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Janinas Blog: Ein polarisierender Coup

Mit Truls Moregardh, Dimitrij Ovtcharov, Tomokazu Harimoto und Lin Yun-Ju tritt Neu-Ulm in der Champions League an (©TTC Neu-Ulm)

19.04.2022 - Mit seinem Transfercoup hat der TTC Neu-Ulm am Karfreitag wahrscheinlich die ganze Tischtenniswelt überrascht. Schon die Verpflichtung von einem der vier Topspieler wäre sensationell gewesen, das Paket Dimitrij Ovtcharov, Lin Yun-Ju, Tomokazu Harimoto und Truls Moregardh wirkt dagegen fast schon unglaublich und ruft auch Kritiker auf den Plan. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz kann beide Seiten verstehen, für sie überwiegt aber das Positive.

Manch einer wird sich am Karfreitag verwundert die Augen gerieben haben. Die wichtigsten Transfers der TTBL-Mannschaften schienen langsam, aber sicher über die Bühne gegangen zu sein, und auch wenn der eine oder andere Verein noch eine Verpflichtung angekündigt hatte - unter anderem auch Neu-Ulm -, hat wohl niemand mit solch einem Coup gerechnet. Die Nummern fünf, sechs, sieben und 15 der Welt auf einen Schlag unter Vertrag zu nehmen, das ist eine Dimension, die man bisher in Deutschland nicht kannte. Und während sich die einen nun freuen, dass nicht nur russische Vereine die Crème de la Crème vom Markt abschöpfen können und man Topsport vom Feinsten im Schwabenland erwarten darf, stoßen sich die anderen daran, dass dank der vorhandenen Finanzkraft eine komplett neue Truppe aus dem Boden gestampft wurde, die neben dem bestehenden Neu-Ulmer TTBL-Team existieren wird und in der Champions League direkt sehr gute Chancen auf den Titelgewinn hat.

Eine Win-Win-Situation

Dass diesen Coup ausgerechnet der TTC Neu-Ulm landete, der erst 2019 gegründet wurde und sich damals nicht sportlich für die Aufnahme in die TTBL qualifizieren musste, passt für viele Kritiker ins Bild. Auch mir ist prinzipiell eine Mannschaft sympathischer, die auf eine lange Vereinstradition zurückblicken kann und dank einer erfolgreichen Jugendarbeit auf starke Eigengewächse statt eingekaufte Weltstars setzt. Dass die Champions-League-Mannschaft - zumindest zum Teil - losgelöst vom TTBL-Team zu sehen sein wird, für das bis jetzt die drei Russen Vladimir Sidorenko, Lev Katsman und Maksim Grebnev vorgesehen sind, verstärkt den Eindruck eines künstlichen Konstrukts noch einmal. Hinzu kommt die Frage, inwiefern die anderen Mannschaften da mithalten können und wie spannend die kommende Champions-League-Saison werden wird. Ich kann die Bedenken durchaus nachvollziehen, für mich überwiegen am Ende aber die positiven Aspekte.

Natürlich entspricht die Vorstellung einer gewachsenen Mannschaft, die auch noch Erfolg hat, für viele dem Idealbild. In der Realität des Profisports sieht dies allerdings oft anders aus - von ein paar Ausnahmen einmal abgesehen. Neu-Ulms Klubchef Florian Ebner hat die Chance ergriffen und den beiden Ex-Orenburgern Dimitrij Ovtcharov und Lin Yun-Ju eine Möglichkeit eröffnet, weiterhin in der Champions League aktiv zu sein. Das sieht für mich erst einmal nach einer Win-Win-Situation aus. Die größten Gewinner sind für mich allerdings die deutschen Tischtennisfans, die nun regelmäßig in den Genuss kommen werden, diese vier Topstars im eigenen Land spielen zu sehen. Natürlich sind die Einsätze in der Champions League begrenzt. Noch seltener sind allerdings aktuell leider die Gelegenheiten, bei denen man Top-20-Spieler auf großen internationalen Turnieren in Deutschland, wie den German Open, sehen kann. Die neue DTTB-Präsidentin Claudia Herweg hat zwar bereits in Aussicht gestellt, bald wieder internationale Events ausrichten zu wollen. Noch wurde allerdings nicht veröffentlicht, ob und wann das der Fall sein wird. Bis dahin kann man sich also durchaus darüber freuen, dass ein deutscher Klub es geschafft hat, solche Weltstars anzuziehen.

Auch Pokal- und TTBL-Einsätze?

Zudem werden diese, wie es aktuell aussieht, auch nicht ausschließlich in der Champions League zu sehen sein. Dimitrij Ovtcharov offenbarte bereits, dass er auch im Pokal antreten will und dass Lin und er auch eine Lizenz für die TTBL erhalten werden - wobei hier noch offen ist, ob diese wirklich genutzt wird. Bleibt zu hoffen, dass die veränderte Neu-Ulmer Crew die Konkurrenz sowohl national als auch im europäischen Wettbewerb belebt und nicht überrennt. Dafür gesorgt, dass wieder über unseren Sport gesprochen, lebendig diskutiert und sogar abseits der Tischtennis-Bubble geschrieben wird, hat sie schon einmal. 

(JS)

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