19.10.2024 - Er war der Top-Favorit auf den Einzel-Titel bei der Individual-Europameisterschaft in Linz: Felix Lebrun. Doch der Lauf des Olympia-Bronzemedaillengewinners aus Paris ist am Samstagabend gestoppt worden, er leistete sich einen Fauxpas. Benedikt Duda drehte im Viertelfinale einen 1:3-Rückstand und hat somit seine erste EM-Einzel-Medaille sicher. Dimitrij Ovtcharov trifft morgen im deutsch-deutschen Halbfinale auf den Bergneustädter. Patrick Franziska und Dang Qiu sind ausgeschieden.
Vier der acht Einzel-Viertelfinalisten bei der Individual-Europameisterschaft in Linz kamen aus Deutschland. Während es Benedikt Duda (Felix) und Dang Qiu (Alexis) nach ihren souveränen Achtelfinal-Leistungen mit den Lebrun-Brüdern zu tun bekamen, standen sich Patrick Franziska und Dimitrij Ovtcharov im deutsch-deutschen Duell gegenüber. Zwei der vier Herren-Nationalspieler spielen am Sonntag gegeneinander um den Einzug ins Finale. Die größte Überraschung gelang am Wochenende Benedikt Duda.
Was für eine Leistung! Der 30-Jährige konnte sein Glück kaum fassen, als er die 8:2-Führung im siebten Satz gegen den Weltranglistenfünften Felix Lebrun am Ende über die Ziellinie brachte. Der Bundesligaspieler hatte seine Startschwierigkeiten, ließ sich in den ersten beiden Sätzen vom druckvollen Spiel des französischen Talents dominieren. Und auch nach dem geschafften Anschluss gehörte Lebrun der womöglich vorentscheidende vierte Durchgang. Entschieden war aber noch lange nichts.
Duda erklärt Erfolgsrezept und sieht einen Karriere-Meilenstein
Duda glich aus, mit dem vierten Satzball zum 16:14, und legte im entscheidenden Abschnitt los wie die Feuerwehr. „Das war schon ein komisches Gefühl bei 8:2, vor allem, weil ich bei seinen guten Aufschlägen eher beim Rückschlag gepunktet habe. Beim Matchball ist es dann in mir hochgeschossen. Es hat ein paar Sekunden gedauert, bis ich das realisiert habe, dass ich im Halbfinale stehe und meine erste Einzel-Medaille bei einer EM sicher habe“, lauteten Dudas erste Worte nach seinem großen Triumph. Ein Erfolgsrezept war seine Aufschlagvariation und das starke Comeback im sechsten Satz.
„Lars Hielscher hat gesagt, wenn ich dranbleibe, dass er seine leichten Fehler machen wird. Genauso war es dann auch bei 2:6 und 6:6 im sechsten Satz. Ich habe ihn dann eher in die Vorhand, statt in die Mitte geflippt und dann hatte ich Oberwasser“, erklärte Duda, dem der Erfolg unheimlich viel bedeutet. „Ich habe zwar schon WTT-Turniere gewonnen. Aber eine EM ist immer etwas Besonderes. Für das große Ziel habe ich immer hart gearbeitet. Ich hoffe, dass es morgen genau so weitergeht.“
Rote Karte: Eklat um Lebrun
In der Schlussphase kam es dann noch zu einem Aufreger, der von der Pressetribüne zunächst nicht wahrgenommen werden konnte. Lebrun warf seinen Schläger und zerstörte dabei einen LED-Tischbildschirm so sehr, dass dieser ausgetauscht werden musste. Die Folge der Entgleisung: die Rote Karte und die nachträgliche Disqualifikation vom Einzelwettbewerb durch den dänischen Oberschiedsrichter Steen Andersen, Lebrun büßt seine Platzierung und Weltranglistenpunkte ein. Auswirkungen auf das Doppel-Finale am Sonntag hat der Fehltritt laut ETTU allerdings nicht. „Ich war emotional. Ich bin mir bewusst, dass das nicht gut ist, und ich werde so etwas nicht noch einmal tun", wird der Franzose vom europäischen Verband zitiert und muss für den verursachten Schaden auch finanziell aufkommen.
Dudas Achtelfinalgegner Juan Perez hatte zuvor gegen Jonathan Groth schon bewiesen, wie man einen favorisierten Linkshänder aus dem Wettbewerb wirft. Viel Gegenwehr bekam der Bergneustädter gegen den Qualifikanten im EM-Achtelfinale allerdings noch nicht zu spüren (4:0). So stand dem dritten Karrierespiel gegen den Bezwinger von Andre Bertelsmeier, Felix Lebrun, nichts mehr im Weg. Beim Saudi Smash verlor Duda knapp mit 2:3, bei der Mannschafts-WM 2022 in Chengdu hatte der Bundesligaspieler im Viertelfinale sogar mit 3:0 gewonnen und legte nun eindrucksvoll nach.
Qiu unzufrieden mit sich selbst
Ähnlich gut wie Duda hatte auch Dang Qiu das verlorene Herren-Doppel-Viertelfinale gegen Kristian Karlsson und Mattias Falck zunächst verkraftet. Der Penholderspieler von Borussia Düsseldorf fegte den neuen Mixed-Europameister Alvaro Robles mit 4:0 vom Tisch. „Ich habe nahezu fehlerfrei und aggressiv gespielt. Vielleicht war er auch etwas geschlaucht“, so der amtierende Europameister, der ebenfalls auf einen Lebrun traf. Gegen Felix‘ älteren Bruder Alexis bestand bis zum Wochenende eine ausgeglichene Head-to-head-Bilanz. Doch nach gutem Start und einer 1:0-Führung schied der Düsseldorfer am Ende deutlich aus (1:4). Der Traum von der Titelverteidigung war zerplatzt.
