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Blog: Franziska auf Karrierehoch - und nun?

In Tokio gewann Patrick Franziska Silber mit der deutschen Herren-Mannschaft (©ITTF)

14.05.2024 - Patrick Franziska hat beim Saudi Smash in der vergangenen Woche die Tischtennisszene tief beeindruckt. Nach einem erneuten Sieg gegen Weltmeister Fan Zhendong zog er als erster Nicht-Chinese in ein Grand-Smash-Finale ein und wurde zudem mit seinem ersten Top-10-Platz in der Weltrangliste belohnt. Dies war wohl die beste Antwort auf den Nominierungsvorschlag für Paris, die er geben konnte. Ob ihm das etwas bringt, ist jedoch fraglich, glaubt myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz.

Die Geschichte glich schon fast einem Hollywood-Film. Vor wenigen Wochen wurde Patrick Franziska vom DTTB nur als Ersatzspieler für die Olympischen Spiele gegenüber dem DOSB vorgeschlagen, der die endgültige Entscheidung bezüglich der Nominierungen im deutschen Team treffen wird. Eine große Enttäuschung für den 31-Jährigen, wie er selbst auf seinen Social-Media-Kanälen mitteilte. Und direkt beim nächsten Turnier, dem Saudi Smash, bei dem es um genau so viele Weltranglistenpunkte wie bei den Olympischen Spielen geht, wächst Franziska über sich hinaus. Er besiegt unter anderem den chinesischen Weltmeister Fan Zhendong, aber auch Topspieler aus anderen Nationen wie Jang Woojin und seinen Nationalmannschaftskollegen Dang Qiu und spielt sich damit als erster Nicht-Chinese in ein Grand-Smash-Finale, wo er selbst gegen die Nummer eins der Welt, Wang Chuqin, sehr gut mithält. Damit wird er in die Top 10 der Weltrangliste katapultiert, erreicht seine persönliche Bestmarke und ist erstmals bester Deutscher im Ranking. Wie in einem Hollywood-Drehbuch eben - nur ob es das typische Happy-End für ihn gibt, ist fraglich.

Schon vor Smash vehemente Diskussionen

Der DTTB hat seine Entscheidung, welche Spieler dem DOSB zur Nominierung vorgeschlagen werden, wie lange vorher angekündigt, im März getroffen. Manche mögen den Zeitpunkt als zu früh empfunden haben, aber das war der Deal, darauf konnten sich die Spieler einstellen. Genau wie auf die Nominierungskriterien, die DTTB-Sportdirektor Richard Prause in der Mai-Ausgabe des Magazins 'tischtennis' noch einmal transparent aufgeführt hat. Am Ende fiel die Entscheidung zwischen Patrick Franziska und Timo Boll - und hier auf den Älteren, weil man sich unter anderem versprach, mit ihm noch etwas flexibler zu sein. Eine harte Entscheidung für Franziska, der wenige Wochen zuvor noch Ma Long geschlagen hatte. Aber er - und die Tischtennisfans, die vehement wie selten über diese Ankündigung diskutierten - mussten sie akzeptieren. Denn auch wenn es sicher gute Gegenargumente gab, ist es nun mal der Job von Bundestrainer Jörg Roßkopf und Co., diese Entscheidungen zu treffen.

Dass sich die Situation noch einmal so verändern wird, damit konnte aber auch der DTTB nicht rechnen. Prause sagte im Interview mit 'tischtennis' vor dem Saudi Smash bezüglich des Entscheidungszeitpunkts, dass die Diskussion vier Wochen später wahrscheinlich die gleiche gewesen wäre. Er konnte nicht ahnen, dass Franziska sich noch einmal derart in den Vordergrund spielen würde, dass man eigentlich nicht an ihm vorbeischauen kann. In meinen Augen war dies die beste Antwort, die Franziska auf seine Nicht-Berücksichtigung geben konnte. Anstatt zu schmollen oder in ein Loch zu fallen, hat er noch einmal einen weiteren Knoten platzen lassen - vielleicht war es ihm ja auch gerade erst wegen jener Entwicklungen möglich, diese Kräfte freizusetzen. Für mich persönlich hat Franziska spätestens durch seine Leistungen in Saudi-Arabien noch einmal untermauert, dass er zum bestmöglichen Olympia-Team für Deutschland gehört. Und doch - auch wenn er jetzt sowohl in der andro-Rangliste als auch im internationalen Ranking der am besten eingestufte Deutsche ist - kommt er wahrscheinlich zu spät, um das Blatt noch zu seinen Gunsten zu wenden. 

Gibt es noch ein Hintertürchen?

Der DTTB hat sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht, sie getroffen und begründet. Schwer vorstellbar, dass er sie nun noch ändert. Denn selbst wenn man sich jetzt nachträglich doch für Franziska entscheiden würde, müsste man jemand anders aus dem Team werfen, der nun schon seit einigen Wochen davon ausgeht, in der Mannschaft zu sein. Und gerade Planungssicherheit war laut Prause etwas, was man den Spielern geben wollte. Und was würde man tun, wenn sich dieser aussortierte Spieler dann etwa beim WTT Champions in Chongqing Ende Mai noch einmal in Szene setzen würde? Noch einmal alles ändern? Ob der DOSB das Hintertürchen ist, auf das Franziska noch hoffen kann, weil erst dieser die Nominierung am Ende offiziell vornimmt, ist ebenfalls fraglich. Denn bislang war dieser Vorgang mehr oder weniger Formsache und dem Vorschlag des DTTB wurde gefolgt. Von daher ist die Entscheidung wohl gefallen und der Hollywood-Film wird wohl eher kein Happy-End für Patrick Franziska haben. Sicher ist nach Saudi-Arabien auf jeden Fall eines: Falls er in Paris für einen seiner Kollegen einspringen sollte, wird man sich auf ihn verlassen können.

(JS)

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