09.10.2024 - Noch sechs Tage, dann beginnt im österreichischen Linz die nächste Individual-Europameisterschaft (15. bis 20. Oktober). Mit dabei: Etwa 300 Spielerinnen und Spieler aus bis zu 50 Nationen sowie 14 DTTB-Asse (sechs Herren und acht Damen). Wie gewohnt haben sich die deutschen Starter, Verantwortlichen und Trainer im Vorfeld gegenüber dem DTTB geäußert. Was sich die Delegation für das Turnier vorgenommen hat, lesen Sie hier.
Nina Mittelham, EM-Zweite 2022 und Europe-Top-16-Siegerin 2021:
Bei den Olympischen Spielen hat dich eine schmerzhafte Bandscheibenverletzung gestoppt. Die EM wird nun dein erstes internationales Turnier seit Paris sein. Wie hat Dein Aufbauprogramm nach Paris ausgesehen und bist du inzwischen wieder topfit?
„Nach Paris habe ich zwei Wochen lang überhaupt gar nichts machen können. Ich hatte noch extreme Schmerzen. Selbst im Urlaub lag ich die meiste Zeit nur herum. In der anschließenden Reha ist es besser geworden und ich habe mich bis bisher gut erholt. Derzeit bin ich schmerzfrei, muss aber bei vielen Sachen noch aufpassen. Außerdem denkt mein Kopf noch viel nach, sodass ich einige Abläufe noch nicht wieder automatisiert mache. Aber das ist okay. Ich arbeite jetzt seit etwas vier Wochen wieder am Tisch, habe aber ganz langsam angefangen. Erst vergangene Woche habe ich mit dem freien Spiel begonnen und das erste Mal eine komplette Einheit absolviert. Meine Umfänge sind also derzeit noch deutlich geringer als vor der Verletzung. Das Wichtigste ist aber für mich, dass ich schmerzfrei bin.“
Bei den Europameisterschaften in München 2022 hatte dich eine beim Einspielen zugezogene Verletzung daran gehindert, das Finale gegen die Österreicherin Sophia Polcanova auszutrugen, die kampflos Europameisterin wurde. Spukt dir dieses Trauma auch heute noch manchmal im Kopf herum?
„Grundsätzlich war es nach München mein Plan, mich in Linz der Aufgabe zu stellen, den Titel anzugreifen. Allerdings werde ich jetzt mit geringeren Erwartungen zur EM reisen müssen. Es wird mein erster internationaler Wettkampf und dann gleich ein so wichtiger. Das ist nicht immer einfach. Ich weiß auch gerade nicht, welche Form ich überhaupt haben werde. Deshalb lasse ich die EM einfach auf mich zukommen und versuche, in Linz Spaß zu haben.“
Das Europe Top 16 hast du ebenso bereits gewonnen wie die Europameistertitel im Mixed und im Doppel. Wo ordnest Du bei deinem Comeback nach der Verletzung die Chance, dass nach Platz zwei 2022 diesmal in Linz der noch fällige Einzeltitel vielleicht doch hinzukommen kann?
„Im Moment halte ich es nicht für realistisch, dass ich in Linz nach dem Titel greifen werde. Aber ich werde mein Bestes geben, um in einer guten körperlichen Verfassung nach Linz zu reisen. Dann schauen wir mal von Runde zu Runde, wie es sich entwickelt. Ich freue mich in Linz über jeden Satz und jedes Spiel.“
Sabine Winter, EM-Dritte 2022 und zweimalige Doppel-Europameisterin:
In den Sommermonaten hattest du eine lange Wettkampfpause. Der erste Turnierauftritt beim China Smash Ende September war aber schon sehr erfreulich. Reicht die Zeit bis Linz, um in Bestform zu kommen?
„In China war das Ergebnis gut, spielerisch war ich noch nicht so wirklich zufrieden. Nach einer viermonatigen Wettkampfpause ist das aber nichts Ungewöhnliches. Da ich im Training jedoch teils wirklich gute Dinge spiele und mich in China in jedem Spiel gesteigert habe, denke ich, dass die Zeit bis Linz reicht, um bei der EM auch das Spielerische an den Tisch zu bringen.“
Den Europameistertitel im Doppel hast du zweimal gewonnen. In München vor zwei Jahren hast du Dir auch im Einzel mit dem Gewinn von Bronze vor eigenem Publikum und einem Beinahe-Finaleinzug in einem spektakulären Halbfinale gegen die spätere Europameisterin Polcanova einen Traum erfüllt. Mit welchen Erwartungen reist du 2024 nach Oberösterreich?
