Blog

Blog: Olympia - Zeit für ganz große Gefühle

Felix Lebrun musste das erste Mal in seinem Leben vor Freude weinen (©ITTF)

13.08.2024 - Was bleibt nach über zwei Wochen Olympischen Spielen? Redakteurin Susanne Heuing war in Paris vor Ort und hat in der Zeit viel erlebt. Eröffnungsfeier, andere Sportarten, großartige Stimmung. Warum aber die großen Emotionen bei den Tischtennis-Wettkämpfen das sind, was sie am meisten beeindruckt hat, darüber schreibt sie in ihrem Blog.

17 Tage Paris, davon 15 Tage Tischtennis: Olympia hat mich geschafft, ich bin einfach nur platt. Jetzt auf der Rückreise auch noch einen Blog schreiben? Worüber nur? Ich sitze jetzt schon eine Weile uninspiriert vor dem leeren Word-Dokument. Dabei gäbe es viel, über das ich schreiben könnte. Zu viel, das ist wahrscheinlich genau das Problem. Der Kopf ist voll von Eindrücken und Erlebnissen, das Programm vor Ort war zu straff, um irgendwas davon zwischendurch mal sacken zu lassen oder zu sortieren. Worüber also lohnt es sich, unabhängig von den sportlichen Ergebnissen, noch zu schreiben? Was ist das, an das ich mich auch später noch erinnern werde?

Des einen Freud, des anderen Leid

Die außergewöhnlich gute Stimmung vor Ort, nicht nur beim Tischtennis, gehört natürlich dazu. Das olympische Feuer am Ende der Eröffnungsfeier auf einem Boot die Seine entlang fahren zu sehen, war auch ein besonderer Moment. Besuche bei anderen Sportarten waren spannend, die Gelegenheit bietet sich so ja nur bei Olympia. Was mich aber am nachhaltigsten beeindruckt hat, sind die großen Emotionen, die ich in der South Paris Arena 4 beim Tischtennis miterlebten durfte und die mir noch mal vor Augen geführt haben, dass im Tischtennis ein Medaillengewinn bei Olympischen Spielen so viel mehr wert ist als bei allen anderen Wettkämpfen, Weltmeisterschaften eingeschlossen. 

Mir fällt da als erstes jener Tag ein, an dem die Bronzemedaille im Herren-Einzel ausgespielt wurde und die Szene, die sich danach in der Mixedzone abspielte. Hugo Calderano hatte gerade das erste TV-Interview gegeben, als er um eine Pause bat. Er drehte den wartenden Journalisten den Rücken zu, hockte sich hin, und presste sein Gesicht fest in ein großes Handtuch. Es dauerte etwas, bis er wieder aufstand, um dann den nächsten Medienvertretern, mit Tränen in den Augen, Rede und Antwort zu stehen. Den sympathischen Brasilianer, der mir zwei Tage zuvor nach seinem Halbfinaleinzug in der Mixedzone noch mit so viel Optimismus gegenüberstand, so geknickt zu sehen – das hat mich nicht kalt gelassen. Genau so schön war es auf der anderen Seite, die Freude des Siegers mitzuerleben. Nachdem Felix Lebrun den Matchball gegen Calderano verwandelt und sich somit die Bronzemedaille gesichert hatte, kamen ihm genau wie seinem Coach Nathanael Molin sofort die Tränen. Und Lebrun erzählte später den Journalisten, es sei das erste Mal in seinem Leben gewesen, dass er vor Freude geweint habe.

Intensivere Emotionen

In solchen und anderen Momenten ist zu spüren, was den Sportlern die Olympischen Spiele bedeuten, die Emotionen sind anders, intensiver als bei Welt- oder Europameisterschaften, anders als auf der WTT-Tour oder im Ligaspielbetrieb. Ich sehe viele Tränen im Turnier, blicke in leere Gesichter und sehe Sportler, die nicht wissen wohin mit ihrer Freude. In jedem Spiel, ob 1. Runde oder Finale, ist zu sehen, um wie viel es hier für die Sportler geht; dass es der Wettkampf ist, auf den sie seit Jahren hingearbeitet haben. Das lässt einen auch von außen, egal ob nun Zuschauer oder Journalist, noch mal ganz anders mitfiebern.

Besonders emotional wird es in Paris auch nochmal, als mit einer Niederlage nicht nur ein Medaillentraum platzt, sondern auch eine große Ära endet. Timo Bolls 1:3 gegen Anton Källberg bedeutete nicht nur das Viertelfinal-Aus der DTTB-Herren gegen Schweden, sondern auch das Ende von Bolls internationaler Karriere. Als die Zuschauer in der Halle wenige Minuten nach dem Spiel anfingen, den 43-Jährigen mit „Timo, Timo“-Rufen zu feiern, konnte der Rekord-Europameister die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nach den Medaillenspielen im Herren-Einzel hatte ich eigentlich gedacht, dass es nicht mehr viel emotionaler würde werden können – aber Bolls große Karriere mit so einer Enttäuschung zuende gehen zu sehen, hat mich dann doch noch mal ganz anders gepackt. Zumal ich mich tatsächlich nur an ein Turnier erinnern konnte, bei dem ich Boll schon einmal hatte weinen sehen, es war – Überraschung  – bei den Olympischen Spielen, 2016 in Rio de Janeiro, nachdem er dem DTTB-Team, obwohl angeschlagen, die Bronzemedaille gesichert hatte.

Diese Erinnerung ist aus Rio geblieben, so wie auch aus Paris vor allem die emotionalen Momente bleiben werden. Denn Emotionen wie diese, die gibt es nur bei Olympia. (sue)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2024 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.