Nina Mittelham nimmt Marco Hovemanns Schläger unter die Lupe (©Neue Westfälische)
19.08.2015 - „Ach, in der Damen-Bundesliga kann ich locker mithalten!“ Wenn es um den Vergleich Damen gegen Herren geht, riskiert so mancher unterklassige Spieler schon mal eine dicke Lippe. Der Beweis oder Gegenbeweis ist natürlich schwer zu erbringen. Und wie verlässlich ist eigentlich die JOOLA-Rangliste im Geschlechtervergleich? Der TuS Bad Driburg hat den Test gemacht und seine Damenmannschaft gegen eine starke Herrenauswahl auflaufen lassen.
Irgendwann wurde es Sebastian Justus zu viel. Der Bezirksklasse-Spieler des TuS Bad Driburg lauschte nun schon zum x-ten Mal den biergeschwängerten Worten seiner Ü60-Kreisklassekollegen, die das Können der Bundesligaspielerinnen anzweifelten und ganz sicher waren, mit gefährlichen Unterschnittbällen die hochklassigen Damen aus dem Konzept bringen zu können. „Ob auf Turnieren oder in der Kneipe - die Diskussion ist so alt wie Methusalem“, weiß Justus. „Irgendwann habe ich gedacht, dass wir das jetzt einfach mal testen müssen.“ Gesagt, getan! Am vergangenen Samstag trat die erste Damenmannschaft des TuS Bad Driburg gegen eine von ihm zusammengestellte Herrenauswahl zum ‚Kampf der Geschlechter‘ an.
"Damen- und Herren-TTR-Wert sind gleichwertig"
Den Bundesligaspielerinnen kam dieser Vergleich nicht ungelegen. So hatte man ein schönes Vorbereitungsspiel vor der nahenden Saison und konnte einmal mit ein paar Vorurteilen aufräumen. „Oft haben die Männer vorher eine große Klappe. Wenn sie dann mit uns gespielt haben, meistens nicht mehr“, erzählte etwa Katharina Michajlova im Vorhinein dem Westfalen-Blatt. Sebastian Justus, der die Organisation des Duells in die Hand nahm, machte es sich mit der Auswahl der Herausforderer nicht leicht. Er nahm sich die JOOLA-Rangliste vor und verglich die TTR-Werte von Damen und Herren, die ihm bekannt sind. „Ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass die Herren im Schnitt etwa 100 TTR-Punkte weniger haben müssten als die Damen, damit es ein spannendes Match gebe“, erklärt Justus, der sich sechs motivierte Spieler mit einem Q-TTR-Wert zwischen 1863 und 2167 zusammensuchte. „Wenn ich das Spiel aber jetzt im Nachhinein analysiere, muss ich feststellen, dass der Damen-TTR-Wert gleichwertig mit dem der Herren ist.“ Denn auch wenn die meisten Zuschauer laut Justus ein anderes Ergebnis erwartet hatten, setzten die Bad Driburgerinnen mit einem 12:4-Sieg ein Ausrufezeichen.
Das Bundesligateam war in Bestbesetzung erschienen - auch Neuzugang Shi Qi war am Start. Die Herrenmannschaft wurde von Regionalligaspieler Sven Happek (VfR Birkmannsweiler) angeführt, gefolgt von den beiden Abwehrakteuren Daniel Kleinert und Marco Hovemann. Der eine spielt im oberen Paarkreuz der Oberligamannschaft des TV Hude, der andere beim NRW-Liga-Aufsteiger SC Wewer. An den Positionen vier, fünf und sechs wurden der 16-jährige Florian Bierwirth (SVH Kassel), Michael Schuy vom FC Bühne und der ehemalige Landesligaspieler Michael Koch aufgestellt. Insgesamt hatte die Herrenauswahl im Schnitt 90 TTR-Punkte weniger zu bieten als die Damen. Eine einfache Angelegenheit? Mitnichten! Nach drei Doppeln und zehn Einzeln stand es bereits 9:4 für die Bundesligaspielerinnen. Gegen Mitternacht waren alle Partien ausgespielt und die Damen gingen mit einem 12:4-Sieg nach Hause.