„Ich habe in den vergangenen Jahren die ein oder andere schöne Erinnerung bei Europameisterschaften sammeln können. Es wäre toll, wenn noch eine weitere dazu kommt. Ich möchte versuchen, diese EM zu genießen, Spaß am Spielen zu haben.
Ich weiß, dass ich an einem guten Tag in Europa vielen Spielerinnen gefährlich werden kann und möchte sowohl im Einzel als auch im Doppel mit Yuan Wan um die Medaillen mitspielen. Yuan und ich haben zwar noch nicht oft zusammengespielt, aber Yuan ist eine gute Doppelspielerin. Und ich hatte auch schon den ein oder anderen Erfolg im Doppel. Ich habe ihr schon gesagt, dass ich sehr motiviert bin. Das Doppel möchte ich in der letzten Woche vor Linz noch möglichst viel trainieren. Ich denke, das kann gut passen: Ich bin gespannt, wie weit wir kommen.“
Annett Kaufmann, Olympiastar und Europameisterin aller Nachwuchsklassen:
„A star is born“, haben nicht wenige Medien getitelt, nachdem du bei den Olympischen Spielen gleich eine ganze Reihe von Weltklasseathletinnen, darunter die Top-Ten-Spielerin Miwa Harimoto, besiegt hast. Was hat sich durch Paris 2024 für dich verändert?
„Es ist schon einiges passiert. So habe ich seit Paris rund 35.000 Follower mehr auf meinem Instagram-Account. Es haben mich auch viele Anfragen erreicht, mit Angeboten für Management und Sponsoring, für Fernsehauftritte und für Podcasts. Und jede Menge Sachen mehr. Im Team haben meine Familie und ich zusammen entschieden, dass das Management erst einmal ein ganzes Jahr allein in unseren Händen bleibt. Wir wollen ganz in Ruhe schauen, wie sich alles im ersten Jahr meiner Profilaufbahn fügt. Es ist ja ein komplett anderes Leben, eine komplett neue Situation. Wir wollen und werden da überhaupt nichts überstürzen.
Keine Frage: Die Olympischen Spiele waren ein riesiges Turnier und ein sehr wichtiges. Aber: Es war eben auch nur ein Turnier! Der Fokus liegt jetzt erst einmal auf Tischtennis und auf meiner Weiterentwicklung. Alles drumherum mache ich gerne, wenn es zeitlich passt. Aber wenn es mir auf meinem Weg in die Quere kommt, dann entscheide ich mich erst einmal für das Sportliche. Darauf liegt der ganze Fokus. Wir gehen ganz langsam und mit Abstand an alles heran und werden nichts überstürzen.“
Du bist dem damaligen Hype gelassen begegnet. Einladungen in Fernsehstudios wurden abgesagt und erst einmal der geplante Urlaub mit der Familie gemacht. Hilft dir die Familie, geerdet zu bleiben?
„Einerseits ja, andererseits nein. Das ‚Nein‘ deshalb, weil ich von meinem Charakter her bereits geerdet bin. Ich bin einfach ein bodenständiger Mensch. Das hat man auch in der Vergangenheit gesehen. Nach EM-Titeln oder anderen guten Ergebnissen bin ich immer auf dem Boden geblieben. Aber das liegt natürlich auch an meiner Erziehung, und das ist dann auch der Punkt, der das ‚Ja‘ unterstreicht und der erklärt, warum auch meine Familie mir dabei hilft, geerdet zu bleiben. Wir sind alle einfach so. Man kann sich mal ein, zwei Tage freuen, aber dann geht es auch ‚back to business‘. Dann muss man wieder hart arbeiten, denn auch die anderen schlafen nicht. Es sind ja ohnehin bislang alles nur Zwischenergebnisse und Zwischenziele, die mir zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich weiß, was ich will, und ich weiß, was ich dafür machen muss. Die Ergebnisse auf dem Weg dorthin freuen mich aber und motivieren mich, ändern aber nichts an meiner Bodenständigkeit und der meiner Familie.“
Für dich beginnt mit der neuen Saison ein neuer Lebensabschnitt. Nach dem Abitur schlägst du jetzt mit 18 Jahren die Profi-Laufbahn ein. Wie fühlen sich die ersten Monate der Umstellung nur Tischtennis statt Schule und Tischtennis für dich an?
