könnte ja statt der Fünften in den Gymnastikraum ausweichen. Leider würde das vermutlich der Ergebnis-Software auffallen, das war früher natürlich viel einfacher. Zu guter Letzt wird sogar noch erwogen, dass eine der Mannschaften mit Auswärtsspiel kurzfristig einen Wildunfall vortäuscht, allerdings geht die Strecke zum Gegner hauptsächlich über die Autobahn. Die Lage ist verzwickt, sodass sogar bei Udo nachgefragt wird, ob er nicht an seinem Hochzeitstag ausnahmsweise…? Oder er bringt seine Frau einfach mit in die Halle? Nein, klar, kann er nicht, das hatten wir ja vor zwei Jahren erst so gehandhabt und seitdem zahlt Udo viel Geld für diese Paartherapie.

Der verschollene Wolfgang kehrt zurück

Somit bleiben nur die üblichen Lösungsmöglichkeiten wie zu dritt antreten (unbeliebt), Mannis Skier verstecken (unschön) oder Merle vom Lernen abhalten (unverantwortlich). Zu aller Überraschung meldet sich kurz vor dem großen Tag der verschollene Wolfgang in der WhatsApp-Gruppe zu Wort: Klar, er kann einspringen, überhaupt kein Problem. Großer Jubel, es folgen zahllose Daumenhoch-Emojis und nur kurze Irritationen bei Wolfgangs Frage, ob ihm eventuell jemand einen Schläger leihen könnte. Am großen Tag kommt es, wie es kommen muss: Kurzfristig hat sich Kevin die Grippe eingefangen und liegt flach. Keine Chance, sich in die Halle zu schleppen. In dieser Not lässt sich der von Heuschnupfen geplagte Klausjürgen breitschlagen, spontan doch noch einzuspringen. Zum Glück regnet es und da fliegen die Pollen nicht so stark. Allerdings hat er mit der zur Sicherheit aufgesetzten FFP2-Maske nur ein sehr eingeschränktes Sichtfeld und daher keine allzu großen Hoffnungen auf einen Einzelerfolg.

Da aus strategischen Gründen mit knapper Mehrheit demokratisch beschlossen wurde (bei vier empörten Gegenstimmen aus der Ersten), die Zweite und Dritte in bestmöglicher Besetzung antreten zu lassen, wird der unbekannte Wolfgang mit gemischten Gefühlen am Abfahrtsort der Ersten begrüßt. Mit seiner jovialen Art nimmt er jedoch sofort alle für sich ein, er ist sich für die lange Anfahrt zum Landesliga-Spitzenreiter auch nicht zu schade, schließlich wollte er schon lange mal wieder eine Runde höherklassiges Tennis spielen, lediglich der Regen mache ihm ein bisschen Sorgen, ob es sich wohl um Indoor-Plätze handele? Die bedrückten Mienen der drei anwesenden Stammspieler der Ersten lassen Wolfgang wissen, dass er wohl seit Jahren in der falschen WhatsApp-Gruppe sei. Ach ja, Tischtennis, Wolfgang erinnert sich, da hatte er in den frühen Nuller-Jahren auch zwei oder drei Mal im Training vorbeigeschaut. Aber immer optimistisch bleiben, wenigstens hat man ihm einen Ersatzschläger mitgebracht.

Trotz der Mühen keine Punkte

Dass am Ende des Tages keine der angetretenen Mannschaften einen Punktgewinn erringen kann, kommt bei der Vorgeschichte natürlich für niemanden überraschend. Groß ist jedoch der Aufruhr, als durchsickert, dass der Gegner der Zweiten eine Stunde vor Spielbeginn kurzfristig abgesagt hatte (Ein Wildschaden mitten auf der Autobahn, wirklich saublöd gelaufen, ja was glaubst denn du!?) und sich die vier Spieler der Zweiten zu schade waren, sich noch bei der Ersten anzubieten, sondern stattdessen direkt in die Kneipe gegangen sind, um ihren vorzeitigen Nichtabstieg zu feiern.

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Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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