Buntes

Das Dream-Team: Ovtcharov/Persson im großen Interview

Auch im Interview ein eingespieltes Team: Dimitrij Ovtcharov und Jörgen Persson (©Fabig)

31.03.2015 - Der eine ist schon Einzel-Weltmeister, der andere möchte es noch werden. Jörgen Persson und Dimitrij Ovtcharov folgen seit kurzem dem Vorbild der spektakulären Tennisduos Boris Becker/Novak Djokovic oder Stefan Edberg/Roger Federer. Wie der Schwede Europas Nummer eins bei der Realisierung seiner größten Träume helfen kann und warum Ovtcharov bei der WM kein Doppel mit Timo Boll oder einem Chinesen bildet, erzählen die beiden im großen myTischtennis.de-Interview.

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myTischtennis.de: Diese Konstellation, dass eine Legende einen aktuellen Topspieler betreut, ist gerade im Tennis sehr modern. Habt ihr euch davon inspirieren lassen?

Dimitrij Ovtcharov: Wir kennen uns schon lange durch unseren gemeinsamen, langjährigen Ausrüster Donic. Bei den Taiwan Masters 2014 meinte Jörgen dann zum Spaß: ‚Boris Becker betreut jetzt Novak Djokovic und Stefan Edberg ist bei Roger Federer. Vielleicht sollten wir Tischtennisspieler so was auch mal probieren.‘ Damals war Jörgen noch in vielen anderen Projekten eingebunden, wir haben aber Kontakt gehalten. Ich kam dann irgendwann an den Punkt, dass ich sagte, ich muss jetzt mal etwas verändern, um wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Denn natürlich habe ich viel erreicht, aber ich habe ja noch große Ziele und brauche dafür neue Inspiration – zusätzlich zu der tollen Unterstützung, die ich von Jörg Roßkopf und dem ganzen Team bekomme. Jörgen ist zwar kein klassischer Trainer, aber er ist Einzel-Weltmeister. Und ich wollte einfach gerne mit jemandem zusammenarbeiten, der das erreicht hat, was ich mir erträume. Dank meiner Partner HGHI und Donic habe ich diese Chance nun bekommen.

Jörgen Persson: Ich habe selbst viele Trainer gehabt. Und irgendwann braucht man diese neue Inspiration, um sich weiterzuentwickeln, auch wenn man bereits von einem Spitzen-Trainerstab betreut wird. ‚Dima‘ spielt auf dem Niveau, auf dem ich gespielt habe, und da kenne ich mich aus. Er will gegen die Chinesen gewinnen, die ja aktuell ziemlich dominant sind. Das war damals auch so, bevor wir Schweden sie dann doch geschlagen haben. Es ist sehr wichtig, dass man nicht für sich akzeptiert, dass die Chinesen unschlagbar sind. Und ‚Dima‘ hat dieses Ziel vor Augen und ist heiß darauf. Und ich auch.

Dimitrij Ovtcharov: Gerade taktisch waren die Schweden wahrscheinlich noch stärker als die Chinesen jetzt. Da muss man auch gar nicht so weit zurückgehen. Jörgen hat im Teamwettbewerb der Olympischen Spiele vor drei Jahren gegen Timo gewonnen - und das nicht, weil dieser einen schlechten Tag hatte. Jörgen wusste vorher ganz genau, wie er gegen ihn spielen muss und dass er das schaffen kann. Oder 2008 hatte er als klares Ziel vorgegeben, dass er eine Einzelmedaille holt, was von vielen fast belächelt wurde. Am Ende war er es, der mit über 40 Jahren im Halbfinale stand. Diese mentale Einstellung hat mich schon sehr inspiriert.

myTischtennis.de: Gehörte Jörgen auch zu deinen Kindheitsidolen?

Dimitrij Ovtcharov: Ja, natürlich! Jörgen, Vladimir Samsonov, Rossi und Jan-Ove Waldner waren an meinen Zimmerwänden früher ganz groß vertreten. Als ich ihm dann 2003 etwa das erste Mal begegnet bin, war das was ganz Besonderes für mich. Und das ist auch heutzutage noch so. Es ist schon was Besonderes, wenn so eine Legende extra für mich aus Schweden kommt, um mich beim Training zu betreuen. 

