EM-Blog

EM-Blog: Unwürdige Arbeitsbedingungen in Linz

So macht Arbeit keinen Spaß: Fabian Kleintges-Topoll auf der ,Pressetribüne' in Linz. (©Lüke)

16.10.2024 - In seinem Blog einen Tag vor dem Turnierstart in Linz schrieb Fabian Kleintges-Topoll noch, dass dies womöglich seine persönlich beste EM werden könnte. Rein sportlich hat sich daran am zweiten Qualifikationstag nichts geändert. Doch die Arbeitsbedingungen und die Gleichgültigkeit der Verantwortlichen machen dem myTT-Redakteur zu schaffen. Was den 28-Jährigen so stört, lesen Sie in seinem zweiten EM-Blog.

Wenn ich bei internationalen Turnieren für die Live-Berichterstattung auf myTischtennis.de auf Achse bin, dann bin ich in meiner fünfjährigen Zeit als Tischtennis-Journalist bisher immer gut damit gefahren, am ersten Turniertag mindestens eine Stunde früher in der Halle zu sein, um die langen Wege von der Akkreditierungsausgabe in den Katakomben über die Mixed Zone bis zur Pressetribüne kennenzulernen und sich einzuprägen. So auch am Dienstagmorgen gegen 10 Uhr in der TipsArena in Linz. Bis zum Quali-Start und den Auftaktspielen der ersten Deutschen war genug Zeit - eigentlich. 

Kein Platz auf der Pressetribüne, ohne Strom im Zuschauerbereich

Der lange Flur bis zum Ausgabebüro der Arbeitskarten war dank guter Beschilderung schnell zu finden. Vom Österreichischen Tischtennis-Verband (ÖTTV) gab es einen USB-Stick als Begrüßungsgeschenk. Und für Fragen durfte ich die Nummer des Pressechefs abfotografieren. Im Innenraum fand ich dann nach einigem Herumirren die klassischen Arbeitsplätze mit Tischen, Strom und Stühlen, wo ich mich gerne breit gemacht hätte - doch es war kein Platz mehr.

Es hätten sich zu viele Journalisten angekündigt, lautete die erste Begründung von Seiten der ETTU. Ich könnte auf die normale Zuschauertribüne gehen. So weit, so gut. Aber ohne Strom wird ein langer Liveticker-Tag bei einer EM nicht zu stemmen sein, merkte ich sofort an und dachte sofort an die Handynummer vom Pressechef. Der rief mich sogar schnell zurück und zeigte sich zunächst hilfsbereit. „Wir richten gerade weitere Plätze ein“, sagte er, während ich schon nervös auf den schwachen Akku meines Macbooks schaute. 

Mit Handtüchern auf Beton? Ein schlechter Scherz

Die ersten Spiele überstand ich ohne Steckdose so gerade eben. Beim zweiten Anruf Richtung Pressechef war die neue „Pressetribüne“ dann fast eingerichtet. Wenn man diese im Stehplatzbereich auf den unbequemen, breiten Betonstufen überhaupt so nennen kann. Immerhin wurden eine Kabeltrommel mit Mehrfachsteckern verlegt und zwei Schilder mit der Aufschrift „Media“ befestigt. Dort aber bis zu zwölf Stunden mit wenigen Unterbrechungen sechs Tage lang am Stück zu sitzen, ist für mich ein absolutes No Go. Stand Mittwochnachmittag, 14 Uhr, sind die Arbeitsbedingungen einer EM wirklich unwürdig. 

Die Krönung kommt allerdings noch. Als ich den Pressechef wenigstens um einen Stuhl gebeten hatte, versuchte er für den nächsten Tag einen aufzutreiben. Am Mittwochmorgen nach erneuter Nachfrage dann die Enttäuschung: Aus Sicherheitsgründen könne kein Stuhl bereitgestellt werden. „Das geht nicht. Dann müssen Sie ein Handtuch mitbringen“, meinte der Pressechef wohl als Scherz.

Mehr Verständnis wäre wünschenswert 

Da bin ich fast aus allen Wolken gefallen, aber natürlich trotzdem seriös geblieben. Mein Verständnis hält sich in Grenzen. Für mich ist das Thema nach einigen Anläufen jetzt durch und ich muss wohl jetzt einfach akzeptieren, vom Boden aus zu arbeiten. Am meisten stört mich die Gleichgültigkeit, den Verantwortlichen scheint es schlichtweg egal zu sein, von wo aus die Journalisten ihrer Arbeit nachgehen. Und die Entschuldigung, dass zu viele Pressevertreter gekommen wären, lasse ich da nicht gelten. Wofür beantragt man denn vorher eine Akkreditierung? Wer so viele Journalisten zulässt, muss sich dann auch darum kümmern, dass diese einen akzeptablen Arbeitsplatz haben.

Fakt ist, so etwas habe ich in meinen bisherigen fünf Berufsjahren als Sportjournalist noch nie erlebt. Da läuft selbst in der vierten deutschen Fußball-Liga alles reibungsloser. Dass es für alle Medienvertreter in Linz nur eine Tüte Nüsse zu essen gibt, haut mich nicht mehr um. Immerhin habe ich jetzt Strom, stabiles WLAN und ein schickes Pressezentrum im Linzer Fußballstadion nebenan. Von dort kann ich allerdings keinen Liveticker pflegen. Aber mit Sicherheit habe ich genügend Sitzfleisch für vier weitere lange Tage auf einer unruhigen Stehplatztribüne, wo man sich alles andere als gut konzentrieren kann. 

Vielleicht sollte ich mit den Spielern an den zwölf Tischen von Tribüne zu Tribüne wandern. Aufladen kann ich zwischendurch. Oder ich besorge mir in der Stadt noch einen Campingstuhl, ein Handtuch aus dem Appartment mitzubringen, hätte sicher auch seinen Charme. Spaß beiseite. Man muss es wohl mit Humor nehmen. Und wer weiß, ob sich im weiteren Turnierverlauf noch Besserung einschleicht. Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben! 

(FKT)

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