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Phasendrescher: Aktives Zuschauen oder raus zum Rauchen?

Welche Zuschauertypen haben Sie in der Mannschaft? (©Koch/Laven)

07.08.2017 - Das eigene Spiel ist absolviert - jetzt kann man sich einmal den Matches der Teamkameraden widmen und diese nach vorne peitschen. Wie unser ‚Phasendrescher‘ Philipp Hell beobachtet, wird diese Phase eines typischen Amateurspiels aber auch gerne für andere Beschäftigungen genutzt. Bei manchen ruft die Nikotinsucht oder das Smartphone, bei anderen muss erst noch die eigene Niederlage beweint werden. Hell stellt uns verschiedene Zuschauertypen vor.

Ist man gerade nicht aktiv an der Platte im Einsatz und muss auch nicht den Schiedsrichter geben, so ist während eines Tischtennis-Punktspiels aktives Zuschauen bei den Matches der Mitspieler eigentlich Pflicht. Allerdings scheint dies doch nur so eine „Richtlinie“ zu sein, nicht wahr, so ein ungeschriebenes Gesetz, welches man natürlich auch weit auslegen kann. Sehr weit. Gerade in seinem eigenen Sinne. Und besonders wenn man einige mittel- bis sehr gute Ausreden parat hat. Gehen wir also beispielhaft die Spieler des TTC Konter Neustadt 5 kurz durch, wie sie sich als Zuschauer verhalten.

Pünktlich zum Matchball zurück in der Halle

Der Raucher im Team, Didi, hält sich nur selten an die Zuschauer-Regel. Äußerst selten. Doch als Raucher hat er natürlich auch eine gute Begründung, warum er nicht auf der Turnhallenbank mit seinen Kollegen mitfiebern und diese anfeuern kann: Er muss eine rauchen gehen, die Sucht ruft, das Nikotin, klar, bisschen frische Luft schnappen, verstehste, oder? Wie er es jedoch schafft, immer pünktlich zum Matchball in die Halle zurückzukehren – um dann, je nach Lage der Dinge, lautstark zu applaudieren oder den Kopf mit den Worten „Schade, da war mehr drin!“ hin- und herzuwiegen – ist bis heute allen ein Rätsel geblieben.

Jens ist der Diskutierer der Mannschaft, der sich so lange lautstark bei seinem Nebenmann über sein eigenes, gerade verlorenes Match unterhält bzw. ausheult, bis einem der Jungs an der Platte der Kragen platzt und er die Zuschauer anraunzt, ob sie ihre Debatte nicht auf WhatsApp fortsetzen wollten, dann könne er sich hier wenigstens konzentrieren. Da ist Jens natürlich eingeschnappt, er hätte jetzt schon noch gerne detailliert von diesem wahnsinnigen Pech erzählt, das ihn schon seit Monaten verfolgt, und auch heute war ihm das Glück nicht gerade hold. Aber seine mitleidslosen Mitspieler interessieren sich ja offenkundig überhaupt nicht für ihn!

Fußballgesänge und Beckerfaust

Ebenfalls zu laut: Leon, gerade einmal 17 Lenze alt, der WM-Jubler. Er heißt so, weil er jeden Punktgewinn des Teamkameraden feiert, als hätte dieser gerade das WM-Finale gegen einen unbezwingbaren Chinesen gewonnen – auch wenn der unbezwingbare Chinese hier und heute auf den Namen Lars-Dietrich hört, vom Pappnasenverein aus dem Nachbardorf stammt, alles andere als unbezwingbar ist und gerade erst vier Ballwechsel gespielt sind. Doch das stört Leon, den WM-Jubler, in keinster Weise: Da wird grölend jede mittelstarke Rettungstat besungen, jeder erfolgreiche Angriff wird stehend und mit Beckerfaust abgefeiert und wenn es endgültig nach Sieg aussieht, werden auch schon einmal Fußballgesänge angestimmt.

Dann sitzt da noch der Leierkasten-Mann herum. Werner hat nur eine Platte auf Lager, er kann nur einen Satz, und dieser Satz wird in allen passenden sowie unpassenden Spiellagen wiederholt: „Auf geht’s, weiter!“ Und das alles, ohne auch nur eine Sekunde lang das laufende Match verfolgt zu haben. Sein Blick schweift nämlich immer durch die Halle: auf die Nachbarplatte, zum Handy, zur heute im gegnerischen Team mitspielenden aparten Mittvierzigerin, an die Hallendecke oder in seine Sporttasche. Doch egal: dummer Fehler des eigenen Mannes? „Auf geht’s, weiter!“ Wahnsinns-Rally mit vierzig Schlägen und grandiosem Finalschlag? „Auf geht’s, weiter!“ Glücklicher Punkt per Kantenball? „Auf geht’s, weiter!“ Aufschlagfehler? „Auf geht’s, weiter!“ Match gewonnen? „Auf geht’s, weiter!“ Wie, das Spiel ist schon aus? Ja gut, super, toll gespielt, Werner hat‘s genau gesehen, strategisch eine Meisterleistung, ganz klar.

Wortkarg oder endlose Monologe

Der Smartphone-Süchtige Tommy wiederum, der sich vorhin schon wegen seiner Unkonzentriertheit als Schiedsrichter blamiert hat, hat auch als Zuschauer selbstverständlich nichts anders zu tun, als auf seinem Wischhandy intensiv herum zu wischen. Solange die Punktspiele der 3. Kreisliga Nord/West also nicht per App aufs Handy gestreamt werden, wird er am Ende des Abends gar nicht wissen, wer das Spiel gewonnen hat. Ist aber auch egal, dafür hat er einen neuen Rekord bei Candy Go erzielt, oder war es Pokemon Crush? Ist ja auch egal, auf jeden Fall ist das ja auch etwas Wert, und da ist er auch viel besser als bei diesen seltsamen TTR-Punkten.

Doch wenigstens einen Spieler gibt es in jedem Team, der auch wirklich seinen Mannschaftskameraden zusieht: Karl-Peter ist der geborene Coach und kann bereits nach zwei Ballwechseln – und seien sie noch so kurz gewesen – erste taktische Ratschläge erteilen. Das tut er dann auch, meist ungefragt und lautstark: „Halte ihn mehr auf der Rückhand, keine offenen Konterduelle, da muss mehr Unterschnitt rein!“ – so geht das die ganze Zeit. Interessanterweise widersprechen sich die Tipps alle zwei Ballwechsel und passen auch sonst wenig zur Spielweise des Mannes am Tisch. Doch wenigstens freut man sich über den Zuspruch und die Aufmerksamkeit. Mit Karl-Peter wird man sich dann in der Satzpause auch mal in Ruhe austauschen und das weitere Vorgehen besprechen, nachdem der erste Durchgang schön in die Hose gegangen ist. Oder zumindest könnte man das theoretisch –  wenn es nur gelänge, seinen endlosen Monolog zu unterbrechen.

(Philipp Hell)

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