Der Aufschlag: Ein heiß disktuiertes Thema im Profi- und Amateurbereich (©Roscher)
17.11.2015 - Dass das Thema ‚Aufschläge’ ein sensibles unter den Tischtennisspielern ist, ist unbestritten. Gerade in den Amateurklassen werden die Regeln nicht immer ganz so ernst genommen. Aber auch nicht alle Profis sind in dieser Angelegenheit ein Vorbild. Wir sprachen mit Nationalspieler Ricardo Walther, dessen Bergneustädter Trainer Jens Stötzel, Schiedsrichter Klaus Seipold und einem Düsseldorfer Bezirksklassenspieler darüber.
"Der Aufschlag beginnt damit, dass der Ball frei auf dem geöffneten Handteller der ruhig gehaltenen freien Hand des Aufschlägers liegt. Der Aufschläger wirft dann den Ball, ohne ihm dabei einen Effet zu versetzen, nahezu senkrecht so hoch, dass er nach Verlassen des Handtellers der freien Hand mindestens 16 cm aufsteigt und dann herabfällt, ohne etwas zu berühren, bevor er geschlagen wird. Der Ball muss sich vom Beginn des Aufschlags, bis er geschlagen wird, oberhalb der Ebene der Spielfläche und hinter der Grundlinie des Aufschlägers befinden und darf durch den Aufschläger oder seinen Doppelpartner oder durch etwas, das sie an sich oder bei sich tragen, für den Rückschläger nicht verdeckt werden.“ So heißt es in den Tischtennisregeln in Teil A in Paragraph 6.1, 6.2 und 6.4, drei von insgesamt sieben Unterpunkten zum Aufschlag in diesem Regelparagraphen. Wie viele der oben genannten Aspekte beim Aufschlag werden in der Realität wirklich eingehalten?
"Wird moniert, gibt es böse Stimmung in der Halle"
Geht es nach einem Düsseldorfer Bezirksklassenspieler, der namentlich nicht genannt werden möchte, nicht allzu viele: „In vielen Ligen werden häufig falsche Aufschläge aus unterschiedlichsten Gründen gemacht. Und wenn mal etwas moniert wird, gehen die Diskussionen los und es gibt böse Stimmung in der Halle. Schade finde ich es, wenn Spieler mit Absicht falsche Aufschläge machen, um sich einen Vorteil zu verschaffen, wie z.B. den Ball flach nach hinten in den Schläger zu werfen oder den Ball eher nur von oben fallen zu lassen statt ihn wirklich hochzuwerfen“, so der Endzwanziger. Seiner Meinung nach fehle es an Hilfsmitteln für Amateur-Schiedsrichter, um so etwas zu ahnden. Abgezählte Aufschläge habe der Düsseldorfer in den letzten 15 Jahren weder bis zur Bezirksliga noch auf Turnieren bis zur TTR-Grenze von 1800 Punkten gesehen, bei denen es im Finale mit Schiedsrichter um teils dreistellige Summen gegangen sei und zum Teil extreme Fehlaufschläge gemacht worden seien. „Es stört die Einstellung, dass in den unteren Ligen die Aufschlagregel nicht so wichtig sei. Ein Problem beim Abzählen von Aufschlägen ist die Tatsache, dass ich im Falle des Falles auch meinem Kameraden welche abzählen muss, wenn diese nicht korrekt sind.“ Nur die ganz falschen abzuzählen, sei gefährlich. „Was mache ich bei fast korrekten oder grenzwertigen Aufschlägen?“, so der Bezirksklassenspieler, der glaubt, dass die Regeln beim Aufschlag vielleicht auch insgesamt etwas zu kompliziert seien.
Regeln für Amateure vereinfachen, diese dann aber auch wirklich einhalten?