„Ich habe gerade einmal den ersten Monat meiner Profikarriere hinter mir. Es ist natürlich eine Umstellung. Nach Turnieren und Bundesligaspielen musste ich früher, wenn Klausuren anstanden, bis tief in die Nacht pauken. Das Schöne nach dem Abi ist, dass ich jetzt nach einem langen Tag abends nicht noch lernen und Dinge für die Schule vorbereiten muss, sondern, zum Beispiel, auch mal relaxt eine Serie schauen kann. Dafür aber sind jetzt die Umfänge und die Intensität im Training höher geworden. Daran musste sich mein Körper erst einmal gewöhnen. Andererseits war die Schule immer eine superschöne Abwechslung, in der ich viel Zeit mit meinen Freunden verbracht habe. Das ist nun das genaue Gegenteil. Ich spiele zweimal am Tag Tischtennis, bin viel auf Reisen. Meine Freunde, die studieren oder arbeiten, sehe ich jetzt viel weniger. Aber ich fühle mich wohl und bin zuhause, was für mich das Wichtigste ist. Ich brauche meine Familie, meine Umgebung und mein Umfeld. Solange ich das habe, fühlt sich das super an. Bis jetzt gefällt es mir das Profitum sehr.“
Beim Nachwuchs bist du in allen Altersklassen Europameisterin gewonnen. Wie stehen die Chancen bei den Erwachsenen in Linz, wo du im Einzel, im Doppel mit Nina Mittelham und im Mixed mit Patrick Franziska an den Start gehst?
„Im Einzel kann ich es gar nicht richtig einschätzen. Es gibt Spielerinnen, gegen die ich gerne spiele, gegen andere dafür nicht so sehr. Es wird auch ziemlich von der Auslosung abhängen. Ich sehe das Ganze relativ entspannt. Mein Ziel ist es, mich spielerisch zu verbessern, im Training Erlerntes auch im Wettkampf einzusetzen und mental stärker zu werden. Wenn das Ergebnis dazu noch gut wird, freue ich mich. Falls nicht, so habe ich trotzdem etwas gelernt. Das ist für mich sozusagen eine Win-Win-Situation. Das Doppel mit Nina und das Mixed mit Patrick kann ich kaum einschätzen, weil wir noch nie gespielt haben. Vom Spielsystem passen die Kombinationen sicherlich gut. Wenn man dazu noch harmoniert und sich gut versteht, kann daraus auch ein gutes Ergebnis entstehen. Aber das ist schwierig einzuschätzen, da ich auch die gegnerischen Kombination gar nicht kenne. Eines steht aber fest: Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die EM!“
Yuan Wan, Olympiavierte mit der Mannschaft:
Bei den Olympischen Spielen in Paris wurdest du als kurzfristiger Ersatz für die verletzte Nina Mittelham ins kalte Wasser geworfen. Du hast dann mit starken Leistungen dazu beigetragen, dass die Mannschaft sensationell das Halbfinale erreichte. Welche Ziele hast du dir für die Europameisterschaften in Linz gesetzt?
„Für Linz würde ich mir wünschen, eine Medaille mit nach Hause zu nehmen. Denn außer im Einzel, wo das natürlich schwieriger ist, werde ich ja auch im Doppel zusammen mit Sabine Winter antreten. Ich denke, wir können ein schlagkräftiges Doppel bilden. Ich hoffe, ich kann an meine guten Leistungen bei den Olympischen Spielen in Paris im Doppel anknüpfen und meine Leistung im Einzel verbessern.“
Franziska Schreiner, U21-EM-Finalistin 2022:
Als Zweitplatzierte der U21-EM 2022 hast du dir einen Startplatz in Linz verdient. In diesem Jahr hast du auf der WTT Tour gute Ergebnisse erzielt und du konntest weitere Schritte in deiner Entwicklung nach vorne tun. Mit welchen Erwartungen reist du nach Linz?
„Ich bin sehr froh, dass ich mir den direkten EM-Startplatz erspielt habe. Bei der Vielzahl an starken Spielerinnen in Deutschland weiß man ja sonst nie, ob man nominiert wird. Auf der WTT Tour habe ich mich verbessert und bin in diesem Jahr erstmals unter die Top 100 der Welt gekommen. Für Linz habe ich aber keine festen Zielsetzungen. Falls ich in der Gruppenphase anfangen muss, dann möchte ich mich wie vor zwei Jahren in München für das Hauptfeld zu qualifizieren und dort vielleicht den einen oder anderen Favoriten zu ärgern. Sollte ich direkt im Hauptfeld stehen, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Treffe ich auf eine niedrige eingestufte Spielerin, dann will ich meiner Favoritenrolle gerecht werden. Ist meine Gegnerin besser im Ranking notiert, dann versuche ich nach vorne hin anzugreifen. In München bin ich vor zwei Jahren in der ersten Hauptrunde ausgeschieden, vielleicht kann ich mich ja diesmal verbessern und etwas mehr zur europäischen Spitze aufschließen. Das wäre phänomenal.“
Sophia Klee, U21-EM-Finalistin 2023:
Bei der U21-EM 2023 hast du dir deinen Startplatz bei der EM der Damen gesichert. Auf der WTT Tour hattest du zuletzt eine gute Form, hast in Schweden die wesentlich höher in der Welt eingestufte Christina Källberg bezwungen. Wie stehen die Chancen in Linz?
