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Katastrophen-Touristen beim Alles-oder-nichts-Spiel

Bei einem Alles-oder-nichts-Spiel sind die Zuschauerbänke mal voll (©Laven)

20.05.2024 - Hatten auch Sie am Ende Ihrer Saison ein Alles-oder-nichts-Spiel, in dem Ihr Team um den Ab-, Aufstieg oder Klassenerhalt gekämpft hat? Phasendrescher Philipp Hell wirft in seinem Blog einen Blick auf diese entscheidenden Matches, zu denen sich - je nach dem - entweder Kind, Kegel und der Bürgermeister einfinden oder offensichtliche Katastrophen-Touristen, die sichergehen wollen, dass der gefürchtete erstmalige Abstieg in die Kreisliga C auch wirklich besiegelt wird.

Jede noch so lange Tischtennis-Saison biegt irgendwann auf die Zielgerade ein und manchmal steht im letzten Spiel – sei es in der regulären Liga oder gar in der Relegation – noch ein richtiger Kracher an. Ein alles entscheidendes Spiel, in dem es um die berühmte Wurst geht: Aufstieg? Abstieg? Klassenerhalt? Pokalsieg? Oder, wie das der damalige FC-Bayern-Trainer Louis van Gaal aus Holland damals nannte: Tod oder Gladiolen. In der Tischtennis-Kreisliga sieht man normalerweise selten Gladiolen, doch noch seltener sieht man dort Zuschauer. Gut, bis auf die zwei verstreuten Teilnehmer des parallel stattfindenden Trainings, die noch pumpend wie ein Maikäfer am Rand auf der Turnhallen-Bank sitzen und es einfach noch nicht unter die Dusche geschafft haben. 

Viel Lärm um alles oder nichts

Aber beim Alles-oder-nichts-Spiel am Saisonende finden sich tatsächlich mal richtige Zuschauer ein: Die Spieler der dritten Mannschaft, ehemalige Spieler, Gattinnen, ehemalige Gattinnen, Kinder, der Vereinsvorstand, der Bürgermeister. Na schön, die dritte Mannschaft wurde mit reichlich Gerstensaft angelockt, Kind und Kegel blieb gar keine Wahl („Du feuerst den Papa heute an, Ende der Diskussion!“), für den Vereinsvorstand ist das heute – leider – eine Pflichtveranstaltung und dem Bürgermeister wurde von irgendjemandem der Floh ins Ohr gesetzt, dass hier und heute spektakulärer Sport geboten werden würde. Und nicht der neunte Versuch des sichtlich übergewichtigen Mannschaftsführers Andreas, endlich mit seiner Invaliden-Truppe in die Kreisliga B aufzusteigen. Aber dieses Jahr muss es auch einfach klappen! Tatsächlich hat die Gattin von Benni sogar eine Kindertrommel, eine Ratsche und ein Tröte aus dem Kinderzimmer eingepackt. Und damit machen die Kids auch ganz schön viel Lärm bei den ersten vier Ballwechseln, bis die Dinger dann auch schon wieder kaputt sind.

So ein Endspiel kann eine Tischtennis-Abteilung schon ganz schön zusammenschweißen, schließlich treffen sich die Spieler aus den verschiedenen Mannschaften während der Saison gar nicht so häufig. Und auch die Familienzusammenführung ist immer wieder spannend zu beobachten, wenn beispielsweise Bennis Gattin feststellt, dass sein Mitspieler Uli eigentlich eine Mitspielerin Ulrike und noch dazu relativ jung und mehr als relativ hübsch ist.

Das Tischtennis-Händchen zittert

Allerdings finden sich zu so einem Endspiel eben auch die gefürchteten Erfolgsfans ein, siehe den Bürgermeister. Oder Horst und Dieter, früher zwei Allesgucker, die seit dem Bezirksliga-Abstieg der ersten Mannschaft keinen Fuß mehr in die Halle gesetzt haben. Doch heute: Gute Stimmung, die Sektflaschen stehen schon kühl, der Vereinsvorstand hat eine kleine Rede vorbereitet und Bennis Kinder ein tolles Plakat gemalt. Dass sich der Bürgermeister noch vor Spielende (und völlig unabhängig vom ihm ohnehin gänzlich schleierhaften Spielstand) still und heimlich verdrücken wird, soll heute keinen mehr stören. Schließlich soll gefeiert werden.

Ganz anders ist natürlich die Stimmung, falls es sich um ein Relegationsspiel gegen den Abstieg handelt. Da ist die Stimmung natürlich von Anfang an gedrückt, die Kinder und die Gattin wurden lieber zu Hause gelassen, die dritte Mannschaft ist geschlossen im Freibad am Kiosk versammelt und den Bürgermeister wird hier heute niemand sehen. Doch das ist natürlich auch besser so, schließlich zittert dem einen oder anderen schon beim bloßen Gedanken an den erstmaligen Abstieg in die Kreisliga C das Tischtennis-Händchen so sehr, dass mit spektakulärem Sport heute sicherlich nicht zu rechnen ist. Dafür haben sich einige offenkundige Katastrophen-Touristen eingefunden, die sichergehen wollen, dass das bereits in Schlagseite liegende Schiff auch wirklich sinken wird: Der unsympathische Manni vom Nachbarverein, der ehemalige Mitspieler Willy, der inzwischen Landesliga spielt und die gehässige Ex-Frau von Mannschaftsführer Andreas. Aufmunterung sieht anders aus und daher ist klar: Wenn, dann kann man die Klasse allenfalls taktisch und über den Kampfgeist halten, denn damit scheint der aufstrebende Gegner voller ambitionierter und hochnäsiger angehender Abiturienten definitiv nicht ausgestattet zu sein.

Ich schmiere ihm eine!

Doch egal, um welche Art von Spiel es sich auch handelt, mit fortschreitender Dauer des Spiels wünscht man sich sehnlichst die Ruhe des normalen Liga-Alltags zurück. Das ganze Gequatsche im hinteren Eck der Halle, die ebenso zahllosen wie sinnlosen Zwischen- und Anfeuerungsrufe, das Geklirre der Bierflaschen, der steigende Alkoholpegel und damit einhergehend die trotz schlechtem Spielverlauf steigende Stimmung und zunehmende Lautstärke im Publikum – es kann schon auch ein bisschen störend sein, dieses ganze wilde Drumherum. Und wenn Hansi jetzt noch ein einziges Mal „Konzentrier dich jetzt!“ ruft, dann geh ich zu ihm und schmier‘ ihm eine, ich schwöre es dir! 
So, jetzt noch mal volle Konzentration – wird schon schiefgehen. Und dann ist endlich Sommerpause.
 

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell hat nun schon sein zweites Buch auf den Markt gebracht. Nach "Netzball" geht es in "Schon wieder ein Netzball" weiterhin mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga.

(Philipp Hell)

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