Leistete sich einen Fauxpas: Felix Lebrun, Patrick Franziska sprach über eine neue Regel. (©ETTU/Qiu)
21.10.2024 - Als hätte der Triumph des späteren Vize-Europameisters Benedikt Duda im Einzel-Viertelfinale gegen Felix Lebrun am Samstagabend in Linz nicht genügend Gesprächsstoff geboten, rückte die nachträgliche Disqualifikation die Niederlage des 18-jährigen Franzosen in den Hintergrund. Wie myTT-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll die Szene einordnet und was er von der ETTU zur EM eingeführten neuen Regel für die Profis hält, lesen Sie in seinem Abschlussblog aus Österreich.
Vor genau einer Woche habe ich meine Erwartungen in meinem ersten EM-Blog niedergeschrieben. Und die waren bekanntlich hoch. Meine erhoffte beste EM aller Zeiten wurde es aber nicht. Das lag weniger am sportlichen Ausgang, sondern viel mehr am Drumherum und den in der ersten Turnierhälfte unwürdigen Arbeitsbedingungen für Journalisten in der Linzer TipsArena. Ansonsten war das Niveau hoch. Der DTTB konnte mit vier Medaillen zufrieden nach Hause fahren, die heimischen Zuschauer kamen durch die Titelverteidigung von Sofia Polcanova auf ihre Kosten und Alexis Lebrun bewies mit seinem Einzeltitel, dass eben nicht nur sein jüngerer Bruder Felix oder Truls Moregardh nach Olympia alles in Grund und Boden spielen.
Felix Lebrun: Schlechter Verlierer oder im Lernprozess normal?
Apropos Felix Lebrun. So gerne ich den Penholderspieler mit seiner unbekümmerten Art und seinem extrem schnellen und druckvollen Spiel am Tisch sehe, so sehr offenbarte sich am Wochenende, dass der Teenager auch noch eine Menge lernen muss. Eine schlechte Leistung war es sicher nicht im Viertelfinale gegen Benedikt Duda. Doch der Youngster erwies sich mit seinem unsportlichen Verhalten nach dem letzten Ballwechsel als schlechter Verlierer. Ist das so? Oder darf seine Reaktion aus der Emotionalität heraus, der Favoritenrolle nicht gerecht worden zu sein, als Kurzschluss gesehen werden? Schwer zu sagen. Für mich hat die negative Aktion allenfalls einen Tadel verdient, um mal die alten Schulstrafen zu bemühen.
Ich muss zugeben, dass mein Magazin-Kollege Jan Lüke und ich den Aufreger von der Pressetribüne zunächst gar nicht mitbekommen haben, weswegen der Teil zum besagten Vorfall im Artikel auch zunächst fehlte. Entschuldigung an dieser Stelle. Doch wie kam es überhaupt zum Eklat? Lebrun warf seinen Schläger und zerstörte dabei die LED-Bande derart, dass diese ausgetauscht werden musste. Die Folge der Entgleisung: die Rote Karte und die nachträgliche Disqualifikation vom Einzelwettbewerb durch den dänischen Oberschiedsrichter Steen Andersen.
Der Franzose hat seine Strafe bekommen, Tränen-Drama bei Christina Källberg
Der Penholderspieler büßte seine Platzierung und Weltranglistenpunkte ein. Auswirkungen auf das Doppel-Finale am Sonntag hatte der Fehltritt laut Lebrun allerdings nicht. „Ich war emotional. Ich bin mir bewusst, dass das nicht gut ist, und ich werde so etwas nicht noch einmal tun", wurde der Franzose vom europäischen Verband zitiert und muss für den verursachten Schaden auch finanziell aufkommen. Schnell hatte Lebrun wieder den Fokus auf das Sportliche gerichtet und im Doppel eindrucksvoll geliefert. Ihm sei die Aktion damit auch verziehen. Dem sympathischen Eindruck, den er vermittelt, tut das keinen Abbruch. Verrückterweise war auch schon 2023 in Malmö ein Bildschirm an der Bande zerstört worden – damals war der Däne Anders Lind involviert.
Tränen flossen in Linz übrigens auch zu Genüge – nicht nur nach Niederlagen. Die Schwedin Christina Källberg bestritt am Donnerstag in fünf Stunden vier Spiele, völlig ausgepowert und ohne jegliche Zeit zum Mittagessen. Die Kritik am Zeitplan konnte der kroatische Turnierdirektor Alen Ivancin von der ETTU nicht nachvollziehen, wie er der BILD mitteilte. Es sei hart, aber das ist Tischtennis, die EM sei zwei Tage kürzer gewesen als in München 2022, als die Spieler monierten, das Turnier hätte zu lange gedauert. Meiner Meinung nach müssen die Profis damit klarkommen.
Viele abgezählte Aufschläge, Gewöhnung an ‚After-Match-Control‘
Anpassen müssen sich die Nationalspielerinnen und -spieler immer wieder auch beim Regelwerk. Die Vize-U21-Europameisterin Elena Zaharia fing schon während ihrer Auszeit im Match gegen Annett Kaufmann an zu weinen, weil ihr immer wieder Aufschläge abgezählt wurden. Auch Sabine Winter bekam das im deutsch-deutschen Duell gegen Franziska Schreiner immer wieder zu spüren und hatte dafür wenig Verständnis. Es gibt eben genügend Profis, die nicht korrekt aufschlagen. Ob die Schiedsrichter zu kleinlich vorgehen und so hart durchgreifen müssen, ist eine andere Frage.
Dimitrij Ovtcharov stellte noch klar, dass Schlägerwechsel im Tischtennis übrigens immer diskutiert werden, im Tennis sei das Gang und Gäbe. Patrick Franziska konnte mit seinem Schläger weiterspielen. Um gegen illegal behandelte Beläge vorzugehen, wurde in Linz zum Testen erstmals die so genannte „After-Match-Control“ durchgeführt. Bei den Verlierern eines Spiels wurden die Beläge vom Holz abgezogen und genau überprüft, ob sie nicht zu dick sind. Auch für die Profis war das gewöhnungsbedürftig. Ob sinnvoll oder nicht, Franziska und Co. bleibt keine andere Wahl im Regelkosmos Tischtennis.
(FKT)
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