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Phasendrescher-Blog: Klischees zum Pokalspiel

Der Pokal hat auch bei den Amateuren seine eigenen Gesetze. (©Laven)

30.09.2024 - Die neue Saison läuft und auch im Pokal ging es bei einigen Amateuren schon wieder los. Dass der Wettbewerb bekanntlich seine eigenen Gesetze hat, weiß auch unser Phasendrescher Philipp Hell. In seinem neuen Blog schreibt er über die Klischees eines klassischen Pokalspiels. Allesspieler, die nächste Spielsystem-Reform und (Nicht-)Motivationen für die Zukunft. Hell nimmt das Thema mit der gewohnten Prise Humor ausführlich unter die Lupe.

Wie jedes Jahr hat der hochmotivierte Mannschaftsführer Wolle ohne weitere Rücksprache seine Truppe für die neue Pokal-Runde angemeldet. Daher steht noch vor dem Start des Liga-Spielbetriebes das erste Pflichtspiel an – und das, obwohl Wolle doch wissen müsste, dass die ein oder maximal zwei freien Termine nach den Ferien und vor dem tatsächlichen Saisonbeginn von seinen im Sommer immer so faulen Jungs dringend zu Trainingszwecken benötigt werden. So kommt es, dass Wolle – obwohl er im Pokal ja sogar insgesamt nur drei Spieler benötigt – noch größere Aufstellungsschwierigkeiten hat als sonst.

Gefühlt die achte Spielsystem-Reform

Da der Gegner SV Eintracht VIII jedoch laut Internet zwei Ligen unter Wolles Team spielt, sollte die Aufstellung eigentlich egal sein. Wolle wird einfach auf den sich stetig verbessernden Topspin-Jugendspieler Jason zurückgreifen, wird den unkonventionellen Allesspieler Anton einsetzen und sollte mit seinem unangenehmen Störspiel selber locker für zwei Punkte gut sein. Alles in allem kein Problem also, Wolle ist schon ganz gespannt auf die Auslosung der zweiten Runde, hoffentlich wird das wieder ein Heimspiel und dann ist das sogenannte „Final-Four“ ja auch schon beinahe erreicht.

Allerdings kommt dann natürlich wieder alles ganz anders: Bereits beim Ausfüllen des neuen Spielberichtsbogens stellt Wolle fest, dass die Verbandsfritzen sich erneut für ein überarbeitetes Spielsystem im Pokal entschieden haben. Das dürfte in etwas die achte Spielsystem-Reform in den vergangenen fünf Jahren gewesen sein (so genau hat Wolle da nicht mitgezählt) und nun ist sogar erstmals ein Doppel mit dabei. Jedenfalls war das die Erkenntnis eines länglichen Telefonates von Wolle mit seinem Abteilungsleiter, der sich parallel am Rechner durch die Verbands-Homepage wühlte und so – hoffentlich – das richtige Spielsystem herausfinden konnte.

Wolle und die römischen Zahlen

Ja gut, ein eingespieltes Doppel gibt es jetzt bei der heutigen Aufstellung nicht unbedingt, aber das sollte gegen diesen Gegner ja auch keine Rolle spielen. Außerdem passen ein offensiver und ein defensiver Spieler immer gut zusammen, Wolle wird also mit dem jungen Jason antreten, das wird bestimmt klappen.

Kaum betritt das Gästeteam die Halle, fällt Wolle auf, dass die heutigen Gegner spielerisch gar nicht mal so schlecht aussehen. Jedenfalls beim Einspielen, aber das sagt bekanntlich oft ja gar nichts aus. Kurze Zeit später bemerkt der gegnerische Mannschaftsführer bei einem Blick auf den Spielberichtsbogen jedoch wie nebenbei, dass man ja der SV Eintracht VII sei und nicht der SV Eintracht VIII. Tja, Wolle und die römischen Zahlen, das war noch nie eine besonders innige Beziehung. Eine kurze – heimliche – Recherche auf dem Handy bringt Wolle die Erkenntnis, dass der heutige Gegner nicht zwei Ligen unter, sondern eine Liga über seinem eigenen Team antritt, wenn auch wohl dieses Jahr im Abstiegskampf. 

Allesspieler ausgebootet

Mit einer Top-Aufstellung hätte man da sicherlich gute Chancen gehabt, aber Wolle sieht eben nur Anton und Jason an Tisch eins. Na schön, drei Tische weiter trainieren zwei seiner Stammspieler, die könnte man in dieser Notsituation doch vielleicht …? Aber keine drei Minuten später hat ihm Kalle erzählt, dass er definitiv keinen Bock auf diesen blöden Pokal habe und sein Trainingspartner Uli verweist auf seine aktuell miserable Trefferquote beim Rückhand-Topspin, die es heute dringen noch zu verbessern gelte, denn nächste Woche im Ligaspiel gegen die Spielvereinigung, da gehe es ja dann wirklich um etwas.

Die ganze Aufregung hat in der Zwischenzeit natürlich auch Allesspieler Anton mitbekommen. Und bei allem was recht ist, aber Anton hat natürlich auch eine Tischtennisspieler-Ehre und dass er hier kurzfristig ausgebootet werden soll, das ist ja wohl wirklich unerhört! Beleidigt packt er vor den Augen der interessiert das Spektakel beobachtenden Gegner seine Sporttasche zusammen und ist schon auf dem Weg in die Kabine, bis ihn Wolle mit Engelszungen und tausend Beschwörungen doch noch zum Dableiben überreden kann. Außerdem muss er ihm später bei der Siegesfeier einige Kaltgetränke ausgeben.

Kein Pokal mehr in der nächsten Saison

Allerdings hätte man sich diesen ganzen Quatsch auch sparen können, denn gegen den sichtlich klassenbesseren Gegner gelingt kurz darauf kein einziger Punktgewinn: Topspin-Spieler Jason kommt nicht zu einem einzigen Topspin-Versuch, der unkonventionelle Anton verliert recht konventionell (nämlich sang- und klanglos), Wolle selbst stört mit seinem Störspiel heute allenfalls sich selber und über das wirklich überhaupt nicht funktionierende Doppel möchte anschließend niemand mehr ein Wort verlieren.

Als alle schon zusammenpacken weil das Spiel vorbei ist, kommt Uli angeschlappt und eröffnet seinem Kapitän, dass er jetzt doch noch spontan einsatzbereit sei, die Vorhand komme nun ganz gut und den Eintrachtlern würde er gerne in den Allerwertesten treten. Nur mit dem Spielsystem kenne er sich nicht so gut aus, ob Wolle ihn da kurz informieren könne? Wolle verlässt derweil wortlos die Turnhalle und schwört sich selbst beim Namen seiner Mutter, dass er zur nächsten Spielzeit nicht mehr für den Pokal melden wird. Egal, wie das Spielsystem heißt!

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell hat nun schon sein zweites Buch auf den Markt gebracht. Nach "Netzball" geht es in "Schon wieder ein Netzball" weiterhin mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga.

(Philipp Hell)

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