„Ich freue mich riesig, bei der EM der Damen in Linz dabei zu sein. Als Sportlerin setzt man sich ja immer so einige Zwischenziele in seiner Karriere, und dieses hier ist eines von meinen gewesen. Ich bin auch sehr froh, dass ich mir diesen Platz mit einer guten Leistung bei der U21-EM selbst erkämpft habe. Ich habe in den letzten Monaten sehr gut und sehr viel trainiert. Die Form stimmt, wie zuletzt in Schweden ein deutlicher Sieg über eine europäische Spitzenspielerin gezeigt hat. Ich fahre mit positiver Energie nach Linz und versuchte vor allem, das im Training Erlernte umzusetzen und locker aufzuspielen - dann funktioniert das meistens auch am besten. Am Ende schauen wir dann einfach, was dabei herauskommt.“
Mia Griesel, U21-EM-Dritte 2023:
Mit Platz drei bei der U21-EM hast du dir den Start bei der EM in Linz redlich verdient. Mit 18 Jahren zählst du aber sogar noch zur Jugend-Altersklasse U19, in der dich große Konstanz und mentale Stärke besonders auszeichnen. Was hast du dir für dein Debüt bei der Damen-EM vorgenommen?
„Ich freue mich auf die EM in Linz, da das Niveau dort einfach noch einmal etwas anderes ist. Ich glaube, dass ich dort viel lernen kann und noch besser sehen werde, woran ich noch zu arbeiten habe. Ich hoffe, dass ich für meine Verhältnisse dort einfach gut spiele und möglichst viele positive Erfahrungen mitnehme.“
Elisa Nguyen, U15-Team-Europameisterin und Siegerin des internen EM-Quali-Turniers:
Du bist die Überraschung im Aufgebot. Du hast das interne Qualifikationsturnier der deutschen Jugendnationalspielerinnen um den einen noch freien EM-Platz gewonnen. Im Alter von 14 Jahren wirst du nun eine der jüngsten Starterinnen bei der Erwachsenen-EM und läufst zusammen mit allen deutschen und internationalen Stars auf. Was hast Du Dir für die EM vorgenommen?
„Ich bin natürlich sehr aufgeregt. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, mitspielen zu dürfen. Auch wenn ich weiß, dass die EM ein Turnier ist, wo ich sehr viele Erfahrungen sammeln kann und werde, gebe ich natürlich mein Bestes! Ich will versuchen, das Hauptfeld zu erreichen.“
Tamara Boros, Damen-Bundestrainerin:
Nina Mittelham hat nach Paris ihre Bandscheibenprobleme bis kurz vor der EM auskuriert und ist im langsamen Aufbau. Mit Ying Han nach ihrem Achillessehnenriss und Xiaona Shan fehlen die beiden Routiniers des Teams. Wie stehen die Chancen der DTTB-Damen in Linz?
„Wir gehen für diese EM mit einem jungen Aufgebot an den Start. Die Jüngeren sollen vor allem Erfahrungen im Vergleich mit der Spitze sammeln. Mit unseren Besten und Erfahrenen – egal ob Nina Mittelham, Annett Kaufmann, Sabine Winter oder Yuan Wan - wollen wir auch diesmal wieder in allen Wettbewerben unter Beweis stellen, dass wir in Europa zu den stärksten Nationen zählen. Nach dem vierten Platz bei Olympia in Paris blieb nur wenig Zeit für eine gezielte Vorbereitung. Wir gehen auch diesmal mit hoher Motivation, aber ohne jeden Druck in die Wettbewerbe. Wir warten in aller Ruhe die Auslosung ab, die bei einer Individual-EM auch immer eine Rolle spielt.“
Weitere Informationen sowie alle Ansetzungen und Ergebnisse finden Sie auf der ETTU-Turnierseite sowie unter https://2024ettc.oettv.org/ (Turnierhomepage).
Zu den Livestreams auf ettu.tv - Eintrittskarten gibt es hier!
(FKT/DTTB)
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