Blog

WM-Blog: Weniger spannend, weniger fair

Die Zeiten der acht parallel stattfindenden Spiele ist ab heute vorbei (©Schäbitz)

22.02.2024 - Der gestrige, sechste Turniertag war bislang der intensivste der Team-WM in Busan. Das empfindet zumindest myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz so, die noch bis 0 Uhr in der Halle verweilte, um den Einzug der Dänen ins Viertelfinale mitzuerleben. Nach dem gestrigen Großkampftag mit 32 Spielen an acht Tischen drücken die Organisatoren nun rapide auf die Bremse. Ein Zeitplan, den Schäbitz in Sachen Fairness und Spannung überdenkenswert findet.

Ich muss zugeben, vor dem gestrigen Tag hat es mir ein wenig gegraut. In der ersten Tageshälfte die Spiele in der Runde der besten 24, wo unter anderem auch die Achtelfinalgegner der deutschen Mannschaften ermittelt wurden. Und am späten Nachmittag und Abend dann die Runde, auf die wohl die meisten Mannschaften hier hingefiebert haben: das Achtelfinale, in dem man Startplätze für die Olympischen Spiele gewinnen konnte - für viele Mannschaften das große Ziel bei dieser Weltmeisterschaft. Insgesamt waren dies wieder 32 Partien, die an acht Tischen ausgetragen wurden. Und das finde ich aus mehreren Gründen unglücklich.

Von Vollgas zur Vollbremsung

Erstens: wegen der Wichtigkeit und Attraktivität dieser Matches. Die Olympischen Spiele sind der große Traum im Leben eines jeden Leistungssportlers. Da diese Team-WM auch ein Qualifikationsturnier für Paris ist, geht es hier nicht nur um WM-Medaillen und -Titel, sondern eben auch um die begehrten Startplätze. Und da jene Medaillen und Titel für viele Mannschaften schlicht unerreichbar sind, ein Ticket für Paris aber im Bereich des Möglichen, ist dies für einige Teams auch das Hauptziel hier in Busan gewesen. Wie schade ist es dann, diese acht Spiele pro Geschlecht, in denen jeweils eine unglaublich wichtige Entscheidung fällt, die nicht selten von großen Emotionen begleitet wird, alle parallel in verschiedenen Hallen abzuhalten? Klar, man hat nicht alle Zeit der Welt, muss den Zeitplan ökonomisch gestalten. Aber hier in Busan trifft das in meinen Augen nicht zu. Man hätte die Zeit gehabt. Denn heute finden hier nur sechs Spiele an zwei Tischen statt, am Freitag sind es nur noch vier Partien, am Samstag drei und am Sonntag nur das Herrenfinale. Wie wäre es zum Beispiel gewesen, wenn man am Mittwochabend nur das Damen-Achtelfinale ausgetragen hätte und am Donnerstagvormittag dann die Herrenspiele? Mit zwei Sessions à vier Spielen hätte man der Bedeutung dieser Runde meiner Meinung nach mehr Anerkennung gezollt.

Zweitens: wegen der Fairness. Bislang lief die Team-WM hier in Busan recht gemächlich ab. Die Mannschaften hatten maximal ein Spiel pro Tag, an einem Vorrundentag durften sie sich sogar mal freinehmen. Und dann kommt der Tag, von dem alles abhängt, worauf man in den vergangenen vier Jahren hingearbeitet hat, der Tag an dem man sich den Traum von den Olympischen Spielen erfüllen könnte. Und an diesem Tag muss man sowohl um 10 Uhr morgens in die Box, um sich einen Platz im Achtelfinale zu erspielen, als auch um 17 Uhr, um dann das entscheidende Spiel gegen einen Gegner zu machen, der nicht nur morgens frei hatte, sondern im Fall der Gruppenköpfe auch noch am Tag zuvor? Dann geht eine Mannschaft, die in den meisten Fällen sowieso schlechtere Karten haben dürfte als der Gegner, der ja eine Gruppe gewonnen hat, auch noch mit einem massiven Nachteil an den Tisch, weil sie wenige Stunden zuvor noch alles für den Einzug ins Achtelfinale getan hat?

Schwächere nicht auch noch benachteiligen

Drittens: wegen der Spannung. Natürlich ist es im Sport normal, dass die stärkeren Mannschaften zum Beispiel durch Setzung, Freilose etc. Vorteile haben. Bei dieser Team-WM, die über zehn volle Tage gezogen wird, wäre es in meinen Augen aber anständig gewesen, den Vorteil nicht so stark ausfallen zu lassen, gerade weil es um das hochemotionale Thema Olympia geht. Und auch aus dramaturgischer Sicht hat es ja durchaus Vorteile, wenn beide Mannschaften einigermaßen unter denselben Voraussetzungen in die Box gehen. Denn dann ist die Chance umso größer, dass der Underdog ein wenig mithalten und vielleicht sogar für eine Überraschung sorgen kann. Schaut man sich die bisherigen Ergebnisse an, wird man feststellen, dass bislang fast alles nach Setzung ausgegangen ist. Unter den acht Viertelfinalisten gehören bei den Herren sechs zu den Top acht der Setzliste, bei den Damen sind die Listen komplett identisch. Natürlich ist es auch den Top-Mannschaften zu gönnen, dass sie nun um die Medaillen spielen, und sie waren im Achtelfinale auch einfach die besten. Aber der Sport lebt doch nun mal auch von den Überraschungen, Favoritenstürzen und Underdog-Geschichten. Wieso verringert man die Chancen darauf also sogar noch, indem man nicht für gleiche Bedingungen sorgt?

Apropos gleiche Bedingungen. Auch die Frage, an welchen Tischen man das Turnier über gespielt hat, trägt dazu bei, ob man in die entscheidenden Runden mit einem Vor- oder Nachteil geht. Denn ab heute gibt es nur noch zwei Tische, die - so hat es mir Nina Mittelham erzählt - völlig anders sind als die sechs Tische, an denen die meisten Mannschaften an den ersten sechs Turniertagen gespielt haben. Während die Chinesinnen aber nun zum Beispiel jedes ihrer fünf bisherigen Spiele an Tisch eins und zwei gespielt haben, hat das deutsche Damen-Team noch kein einziges dort absolviert. Das Viertelfinale gegen Frankreich wird das erste sein - glücklicherweise auch für die Französinnen, so dass für keinen ein Nachteil entsteht. Aber das ist ja purer Zufall. Mir ist bewusst, dass dies nicht zum ersten Mal so ist, dass diese Entscheidungen auch aufgrund des Interesses von TV-Anstalten gefällt werden und dass das Fernsehen sehr wichtig ist. Aber das ändert nichts daran, dass es unfair ist. Und das ist doch gerade bei einer großen Veranstaltung wie der WM im Olympiajahr, bei der es um so viel geht, wirklich schade.

(JS)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2024 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.