Die diesjährigen TTBL-Finalisten Saarbrücken und Düsseldorf spielen erst am zweiten bzw. dritten Wettkampfwochenende (©Roscher)
04.07.2016 - Die Tischtennis Bundesliga (TTBL) hat den Spielplan für die Saison der Heim-WM 2017 veröffentlicht. Der gesamte Vorgang ist von der Präsentation bis hin zur Terminierung des Finales von mehreren handwerklichen Fehlern durchsetzt, findet unser Blogger Dietmar Kramer. Seiner Ansicht nach stehen diese Mängel sinnbildlich für einige entscheidende Probleme des Oberhauses und auch des Tischtennis-Sports in Deutschland.
Neuer Spielplan ein Bärendienst für die Liga
„Ein Klassiker mit dem Stelldichein von gleich sechs Olympia-Teilnehmern läutet die TTBL-Saison der Heim-WM 2017 nur eine Woche nach der Schlussfeier der Sommerspiele in Rio de Janeiro ein." Eine solche Konstellation oder gerne auch „Olympioniken-Treffen zum Auftakt: Spitzenspiel zum Bundesliga-Start“ wäre als Botschaft an die Tischtennis-Fangemeinde bei der Bekanntgabe des neuen Bundesliga-Spielplanes sicherlich in diesen oder ähnlichen Varianten möglich gewesen – oder besser: hätte möglich gemacht werden sollen.
Im Kampf um die Gunst von Publikum und Medien (mithin Sponsoren) allerdings hat die Liga sich wieder einmal einen Bärendienst erwiesen: Rekordchampion und Titelverteidiger Borussia Düsseldorf als renommiertesten, besucherträchtigsten, mindestens auf dem Papier stärksten und obendrein mit Timo Boll als einzig wirklichem Zuschauermagneten antretenden Klub suchen Anhänger und andere potenziell Interessente beim Studium des ersten Spieltages vergeblich, Vizemeister 1. FC Saarbrücken, der durch die Verpflichtung von gleich zwei einheimischen Nationalspielern zu einem ambitionierten Herausforderer avanciert ist, tritt am ersten Spieltag erst eine Woche später als der Rest der Liga an. Schlagerspiele also bereits zu Saisonbeginn? Wiederum Fehlanzeige.
Vorfreude auf die nach eigenem Selbstverständnis immer noch „stärkste Liga Europas“ verbreiten die gerade drei Begegnungen des ersten Wettkampfwochenendes wohl nur bei Sympathisanten der sechs beteiligten Klubs. In Sport-Deutschland (außer beim gleichnamigen Streaming-Portal) jedoch dürfte sich, wenn überhaupt, kaum jemand auch nur ansatzweise vom Saisonauftakt in der deutschen Eliteklasse angesprochen fühlen. Wüsste man es nicht besser als Fan, dem der schleichende Niedergang der Bundesliga in der Seele wehtut, müsste man das Angebot zur Saisoneröffnung inklusive seiner Darbietung und Verpackung als Kapitulation auf der Suche nach neuen Zielgruppen empfinden.
Mangel an Fantasie, Kreativität und Innovationsgeist
Es soll, um das zur Vermeidung von Missverständnissen klarzustellen, an dieser Stelle mitnichten Nörgelei um der Nörgelei willen stattfinden. Auch soll die Bundesliga nicht bloß schlecht geredet werden. Bekannt ist auch, dass die Gestaltung des Spielplanes einiger, wenn nicht gar zahlreicher Zwänge und Vorgaben seitens Dritter (die Vereine und die Spieler selbst) und übergeordneter Stellen (internationale Verbände) unterworfen ist.
Was jedoch Kritik beinahe geradezu herausfordert, ist der eklatante Mangel an (hoffentlich nur) Gefühl für Chancen auf Aufmerksamkeit, an spürbarem Willen zu immer weiteren Verbesserungen, kurz: der offenkundige Mangel an Fantasie zur Betonung eigener Stärken und damit zur positiven Unterscheidung von Konkurrenzsportarten.
Die Problematik ist für den geneigten Beobachter umso ärgerlicher, als dass der Liga die zum Teil einfachsten Schritte immer wieder und inzwischen auch von immer mehr anderen Sportarten vorgeführt werden. Ihre Ignoranz – ob vorsätzlich oder schlimmer noch fahrlässig – gegenüber Bemühungen und entsprechenden Entwicklungen bei Konkurrenzanbietern kann sich die Bundesliga allerdings unter gar keinen Umständen leisten. Im Gegenteil: Die Liga mit ihrer Führung und auch in ihrer Gesamtheit ist gefordert, für eine bessere Zukunft mit ansprechender Selbstdarstellung an allen nur denkbaren Stellschrauben zu drehen und idealerweise auch einmal selbst Kreativität und Innovationsgeist an den Tag zu legen.
Das „Projekt Spielplan“ und seine Mängelliste
Beim „Projekt Bundesliga-Spielplan 2016/17“ gelang das jedenfalls – wieder einmal – nicht. Warum? Die Liste handwerklich-strategischer Fehler ist bedauerlicherweise nicht gerade kurz:
Liga setzt keine Akzente mehr und gibt keine Impulse mehr
Zusammengefasst ist das Fallbeispiel Spielplan, wie auch der Anfang Juli immer veraltete Stand von Mannschaftsporträts auf der Liga-Homepage oder ein Liga-Jubiläum ohne auch nur einen einzigen der wahrhaftig vielen Stars aus vergangenen Jahrzehnten, ein prägnantes Indiz dafür, dass die Liga bereits seit geraumer Zeit nach außen im Vergleich zu anderen Sportarten keinerlei Akzente zu setzen in der Lage scheint und auch nach innen keinerlei Impulse zur Stärkung und Mobilisierung ihrer Basis gibt. Die Gründe sind offenkundig: Die Liga wird schlichtweg verwaltet – zum Selbstzweck, so scheint es, beinahe planlos und geradezu ideenlos. Mehr noch: Die Abwicklung des Tagesgeschäfts wirkt auf den neutralen Beobachter, nimmt man jedenfalls allein den Spielplan-Vorgang, absolut l(i)eblos.
Man kann sich über diesen letztgenannten, womöglich aber alles entscheidenden Eindruck nur wundern und muss diese Wirkung beklagen, geben doch bei den Vereinen die Manager viel oder gar ihr ganzes Herzblut für Fortschritte und Erfolge. Allerdings kommen die längst losgetretenen Debatten über die Zukunftsfähigkeit der Bundesliga nicht von ungefähr: Seit längerer Zeit schon tritt die Liga als Ganzes bestenfalls auf der Stelle - und die Bedeutung von Stillstand ist hinlänglich bekannt.
(Dietmar Kramer)
Hier nimmt TTBL-Chef Nico Stehle Stellung zu Dietmar Kramers Kritik!
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