Einzig Regionalligaspieler Happek siegt in den Einzeln
„Ich war wirklich sehr beeindruckt von den Damen“, erzählt der Initiator. „Ich hätte gedacht, dass sie mit den Unterschnittbällen deutlich mehr Probleme hätten. Aber spätestens nach zwei Fehlern haben sie sofort darauf reagiert.“ In den Eingangsdoppeln konnten die Herren noch mit 2:1 in Führung gehen und auch im oberen Paarkreuz verliefen die Spiele sehr eng. Dann sorgten allerdings Sarah de Nutte, Katharina Michajlova und Elena Waggermayer für einen schnellen Vorstoß. Einzig Regionalligaspieler Happek wurde im Einzel nicht bezwungen. Die anderen Herren kamen an den starken Bad Driburgerinnen hingegen nicht vorbei. „Die Hobbyspieler sind natürlich nicht an den Plastikball gewöhnt, was allerdings keine Ausrede sein soll“, räumt Justus ein. „Zudem geht es beim Tischtennis nicht um Kraft, sondern um Technik. Und da zahlt es sich natürlich aus, wenn man wie die Damen den Tag am Tisch und nicht auf dem Bürostuhl verbringt.“ Besonders in Sachen Kondition, Konzentration und Sicherheit waren die Damen ihren Herausforderern laut Justus weit überlegen. „Sie haben deutlich weniger unnötige Fehler gemacht und alle knappen Sätze gewonnen.“
Die Stimmung im Lager der Herren war nach dem 4,5 Stunden-Match natürlich im Keller. „Ganz ehrlich: Ich war schon ein wenig überrascht, wie enttäuscht die Spieler nachher waren - außer Sven Happek, aber der hatte ja bis aufs Doppel auch alles gewonnen“, erzählt Justus, der betont, wie motiviert die Spieler in diese Partie gegangen sind und dass kein Ball verschenkt wurde. Katharina Michajlova bot den enttäuschten Gegnern sogleich eine Revanche an - dann aber nach dem Damensystem -, was Sebastian Justus für nach der Hinrunde oder nächstes Jahr ins Auge fasst. Dann werde er aber darauf achten, dass die TTR-Werte der Damen und Herren im Durchschnitt gleich sind. Die Sprücheklopfer aus der Kneipe, die am Samstag auch in der Halle waren, konnte Justus aber bereits nach der ersten Runde eines Besseren belehren. „Die haben sich die Augen gerieben. Eigentlich haben nur die Mütter der Spielerinnen im Vorhinein getippt, dass die Herren keine Chance haben. Ansonsten waren alle sehr verwundert, wie deutlich das ausgegangen ist.“ Am Samstag steigen die Bad Driburgerinnen beim Pokal-Qualifikationsturnier erneut in die Box. Dann aber wieder gegen das eigene Geschlecht.
Die Teams (mit Q-TTR-Werten)
TuS Bad Driburg:
Nina Mittelham (2178)
Shi Qi (2125)
Katharina Michajlova (2056)
Sarah de Nutte (2054)
Elena Waggermayer (2020)
Herrenauswahl:
Sven Happek (2167)
Daniel Kleinert (2038)
Marco Hovemann (1991)
Florian Bierwirth (1984)
Michael Schuy (1969)
Michael Koch (1863)
TuS Bad Driburg (Damen) - Herrenauswahl 12:4
Mittelham/Qi - Hovemann/Bierwirth 3:1
de Nutte/Michajlova - Happek/Kleinert 2:3
Waggermayer/Michajlova - Schuy/Koch 1:3
Mittelham - Kleinert 3:2
Qi - Happek 2:3
de Nutte - Bierwirth 3:1
Michajlova - Hovemann 3:0
Waggermayer - Koch 3:0
de Nutte - Schuy 3:2
Mittelham - Happek 1:3
Qi - Kleinert 3:1
de Nutte - Hovemann 3:2
Michajlova - Bierwirth 3:0
Waggermayer - Schuy 3:1
Michajlova - Koch 3:0
Qi/Waggermayer - Happek/Kleinert 3:0
(JS)
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