Jörg Roßkopf gibt seinen Schützlingen die Chance, sich sportlich für die WM zu qualifizieren (©Fabig)
26.01.2017 - Als Gastgeber bekommt Deutschland bei der Heim-WM in Düsseldorf einen Startplatz mehr als die anderen Nationen. Dennoch reichen die sechs Tickets, die Jörg Roßkopf an seine Schützlinge verteilen darf, nicht aus - er muss eine Auswahl treffen. Hierfür hat sich der Bundestrainer etwas Besonderes einfallen lassen. Einen Startplatz können sich die Kandidaten über ein internes Punktesystem erspielen. ‚Rossi‘ erklärt im Interview, wie das genau funktioniert und wer gerade führt.
myTischtennis.de: Als Heimmannschaft darf Deutschland sechs Spieler bei der WM in Düsseldorf ins Rennen schicken. Wie werden diese ermittelt?
Jörg Roßkopf: Unsere vier Olympioniken haben sich ihren Startplatz schon verdient. Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll, Bastian Steger und Patrick Franziska sind also sicher bei der Heim-WM dabei. Einen Spieler werde ich persönlich auswählen und ein Platz wird über ein internes Punktesystem vergeben.
myTischtennis.de: Wie funktioniert dieses Punktesystem?
Jörg Roßkopf: Die sechs Spieler können bei verschiedenen Gelegenheiten Punkte sammeln: bei World Tour-Turnieren, den Deutschen Meisterschaften, durch Siege gegen Top 10- oder Top 20-Spieler, aber auch bei unseren internen Lehrgängen. Bei jedem Lehrgang wird ein Turnier im Modus „jeder gegen jeden“ veranstaltet, wobei die Kandidaten nicht genau wissen, wann. Sie müssen also allzeit bereit sein. Die internationalen Turniere oder Siege gegen Top 10-Spieler werden natürlich höher gewichtet, aber dadurch, dass die sechs in den Lehrgängen jeder gegen jeden spielen, können hier auch viele Punkte gutgemacht werden.
myTischtennis.de: Um welche sechs Spieler handelt es sich denn und wie wurden sie bestimmt?
Jörg Roßkopf: Benedikt Duda, Ricardo Walther, Ruwen Filus, Steffen Mengel, Patrick Baum und Dang Qiu kämpfen um diesen Startplatz. Wang Xi ist bei den Weltmeisterschaften nicht startberechtigt und Kilian Ort hatte zum Start dieses Rennens noch mit seiner Verletzung zu kämpfen. Neben den erfahrenen Spielern wollte ich sehr gerne einem jungen Spieler die Chance geben, sich zu qualifizieren. Und die hat sich Dang durch gutes Training und gute Leistungen verdient.
myTischtennis.de: Ein Nationaltrainer hat ja eigentlich die Macht, sich frei auszusuchen, wer zu großen Events mitfährt. Warum gibst du dies zum Teil aus der Hand?
Jörg Roßkopf: Weil ich meinen Spielern auch die Möglichkeit geben will, sich sportlich zu qualifizieren. Vier Spieler haben sich den Freifahrschein durch die Olympiamedaille verdient. Die anderen haben alle dieselben Möglichkeiten, bei der Heim-WM dabei zu sein. So wird der Druck - auch bei Lehrgängen - stets aufrecht gehalten. Und bei jedem Turnier wissen die sechs Spieler, worum es geht.
myTischtennis.de: Von den Chinesen kennt man das schon länger, dass sie ihre Kader in internen Ausscheidungskämpfen ausspielen. Hast du dir ein Vorbild an China genommen?
Jörg Roßkopf: Nein. Ich kenne es noch aus meiner aktiven Zeit, wie schwierig es für Spieler jenseits der Leistungsträger ist, Startplätze bei wichtigen Turnieren zu ergattern, weil es halt einfach vier, fünf Kollegen gibt, die die Mannschaftsplätze blockieren. Das habe ich damals schon als störend empfunden und wollte ich gerne ändern. Ob die Chinesen das auch so handhaben oder nicht, war da nicht entscheidend.
myTischtennis.de: Weißt du, ob andere Nationen ihre Teams auf eine ähnliche Art und Weise zusammenstellen?
Jörg Roßkopf: Nein, das weiß ich nicht. Ich erinnere mich, dass die Franzosen auch einmal Starter für ein bestimmtes Turnier intern ausgespielt haben, aber mehr weiß ich nicht. Andere Länder haben zum Teil auch gar nicht die Möglichkeit dazu, weil sie nicht so viele gute Spieler stellen können. Wir sind in der glücklichen Lage, so viele Leute zu haben, die es verdient hätten, an der Heim-WM, bei der natürlich jeder dabei sein will, teilzunehmen.
myTischtennis.de: Wie ist denn der aktuelle Stand? Wer liegt in eurer Tabelle gerade vorn?
Jörg Roßkopf: Nach seinen tollen Leistungen bei den Hungarian Open hat sich Ruwen Filus nach vorne geschoben. 2016 war Benedikt Duda ganz klar vorne, nun hat ihn Ruwen durch seinen Einzug ins Halbfinale und den Sieg gegen Chuang Chih-Yuan überholt. Damit führt Ruwen vor Benedikt, Dritter ist aktuell Ricardo vor Steffen. Aber es kommen noch viele Turniere, die India Open, Qatar Open, Deutschen Meisterschaften, Korea Open und natürlich unsere Lehrgänge. Es gibt also genug Gelegenheiten, die Tabelle noch zu verändern.
myTischtennis.de: Bis wann geht das Rennen? Und wann wird das komplette WM-Aufgebot dann endgültig feststehen?
Jörg Roßkopf: Das Rennen um den fünften Startplatz geht bis zu den Korea Open Mitte April. Danach werde ich dann im Mai entscheiden, wer der sechste Spieler sein wird.
myTischtennis.de: Und nach welchen Kriterien wirst du diesen aussuchen?
Jörg Roßkopf: Das kommt natürlich auch ein wenig darauf an, wer bei unserem Punktesystem am Ende vorne lag und wie gut die aktuelle Form bei den verschiedenen Spielern ist. Aber ich habe jetzt noch keine bevorzugten Kriterien, nach denen ich diesen letzten Startplatz vergeben werde.
myTischtennis.de: Die Japaner waren diesmal richtig flott und haben vor wenigen Tagen bereits ihre WM-Fahrer nominiert. Was sagst du zu deren Wahl?
Jörg Roßkopf: Die Nominierungen der Japaner waren für mich keine Überraschung. Sie investieren in die Zukunft und nehmen auch junge Spieler wie Tomokazu Harimoto mit ins Einzel. Japan kann aus dem Vollen schöpfen, im Doppel haben sie mit Yuya Oshima und Masataka Morizono noch zwei weitere super Spieler in der Hinterhand. Sie wollen China angreifen und blicken natürlich auch schon in Richtung Tokio 2020. Von daher war die Nominierung für mich wenig überraschend.
(JS)
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