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Jans Blog: Chinesische Mauer erschwert die Bedingungen

Auch die zweite chinesische Garde kann Deutschlands Topspieler schlagen (©Gohlke)

11.10.2019 - Was für eine große Auswahl an Topspielern wir aktuell bei den German Open in Bremen zu sehen bekommen! Damit ist die Strategie der ITTF, mehr Stars zu den World-Tour-Turnieren zu locken, wohl aufgegangen. Doch die neuen Entwicklungen haben auch eine Kehrseite. China zum Beispiel schickt auch immer mehr Spieler aus der zweiten Reihe zu den ITTF-Turnieren. Und das macht, wie Jan Lüke in seinem Blog darlegt, die Turniere schnell zu rein chinesischen Angelegenheiten.

Die ITTF will, dass sich die besten Spielerinnen und Spieler der Welt regelmäßig auf den Turnieren der World Tour blicken lassen. Hinter diesem Ziel steckt die klassische Verwertungslogik des Spitzensports: Je höher das sportliche Niveau, desto größer das Interesse der Zuschauer. Je größer wiederum das Interesse der Zuschauer, desto höher die Vermarktungseinnahmen. 

Ziel erreicht!

Wenn man dieser Tage auf das sportliche Level der German Open, aber auch der Swedish Open in der vergangenen Woche in Stockholm schaut, muss man festhalten: Der Plan der ITTF geht auf. Anders als noch vor einigen Jahren, als die besten Spieler aller Kontinente und Nationen nur selten in einem Turnier gegeneinander antraten, wenn das gerade WM oder Olympische Spiele hieß, ist es mittlerweile zur Regel geworden, dass die Weltelite gemeinsam auf den Meldelisten der World-Tour-Events auftaucht. 45 Spieler der ersten 50 in der Männerweltrangliste waren in der ÖVB-Arena in Bremen am Start.

Der ITTF ist es gelungen, ihre Weltserie für die besten Verbände und Aktiven attraktiv zu machen. Das wirkungsvollste Instrument dafür war die Einführung einer veränderten Weltranglistenberechnung zum Jahresstart 2018. Wer im ITTF-Ranking vorne stehen will, muss sich regelmäßig auf der World Tour blicken lassen und Punkte einheimsen. Weil die Weltrangliste nicht nur die Visitenkarte der Spieler ist, sondern auch entscheidend für die Setzung bei Großevents, sind Topspieler gezwungen, deutlich mehr Wettkämpfe zu spielen als noch vor fünf Jahren. Das soll sich für die Athleten zukünftig auch finanziell lohnen: Die ITTF will die Preisgelder in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Noch stehen Aufwand und Ertrag hier in keinem gesunden Verhältnis.

Sportliche Auslese in der Quali erbarmungslos

Doch die besten Spieler kommen nicht nur häufiger, die besten und finanzkräftigsten Nationen kommen auch mit mehr Spielern zu den Topturnieren – vor allem der chinesische Verband. Sowohl in der vergangenen Woche in Stockholm als auch in dieser Woche in Bremen schickte China in den Herren-Wettkämpfen 14 Spieler ins Rennen – vier Gesetzte fürs Hauptfeld und zehn weitere Akteure in der Qualifikation. Längst ist die Quali um die 16 freien Plätze im Hauptfeld mit ihren vier K.o.-Runden an zwei Turniertagen zu einem Turnier im Turnier geworden. Das Niveau ist außerordentlich, die sportliche Auslese erbarmungslos.

Europäische Talente, etwa aus dem deutschen U-23-Kader, haben keine realistische Chance, sich ins Hauptfeld zu spielen. In Bremen scheiterten alle deutschen Talente bereits in ihrem ersten Spiel. Internationale Erfahrung kann man so kaum sammeln. Aber selbst gestandene Topspieler brauchen neben einer guten Form eine günstige Auslosung. Nur einige Beispiele aus Bremen: Bastian Steger gelangen beeindruckende Siege gegen den Chinesen Zhang Yudong (4:3) und Tiago Apolonia (Portugal), ehe in der dritten Quali-Runde mit Jeoung Youngsik aus Korea gleich der nächste Weltklassespieler wartete. Steger verlor – und schied vorzeitig aus. Auch Nationalspieler Ricardo Walther spielte in der Quali überzeugend, bis ihm im entscheidenden Spiel um den Hauptrundeneinzug Wang Chuqin gegenüberstand. Zur Erinnerung: Der Chinese, Sieger der Youth Olympic Games 2018, hatte erst einige Tage zuvor die Swedish Open gewonnen. Walther verlor – und schied vorzeitig aus.

Chinas Qualifikanten wirbeln Hauptfeld durcheinander

Neun verbliebene chinesische Spieler werden auch in Bremen wieder das Hauptrundenfeld durcheinanderwirbeln – oder haben damit bereits angefangen. Yu Ziyang kegelte Dimitrij Ovtcharov aus dessen Heimturnier, Timo Boll entging gegen Zhou Qihao nur knapp demselben Schicksal. Die Ergebnisse mögen auf den ersten Blick überraschen, da es sich nicht um Chinas erste Garde handelt. Sie sind aber in Anbetracht der Qualität und Breite des chinesischen Kaders nicht ungewöhnlich. Es spricht Bände, dass Dimitrij Ovtcharov nach einer Erstrundenniederlage von Bremen mit Recht behaupten konnte, eine gute Leistung abgeliefert zu haben. Die beiden DTTB-Topstars wissen, dass sie Weltklassespieler mit Top-Ten-Potenzial vor sich haben: Boll etwa unterlag im Juni bei den Hong Kong Open Zhou Yu, Ovtcharov im August bei den Bulgarian Open Zhao Zihao. Boll und Ovtcharov kennen ihre Pappenheimer. Überrascht werden sie jedenfalls nicht von Chinas zweiter Garde.

Es braucht keine sportlichen Enttäuschungen, sondern nur ein bisschen Pech mit der Auslosung, damit die beiden Finaltage der German Open ohne deutsche Beteiligung stattfinden. Mehr denn je sind die Topturniere der Welt in chinesischer Hand. Bei den Swedish Open standen sechs Chinesen unter den letzten Acht, im Halbfinale war China schließlich unter sich. In Bremen könnte es ähnlich laufen. Die ITTF wird sich entscheiden müssen: Entweder sie setzt die maximale Anzahl von Startern pro Nation künftig herunter, wie es bei Weltmeisterschaften der Fall ist. Oder sie bleibt ihrem Ziel treu, die besten Spieler der Welt auf die World Tour zu locken. Das könnte allerdings eine ziemlich chinesische Angelegenheit werden. 

(Jan Lüke)

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