Könnte es demnach eine Möglichkeit sein, die Regeln – zumindest ab bestimmten Amateurklassen – etwas zu vereinfachen? Sich in der Regelauslegung auf die Verstöße zu konzentrieren, die dem Aufschläger die größten Vorteile bringen, diese Verstöße dann aber auch wirklich zu ahnden – selbst als befreundeter Mitspieler? Schiedsrichter Klaus Seipold, der schon bei Europa- und Weltmeisterschaften am Schiedsrichtertisch saß, sieht das kritisch: „Wo soll man da die Grenze ziehen? Der eine hat in einem bestimmten Aufschlagverstoß einen großen Vorteil, der andere hingegen gar nicht. Grundsätzlich werden die Regeln von der ersten Liga an gemacht, ziehen sich durch alle Ligen durch. Es gibt Ausnahmen, bei denen die nationalen Verbände einen gewissen Spielraum haben, aber der Aufschlag ist eine klassische Geschichte, bei der das nicht der Fall ist.“
Insgesamt machten der Einschätzung von Seipold zufolge, der als Spieler selbst in der 1. Kreisklasse aktiv ist, in den Amateurklassen etwa ein Viertel absichtlich falsche Aufschläge, drei Viertel unabsichtlich. Häufig werde nicht hoch genug oder nicht gerade genug geworfen. Die Haltung ‚Wir spielen ja nicht Bundesliga’ sei dabei stets allgegenwärtig. Um die Situation zu verbessern, rät Seipold: „Man sollte versuchen, die Leute an der Ehre zu packen.“ Aber auch bei den Profis solle ein Umdenken stattfinden, was den Vorbildcharakter angehe. Es gebe ein paar Spieler wie z.B. Timo Boll oder Vladimir Samsonov, die korrekt aufschlagen würden. Doch bei einigen anderen sei das Verdecken des Aufschlags durch Hand, Schulter oder Kopf nicht untypisch.
Zusätzlicher Schiedsrichter, vielleicht nur noch Rückhandaufschläge im Profi-Bereich?
Ähnlich sieht das Ricardo Walther, EM-Teilnehmer und Bundesligaspieler beim TTC Schwalbe Bergneustadt. „70 Prozent der Aufschläge, die man im Profibereich sieht, sind sicherlich grenzwertig oder sogar falsch. Wenn man gegen jemanden spielt, der nur falsche Aufschläge macht, dann tendiert man selbst auch eher dazu, den Ball in den Körper reinzuwerfen.“ Das sei laut Walther auch gleichzeitig der „Klassiker“ bei den Profis. Viele Spieler würden den Aufschlag ein wenig nach hinten, also in Richtung Körper werfen. Die Spanne dabei zwischen dem, was erlaubt sei und was nicht, sei sehr groß. Manche würden den Arm zusätzlich stehen lassen. Oft würde das nicht geahndet werden, aus der Position des Schiedsrichters sei das aber auch schwer zu sehen. Der 23-Jährige glaubt daher: „Ein dritter Schiedsrichter hinter der Box würde einiges erleichtern.“
Die gleiche Meinung vertritt Walthers Bundesligacoach Jens Stötzel. „Für manche Dinge wird viel Geld in die Hand genommen. In der Bundesliga einen dritten, vierten Schiedsrichter einzusetzen, würde im Vergleich zu anderen Sachen wirklich nicht viel kosten. Grundsätzlich sind die Regeln nämlich gut so, wie sie jetzt sind. Wenn sie denn korrekt umgesetzt würden. Denn vor allem das Ballverdecken muss stärker geahndet werden.“ Er als Trainer versuche seinen Schützlingen vorzugeben, fair zu sein, wenn es um einen grenzwertigen Aufschlag gehe. Sein Spieler Gustavo Tsuboi z.B. habe die Angewohntheit gehabt, die ‚Wurfhand’ beim Schwungholen unterhalb des Tischniveaus fallen zu lassen. Daran habe man im Training gearbeitet.
Im Profi-Bereich einen zusätzlichen Schiedsrichter anzuheuern, hält auch Klaus Seipold für eine gute Lösung. Alternativ könnte er sich aber auch eine kleine Kamera vorstellen, die speziell auf die Begutachtung des Aufschlages abziele. Im internationalen Regelkomitee sei sogar der Vorschlag gemacht worden, nur noch Rückhandaufschläge zu erlauben. Da sei die Frage, ob das das Spiel nicht grundlegend verändere. "Man weiß nicht, was das für eine Auswirkung hat. Aber Profis können alles, wenn sie es entsprechend üben."
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