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Blog: Kampf um Olympia-Tickets neu angefacht

Doha als schicksalsträchtiger Ort für das deutsche Team: Hier feierte Timo Boll seinen großen Sieg, aber Ying Han riss sich die Achillessehne (©ITTF)

22.01.2024 - Wer fährt für Deutschland zu den Olympischen Spielen nach Paris? Noch ist die Entscheidung nicht gefallen, allerdings wurde der Kampf um die Tickets durch zwei Ereignisse der vergangenen Wochen wohl noch einmal zusätzlich angefacht: Timo Boll meldete sich mit dem Turniergewinn in Doha zurück und Ying Han riss sich am selben Ort die Achillessehne. Redakteurin Janina Schäbitz denkt in ihrem Blog darüber nach, was das für Paris bedeutet.

Im Leistungssport kann es manchmal ganz schnell gehen. Eben noch auf einem Formhoch, kann einem im nächsten Moment eine Verletzung einen Strich durch die gehegten Hoffnungen machen. Und genauso kann man plötzlich die Erfolgswelle erwischen und auf ihr in Sphären reiten, die man noch nicht oder länger nicht mehr besucht hat. Innerhalb von nur eineinhalb Wochen dürften zwei solche Ereignisse die Planungen des deutschen Teams bezüglich der Vergabe der drei Olympia-Startplätze pro Geschlecht noch einmal deutlich beeinflusst haben. Da wäre die gute Neuigkeit von Timo Bolls erstem großen internationalen Wurf nach seiner langen Verletzungspause, der ihn seinem Ziel einer siebten Olympia-Teilnahme ein gutes Stück näherbringt. Und da wäre die Hiobsbotschaft von Ying Hans Achillessehnenriss, für die in Sachen Genesung nun ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Luxusproblem im Herren-Team

Timo Boll hat seinen Wunsch, ein siebtes Mal zu den Olympischen Spielen fahren zu wollen, nie aufgegeben. Auch dann nicht, als ihn eine Schulterverletzung zu einer langen Pause zwang, die ihn in der Weltrangliste zwischenzeitlich auf Rang 200 zurückwarf. Kurz vor dem Jahreswechsel hatte er gegenüber der Presse noch erklärt, dass ihm die Zeit bezüglich Paris ein wenig davonlaufe und dass die nächsten zwei Monate sehr wichtig sein werden. Mit seinem Sieg beim WTT Contender in Doha, wo er unter anderem die Nummern sieben (Lin Yun-Ju), elf (Tomokazu Harimoto) und zwölf (Jang Woojin) besiegte, zeigte der 42-Jährige vorige Woche, dass er an seine früheren Erfolge durchaus wieder anknüpfen kann und bei der Vergabe der Startplätze für Paris noch ein Wörtchen mitreden will. Möglich ist es, denn die Weltranglistenplatzierung ist - anders als mal von der ITTF angedacht - nicht das alles Entscheidende. Das letzte Wort hat das Nationale Olympische Komitee, demgegenüber der Verband seinen Vorschlag präsentiert und gegebenenfalls begründen muss.

Der Kampf um die Paris-Tickets ist im deutschen Team sicherlich härter als in anderen Nationen. Jörg Roßkopf hat das Luxusproblem, mehr als nur drei Spieler zu haben, die sich die Teilnahme an den Olympischen Spielen verdient hätten und die eine Bereicherung fürs Team sein könnten. Dang Qiu rangiert als Nummer zehn der Welt als bester Deutscher im Ranking und hat sein Ticket für Paris auch durch den Gewinn eines Mixed-Startplatzes bei den European Games schon so gut wie in der Tasche. Auch Dimitrij Ovtcharov, der bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio zum zweiten Mal Einzel-Bronze gewann und der Tischtennisspieler mit den meisten Olympiamedaillen ist, dürfte sein Französisch-Wörterbuch schon einmal vom Speicher kramen können. Der dritte Platz ist dagegen einer, auf den Boll noch Anspruch erheben darf. Der drittbeste Deutsche in der Weltrangliste ist aktuell Patrick Franziska, der als einziger Nicht-Chinese schon einmal die großen chinesischen Drei Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin geschlagen und 2023 an der Seite von Dimitrij Ovtcharov WM-Bronze im Doppel geholt hat, was gerade für den olympischen Teamwettbewerb wichtig werden könnte. Auf der anderen Seite ist Boll als Linkshänder im Doppel auch immer ein gern gesehener Mitspieler und wird sich durch seinen Erfolg in Doha auch wieder in die Top 50 der Welt katapultieren. Allerdings ist der Ältere der beiden Kandidaten auch anfälliger für Verletzungen. Für wen wird sich Jörg Roßkopf also entscheiden?

Plan B bei den Damen?

Bei den Damen stellt sich die Situation völlig anders dar. Hier konnte Ying Han als Top-10-Spielerin und Bank im DTTB-Team bislang als sichere Paris-Fahrerin gelten. Ihr Achillessehnenriss wirft die zuletzt in sehr guter Form agierende Abwehrspielerin hingegen zurück und bringt sie in einen Wettlauf mit der Zeit: Ist sie rechtzeitig wieder fit und sportlich in der Form, um nach Paris fahren zu können? Schaut man auf ähnliche Verletzungen von Leistungssportlern, sind Pausen von einem halben Jahr keine Seltenheit. Han gibt sich kämpferisch, aber die Möglichkeit, dass der DTTB ohne sie nach Frankreich fahren muss, ist gegeben. Wer rückt dann also ins Team, das ansonsten ziemlich sicher aus Nina Mittelham und Xiaona Shan bestehen wird? Hier bieten sich vor allem Sabine Winter und Annett Kaufmann an, die auch in der Weltrangliste die nächsten Optionen wären.

Winter ist die Erfahrenere der beiden, die auch im Doppel schon einige Erfolge verbuchen konnte und bereits als Ersatzspielerin zu Olympischen Spielen mitfahren durfte, aber dort noch nicht zum Einsatz kam. Kaufmann ist der aufstrebende Jungspund, der mit seinen 17 Jahren auch schon bei den Erwachsenen mitmischt und als Linkshänderin im Doppel ebenfalls eine gute Alternative darstellt. Dass ihr die Zukunft gehört, ist unter Experten wohl keine Frage mehr, aber würden diese Olympischen Spiele für die Böblingerin, die im Sommer auch ihr Abitur macht, noch zu früh kommen? Womöglich stellen sich diese Fragen am Ende nicht, weil die deutschen Damen doch noch auf ihr schnellstes Pferd im Stall, Ying Han, zurückgreifen können. Aber Tamara Boros’ Gedanken werden sich sicherlich auch um den anderen Fall drehen. Die nächsten zwei Monate sind sehr wichtig, hat Boll Ende Dezember gesagt. Und genau so ist es. Vor allem die WM in Busan im Februar, wo alle Topspieler der Welt vertreten sein werden, wird den Bundestrainern noch einmal Hinweise geben. Für wen sie sich am Ende entscheiden? Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken…

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(JS)

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