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Der Phasendrescher: Vereinsmeister gesucht!

In eine Vereinsmeisterschaft gehen die Teilnehmer meist mit sehr unterschiedlichen Ambitionen (©Laven)

19.06.2023 - Ein besonderer Termin in jedem typischen Tischtennis-Amateurjahr ist die Vereinsmeisterschaft, die bei den Beteiligten unterschiedliche Gefühle hervorruft. Während die einen die Möglichkeit nutzen wollen, Ruhm und Ehre zu erlangen, sehen die anderen solcherlei Turniere eher als lästige Pflicht an. Unser Phasendrescher Philipp Hell erzählt uns, für wen die Meisterschaft schon nach der Auslosung gelaufen ist und warum das Finale meist eher spärlich besucht ist.

Einmal im Jahr spielt jeder Verein seine Vereinsmeisterschaft aus. Ein großes sportliches Fest, geht es doch um ewigen Ruhm, einen Eintrag in die Annalen der Vereinshistorie, Punkte für die sogenannte Ewige Tabelle sowie den Medaillenspiegel, einen zugegeben etwas unförmigen Pokal und – dies allerdings viel seltener – attraktive Sachpreise. Jedenfalls sieht das die eine Hälfte der Anwesenden so. Für die andere Hälfte handelt es sich eher um einen Kann-Termin, auf den man durchaus auch hätte verzichten können. Entweder, weil man schon seit 40 Jahren mitspielt und schon 27mal auf dem Treppchen stand. Oder weil man schon seit 30 Jahren mitspielt, jedoch noch nie auch nur in die Nähe der K.-o.-Runde kam. Oder aber weil man solche offiziellen Veranstaltungen ohnehin nicht so ernst nimmt – und was ist eigentlich noch mal genau der Unterschied zum Pokal-Turnier, welches immer im Frühjahr ausgespielt wird?

Semmelbüffet erhöht Teilnehmerzahl

Findet die Vereinsmeisterschaft unter der Woche zur gewöhnlichen Trainingszeit statt, so kann man in der Regel mit einer anständigen Teilnehmerzahl rechnen, auch wenn einige Anwesende eigentlich nur trainieren wollten und von dem anstehenden Turnier keine Ahnung hatten („Rundmail? Welche Rundmail?“). Organisiert man hingegen ein Extra-Event an einem Samstag, so braucht es schon einen etwas festlicheren Rahmen und vor allem ein anständiges Wurstsemmel- und Kuchenbüfett nebst der einen oder anderen Kiste Bier, um genügend viele Teilnehmer für ein sinnvolles Turniersystem zusammen zu bekommen.

Sportlich gesehen ist die Veranstaltung für die ersten Spieler bereits nach der Auslosung so gut wie gelaufen. Schließlich hat man gegen Hubert noch nie gewinnen können, Thorsten ist immer ganz schwierig und Norbert spielt natürlich Noppen. Andy hingegen, der alte Duselbruder, hat zwei Jugendliche in seine Gruppe gelost bekommen, die gerade mal seit drei Wochen wissen, was ein Topspin ist, die aber – zwecks Vereinsbindung – bereits bei den Erwachsenen integriert werden. So nimmt dann das Turnier seinen üblichen Verlauf mit großen und kleinen Dramen, von denen die meisten aber gar nichts mitbekommen. Immer wieder spannend auch zu sehen, wie sich Karl-Dieter einen schönen Pegel antrinkt und damit durch die Vorrunde schwebt, bevor er dann spätestens im Viertelfinale keinen Ball mehr trifft. Auch die ersten Favoriten scheiden zu ihrer eigenen Überraschung aus und die ohnehin Blinden gehen bald schon voraus, um die Stühle in der Kneipe vorzuwärmen.

Warten auf das Ende

Kommt es dann endlich nach stundenlangem Durchspielen des für viele Beteiligten völlig unverständlichen Turnierbaumes zum lange ersehnten Finale, hat sich die Halle bereits großzügig geleert. Während die ganz Enttäuschten am heutigen Tage bereits heulend nach Hause gefahren sind, befinden sich die Gleichgültigen noch unter der Dusche. Die Fleißigen bauen bereits die ersten Platten ab und sorgen damit für eine wenig festliche Stimmung. Ganz im Gegenteil zum Erbsenzähler, der einmal mehr darauf besteht, nun doch noch ein paar Banden und sogar ein Zählgerät hervorzukramen, um dem Finale etwas Feierliches zu verleihen.

Das Finale zieht sich dann am Ende trotz einer schnellen 2:0-Führung doch über die volle Distanz. Das immer lauter zu hörende Magengrummeln der letzten Anwesenden (die Wurstsemmeln sind schon lange aus) sowie der wenig dezent formulierte Hinweis, dass alle durstig seien, spiegelt den Gemütszustand der Wartenden wider. Als es schließlich vorbei ist, wird die Siegerehrung auf Grund mangelnder Zuschauer kurzerhand auf später in der Kneipe verschoben. Dort gibt es dann einen donnernden Applaus und eine dreifache Kanone der 30 anwesenden Landfrauen für den neuen Vereinsmeister – ehe leise nachgefragt wird, um welche Sportart es gleich noch mal ging.

Keine drei Monate später erscheint auch schon ein kleiner Artikel samt verwackeltem Foto im örtlichen Käseblatt (gleich neben dem Bericht vom Jahrestreffen des Kleintierzüchtervereins), in dem wie immer von "spannenden und fairen Spielen" berichtet wird und in dem zwar immerhin die richtige Sportart genannt wird, der Name des Siegers aber traditionell falsch geschrieben ist.

 

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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