Schwer zu begreifen, empfand der 28-Jährige. „Meine Leistung war einfach nicht gut. Eineinhalb Sätze hatte ich alles total unter Kontrolle und dann verliere ich komplett den Faden. Ich habe mir bei diesem wichtigen Event viel mehr vorgenommen. Benne hat gezeigt, wie es geht. Drei Deutsche im Halbfinale wären noch mal eine Hausnummer gewesen“, so Qiu, dem die Enttäuschung förmlich ins Gesicht geschrieben stand.
Franziska bleibt hinter den Erwartungen
Und dann kam es wie schon bei den Damen auch bei den Herren noch zu einem deutsch-deutschen Viertelfinale. Patrick Franziska gegen Dimitrij Ovtcharov. Der Saarbrücker hatte im Turnier immer wieder mit leichten Oberschenkelproblemen zu kämpfen, konnte im Achtelfinale gegen Andrej Gacina trotz 0:1-Rückstand letztlich überzeugen. „Gegen Dima wird es ein besonderes Spiel. Ich freue mich immer auf deutsche Duelle – vor allem, wenn es um eine Medaille geht“, sagte Franziska im Vorfeld.
Doch das 0:4 gegen seinen Teamkollegen sprach Bände. „Dima war sehr stabil und ich hatte nicht die nötige Power, dagegenzuhalten. Der Oberschenkel darf keine Ausrede sein. Ich bin schon enttäuscht, weil ich hier eigentlich gut gespielt habe. Bronze im Mixed war ein guter Anfang. Im Einzel habe ich mir viel mehr erhofft und wollte selbstverständlich vorne mitspielen. Aber ich weiß auch, dass Dima heute einfach stärker war“, gab Franziska zu.
Ovtcharov überragend: „Benne hat sich das verdient!“
Sein Freund und Konkurrent macht sich nun weiter berechtigte Hoffnungen auf den dritten EM-Titel. Mit 4:2 (ebenfalls nach 0:1) bezwang Ovtcharov seinen früheren Orenburger Mannschaftskollegen Marcos Freitas noch im Achtelfinale. „Er war extrem motiviert. Gegen Marcos habe ich eine meiner besten Bilanzen. Patrick hat die letzten beiden Spiele gegen mich gewonnen. Deswegen kann man ihn als Favoriten sehen“, blickte der Fuldaer auf das DTTB-interne Aufeinandertreffen am Abend.
Danach sprach der 36-Jährige von seinem „besten Spiel der letzten Jahre. Jeder starke Ball von ihm kam präzise zurück. Das hat ihn ein bisschen zermürbt. Es war einfach eine tolle Performance. Jetzt freue ich mich auf das Halbfinale gegen meinen nächsten deutschen Konkurrenten. Der Weltranglistenerste hat letztens auch gegen einen 14-jährigen Iraner verloren. Das zeigt einfach, wie eng der Sport beieinander ist. Benne ist einfach ein toller Athlet, der jeden Tag ans Limit geht und sich so einen Sieg verdient hat.“ Auch Andre Bertelsmeier überzeugte zuvor schon gegen den unterlegenen Viertelfinalisten Felix Lebrun.
Für ein Ausrufezeichen sorgte in der Mittagssession bereits Anton Källberg. Der Schwede warf den Vize-Europameister Darko Jorgic im aus den Vereinswettbewerben bestens bekannten Match in der Verlängerung des siebten Satzes aus dem Rennen. Gegen Landsmann Truls Moregardh war dann aber Schluss für den Borussen. Duda hingegen hat die Sympathien der österreichischen Zuschauer auf seine Seite gezogen und das Bad in der Menge sichtlich genossen. „Das hat mir schon einen Push gegeben. Gegen Dima habe ich nicht die beste Bilanz. Aber wir haben schon mal einen Deutschen im Finale.“
Die Herren-K.-o.-Spiele im Überblick:
Achtelfinale
Patrick Franziska - Andrej Gacina CRO 4:1 (-8,8,6,6,5)
Benedikt Duda - Juan Perez ESP 4:0 (4,7,6,9)
Dimitrij Ovtcharov - Marcos Freitas POR 4:2 (-9,8,8,9,-5,5)
Andre Bertelsmeier - Felix Lebrun FRA 1:4 (-10,-3,10,-3,-12)
Dang Qiu - Alvaro Robles ESP 4:0 (6,2,5,7)
Viertelfinale
Benedikt Duda - Felix Lebrun FRA 4:3 (-5,-4,9,-6,6,14,6) - Lebrun disqualifiziert!
Anton Källberg SWE - Truls Moregardh SWE 2:4 (-5,-6,4,3,-7,-15)
Dang Qiu - Alexis Lebrun FRA 1:4 (7,-9,-8,-6,-11)
Patrick Franziska - Dimitrij Ovtcharov 0:4 (-3,-6,-7,-8)
Halbfinale, Sonntag ab 12.10 Uhr
Benedikt Duda - Dimitrij Ovtcharov
Truls Moregardh SWE - Alexis Lebrun FRA
Finale, Sonntag 17.50 Uhr
Zum Liveticker des fünften Turniertags.
Weitere Informationen sowie alle Ansetzungen und Ergebnisse finden Sie auf der ETTU-Turnierseite sowie unter https://2024ettc.oettv.org/ (Turnierhomepage).
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(FKT)
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