Bei der WM 2023 gewannen Patrick Franziska und Dimitrij Ovtcharov überraschend Bronze, bei der EM in Linz treten sie nicht gemeinsam an (©ITTF)
08.10.2024 - Die Olympischen Spiele in Paris sind abgehakt - und aus deutscher Sicht vor allem bei den Herren eher enttäuschend verlaufen. Damit startet das deutsche Nationalteam nun in den nächsten Olympia-Zyklus und bekommt bei der Individual-EM in Linz direkt die Chance, die kontinentalen Verhältnisse wieder gerade zu rücken. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz sieht in der Nominierung zum einen positive Ansätze, aber sieht zum anderen auch verpasste Chancen.
Nach Olympia ist vor Olympia - gemäß diesem Motto bewegt sich das Leben eines Leistungssportlers meist im Vier-Jahres-Rhythmus. So mögen die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles für den normalen Sportinteressierten noch in weiter Ferne liegen, für die Tischtennisprofis beginnt nach einer verdienten Verschnaufpause nun der nächste Vier-Jahres-Zyklus, an dessen Anfang mit der Individual-EM gleich ein kontinentales Highlight steht. Das deutsche Team ist mit einem vollgeschriebenen Hausaufgabenheft von den Olympischen Spielen heimgekehrt und könnte nach den teils enttäuschenden Olympia-Ergebnissen direkt neue positive Impulse in Linz setzen. Darum verwundert es nicht, dass der DTTB - anders als zum Beispiel bei den Team-Europameisterschaften 2021 und 2023 - mit fast allen Topspielern an den Start geht. Die Zeiten, in denen die größte kontinentale Konkurrenz aus dem eigenen Team stammte, sind schließlich vorbei, wie man unter anderem an Felix Lebruns und Truls Moregardhs Auftritten in Paris sehen konnte.
Interne Ausscheidungsturniere mit Chancen und Risiken
Darüber hinaus ist es gut, zu sehen, dass sich der DTTB auch ein Stück Richtung Zukunft öffnet. Teils ohne eigenes Zutun, da sich mit Andre Bertelsmeier, Franziska Schreiner, Mia Griesel und Sophia Klee vier deutsche Jungspunde ihren persönlichen Startplatz bei der U21-EM erspielt haben. Teils aber auch mit einem überraschenden Auswahlturnier im weiblichen U18- und U15-Nationalkader, in dessen Rahmen der achte Damen-Startplatz vergeben wurde. Diese Entscheidung war sicher auch dem luxuriösen Umstand geschuldet, sage und schreibe acht Spielerinnen zur EM schicken zu dürfen. Der überraschende Sieg von Elisa Nguyen offenbart hingegen den Reiz eines solchen internen Ausscheidungswettbewerbs, den so mancher auch als Schwäche auslegen mag: Durch eine starke Leistung an diesem Tag setzte sich die Nummer 503 der Welt als Underdog durch und bekommt nun die Chance, sich beim traditionsreichsten kontinentalen Turnier der Erwachsenen zu beweisen, die sie sonst nie bekommen hätte.
Höchstwahrscheinlich wird Nguyen in Linz ordentlich Lehrgeld bezahlen müssen. Jedoch finde ich es durchaus begrüßenswert, dass neben der klassischen Nominierung auch wieder andere Wege ausprobiert werden. Dass man mit solch einer punktuellen Art und Weise der Auswahl auch goldrichtig liegen kann, konnte in der Vergangenheit schon so manches Mal beobachtet werden. Besonders gut kann ich mich noch an den WM-Dritten von Budapest im Jahr 2019 erinnern, An Jaehyun, der zu dieser Zeit nur der zehntbeste Koreaner in der Weltrangliste war, sich im internen Ausscheidungsturnier aber einen Platz im WM-Team erspielte und bei seinem Welttitelkampf-Debüt gleich die Bronzemedaille gewann.
Doppelvorbereitung für LA?
Die deutsche Nominierung für die Doppelwettbewerbe nehme ich jedoch mit gemischten Gefühlen wahr. Zum einen ist es genau der richtige Schritt, mit der Mixed-Kombination Annett Kaufmann und Patrick Franziska sowie dem Damen-Doppel Kaufmann und Nina Mittelham Optionen aufzubauen, die für die Olympischen Spiele in Los Angeles relevant werden können. Bei den Herren wird diese Chance hingegen nicht genutzt. Hier wird zum einen das eingespielte und vielfach erprobte Duo Benedikt Duda und Dang Qiu sowie das junge Doppel Fanbo Meng/Andre Bertelsmeier an den Start gehen. Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska, die nach jetzigem Stand mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Olympia-Team 2028 gehören könnten, bleiben jedoch außen vor. Dies verwundert gerade vor dem Hintergrund, dass es dem deutschen Herren-Team in Paris gerade auch an einem funktionierenden Doppel fehlte. Auch DTTB-Sportdirektor Richard Prause hatte dem Magazin tischtennis nach den Olympischen Spielen noch gesagt, dass die Doppelvorbereitung für LA jetzt starte und man früh verschiedene Duos in Position bringen wolle. Bei der EM 2022 in München stand kein einziges deutsches Doppel auf dem Siegertreppchen. Es wird Zeit, dass sich das wieder ändert, um gut vorbereitet zu sein, wenn sich in vier Jahren der nächste Olympia-Zyklus schließt.
(JS)
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