Jörgen Persson: Federer hat ja auch schon 17 Grand Slam-Titel, er hat schon alles gewonnen. Ihm geht es jetzt um die neue Inspiration und um Kleinigkeiten, an denen gearbeitet werden kann. ‚Dima‘ hat eine Olympiamedaille, ist Europameister und so weiter. Aber was die Kleinigkeiten angeht, da kann ich ihm mit meinen Erfahrungen noch ein paar zusätzliche Tipps geben. 

myTischtennis.de: Was ist zum Beispiel eine solche Kleinigkeit, an der man bei Dimitrij Ovtcharov noch arbeiten kann?

Jörgen Persson: Ich will ja nicht alles verraten (lacht). Nein, er hat ja viel Power. Ich will aber, dass er sein Spiel variantenreich gestaltet und auch sein passives Spiel verbessert. So kann er auch einfache Punkte machen und muss nicht immer nur attackieren. Also, wir wollen nicht sein ganzes Spiel verändern, aber an solchen kleinen Sachen arbeiten, wo man auch in kurzer Zeit Verbesserungen herbeiführen kann.

myTischtennis.de: Neben Jörgen hast du ja auch noch Jörg Roßkopf, deinen Vater und Zhu Xiaoyong an deiner Seite. Wie kann man sich die Aufgabenteilung in deinem recht großen Betreuerstab vorstellen?

Dimitrij Ovtcharov: Jörgen ist eine super neue Hilfe für mich, aber das Ruder hat natürlich immer noch Jörg Roßkopf in der Hand. Für mich ist es sehr wichtig, täglich intensiv zu trainieren – und da kann mich Jörgen noch gut unterstützen. Im DTTZ werde ich von Zhu Xiaoyong, dem Chef der Herren-Trainingsgruppe, dem ich viel zu verdanken habe, bereits sehr gut gefördert, auf meinen Vater kann ich natürlich auch immer zählen, Benni Schmitz ist für die Athletik zuständig und Jörg Roßkopf steht als Bundestrainer am Kopf des ganzen Systems. Jörgen ist innerhalb der Woche praktisch immer beim Training da, arbeitet dort Hand in Hand mit Xiaoyong und fährt auch zu vielen Turnieren mit. Dort guckt er sich an, wie ich spiele, und sammelt dadurch neue Ideen fürs Training, die er mit Rossi oder Xiaoyong bespricht. Am Ende ziehen dann alle am selben Strang und unterstützen mich, wo es geht. Es ist also nicht so, dass bei einer Einheit 16 Trainer um mich herumstehen. Alle arbeiten als Team zusammen und verfolgen dieselbe Strategie.

myTischtennis.de: Aber bei einem Turnier sitzt im Normalfall Jörg Roßkopf an der Box und coacht?

Jörgen Persson: Ja, er ist als Bundestrainer selbstverständlich der Haupttrainer und der Chef an der Box. Ich bin eher der Beobachter auf der Tribüne, der sich auch schon mal spätere potenzielle Gegner anschauen kann. Bei zukünftigen World Tour-Turnieren werde ich mich aber vielleicht auch ab und zu mal an der Box versuchen - aber natürlich nur, wenn Rossi nicht dabei ist. 

myTischtennis.de: Welche Erfahrungen hast du schon als Trainer gesammelt?

Jörgen Persson: 2005 bis 2006 war ich ein Jahr in der Aspire Academy in Qatar Trainer und habe dort junge Leute trainiert. Das war eine gute Erfahrung. Die letzten Jahre war ich nicht als Trainer aktiv, habe in meiner Heimat aber zuletzt viele meiner Erfahrungen mit den jungen schwedischen Nationalspielern geteilt. Das ist, glaube ich, mein großer Vorteil, weil ich sehr viele wichtige Spiele bei großen Turnieren gemacht habe. 

Dimitrij Ovtcharov: Für mich ist es einer der Hauptpunkte, dass Jörgen das alles schon einmal durchlebt hat. Und der zweite Grund, warum ich mich für ihn und nicht für einen erfahreneren Trainer entschieden habe, ist, dass er noch immer ein spielerisches Niveau hat, das um den 50. Platz der Weltrangliste herum anzusiedeln ist. Da kann ich immer mal nach dem Training noch eine halbe Stunde mit ihm dranhängen oder eine ganze Einheit mit ihm machen. China ist da Vorreiter: Die haben viele Sparringspartner und viele Trainer. Jörgen ist beides in einer Person. 

Was Jörgen Persson als effektivstes Mittel gegen China ansieht und warum Dimitrij Ovtcharov bei der WM nicht auch Doppel mit einem Chinesen spielt, lesen Sie auf Seite 2!


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