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Blog: Olympia ohne Ying Han - und jetzt?

Vor den olympischen Ringen wird Ying Han in diesem Jahr nicht spielen (©ITTF)

08.07.2024 - Die Nachricht von Freitag über Ying Hans zweiten Achillessehnenriss innerhalb von sechs Monaten war kaum zu fassen. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz hatte sich kurz vor dem Start des WTT Star Contenders in Bangkok noch mit der Abwehrspielerin getroffen und war beeindruckt von ihrer positiven Einstellung und ihren Fortschritten. In ihrem Blog überlegt sie, was Ying Hans erneute Verletzung für die 41-Jährige und die deutsche Damen-Olympiamannschaft bedeutet.

Als die medizinische Helferin in der Box Ying Hans Fuß vor und zurück bewegte, mit dem Kopf nickte und ihr anschließend tröstend die Hand aufs Bein legte, saß ich ungläubig vor dem Livestream. Das konnte doch nicht wirklich heißen, dass sich die beste Abwehrspielerin der Welt nach dem Unglück im Januar erneut einen Achillessehnenriss zugezogen hatte - diesmal am anderen Fuß -, oder?! Kurze Zeit später kam jedoch die bittere Bestätigung: Die Sehne ist gerissen, ihr Start bei den Olympischen Spielen abgeblasen. Ich muss gestehen, dass mich das trotz aller journalistischen Neutralität ziemlich erschüttert hat. Denn erst eine Woche vorher hatte ich Ying Han im DTTZ beim Training besucht und eine durch und durch positive Sportlerin angetroffen, die in den vergangenen sechs Monaten wirklich alles dafür getan hatte, doch noch zu den Olympischen Spielen fahren zu können. Alles sah danach aus, als ob die ganze Geschichte ein Happy-End haben würde und Han in Paris wieder würde angreifen können. Es kam anders.

Plan B liegt schon vor

Ein paar der Dinge, über die wir uns im DTTZ unterhalten haben, kamen mir am Freitag wieder in den Sinn. Zum Beispiel, dass sie sich mit ihrem Start beim WTT Star Contender in Bangkok vor allem in den Dienst ihrer Mannschaft stellte, um noch Weltranglistenpunkte für eine bessere Teamsetzung zu sammeln, während ihr ein Verzicht auf dieses Turnier eine bessere Einzelsetzung eingebracht hätte. Kann es noch bitterer werden?! Natürlich bringen alle „Was wäre, wenn“-Gedanken nichts, auch in Paris hätte das noch passieren können. Aber jetzt kurz vorm Ziel, im ersten Spiel des Comeback-Turniers, ist solch ein Rückschlag halt wirklich die Höchststrafe.

Was heißt Hans Ausfall nun aber für das deutsche Olympia-Team? Der DTTB hat den Plan B bereits veröffentlicht: Ins Team rückt logischerweise Ersatzspielerin Annett Kaufmann nach, deren Einsatz einige Fans schon bei der Nominierung gefordert hatten. Sie wird bei ihren ersten Olympischen Spielen jedoch nur den Mannschaftswettbewerb bestreiten, den zweiten Einzelstartplatz neben Nina Mittelham übernimmt Xiaona Shan, die eigentlich nur fürs Team vorgesehen war. Als Ersatzspielerin fährt schließlich Yuan Wan mit. Große Überraschungen gab es dabei nicht, ein paar Fußnoten muss man aber noch setzen. So hat Kaufmann seit der Team-WM in Busan im Februar kein internationales Turnier mehr bestritten, weil sie sich auf ihr Abitur konzentrierte. Zwar gewann sie zwölf ihrer 13 in den ersten beiden Monaten gespielten internationalen Einzel, zeigte bei den deutschen Meisterschaften in Erfurt vor wenigen Wochen, dass sie auch jetzt in guter Form ist und gewann zwei Titel, jedoch wird die Konkurrenz in Paris natürlich noch mal ein anderes Kaliber haben. 

Deutschlands Damen von Verletzungen geplagt

Xiaona Shan hat derweil ein schwieriges erstes Halbjahr 2024 hinter sich. Probleme mit den Schultern und ein Bandscheibenvorfall im Nacken plagten die Penholderspielerin, die dementsprechend noch nicht zu ihrer Bestform fand. So verlor sie im WM-Viertelfinale gegen Frankreich zwei wichtige Einzel gegen Jianan Yuan und Prithika Pavade und gab beim World Cup im April verletzt auf. Ihr Einzug ins Halbfinale des WTT Contenders in Rio de Janeiro Ende Mai machte Hoffnung, das Star Contender in Ljubljana und in Bangkok im Juni und Juli sagte sie jedoch jeweils ab. Im Bundesliga-Finale trat sie für Berlin dann zumindest im Doppel an, jedoch nicht im Einzel, weil sie noch „leicht angeschlagen“ sei, wie es auf der DTTB-Webseite hieß. Somit kann man nur die Daumen drücken, dass sie in zweieinhalb Wochen wieder voll einsatzbereit ist. Die Verletzungssorgen teilt Shan übrigens mit Sabine Winter, die sowohl die DM in Erfurt als auch die Play-off-Halbfinalspiele für ihren Verein TSV Dachau wegen ihres Rückens nicht bestreiten konnte. Somit entschied sich der DTTB für Yuan Wan als Ersatz, die zwar hinter Winter in der Weltrangliste steht, aber gesund ist.

Die Aussichten auf die Olympischen Spiele sind für die deutschen Damen somit getrübt. Im Teamwettbewerb dürfte es ohne Ying Han, die so oft eine ‚Bank‘ in der DTTB-Mannschaft war, schwierig werden, zumal der Plan, in der Setzung noch vor Rumänien zu rutschen und auf die dicksten Brocken erst im Halbfinale stoßen zu können, gescheitert sein dürfte. Währenddessen beginnt zu Hause für Han erneut der Kampf zurück in die Box. Und ich hoffe sehr, dass sie ihn genauso positiv und motiviert aufnimmt wie im Januar - auch wenn es ihr nicht zu verdenken wäre, wenn ihr das schwerfiele. Vorletzte Woche unterhielten wir uns auch darüber, ob sie nach dem ersten Achillessehnenriss an ihr Karriereende gedacht hätte. Sie gab zu, dass ihr solche Gedanken für den Fall, dass die Sehne noch einmal reißen würde, im Kopf herumschwirrten, sie diese aber schnell weggewischt hätte. Hoffentlich kehren diese Gedanken nicht zurück. Die Abwehrspielerin hat ein schöneres Ende ihrer Karriere verdient.

(JS)

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