Olympia 2024

Trauriger Boll-Abschied: Aus gegen Schweden

Ein Abschied mit Tränen: Timo Bolls Karriere endet ohne eine weitere Olympia-Medaille (© imago-images/Nordphoto)

07.08.2024 - Deutschlands Tischtennis-Herren bleiben bei den Olympischen Spielen zum ersten Mal seit 2004 ohne Medaille. Das Herren-Team, das seit Einführung des Mannschafts-Wettbewerbs 2008 immer Silber oder Bronze gewonnen hatte, schied gegen Schweden aus. Die 0:3-Niederlage gegen den Europameister bedeutete gleichzeitig das Ende von Timo Bolls internationaler Karriere. Entsprechend emotional wurde es nach Spielende.

Zunächst saß Timo Boll nur da und und blickte ungläubig ins Leere. Dann, als er seine Tasche packte und die Zuschauer „Timo, Timo“ riefen, konnte er die Tränen nicht zurückhalten. „Da hat’s mich dann doch brutal übermannt“, sagt Boll später gegenüber den vielen deutschen Journalisten, die zum Viertelfinale der DTTB-Herren gegen Schweden in die South Paris Arena 4 gekommen waren. Gewiss hatte Boll sich seinen Abschied anders vorgestellt. Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler aller Zeiten verlor gegen die Skandinavier zunächst mit Dang Qiu das Doppel gegen Anton Källberg/Kristian Karlsson (0:3) und später auch sein Einzel gegen Källberg (1:3) – und damit war das Viertelfinal-Match auch schon beendet, weil Dimitrij Ovtcharov in der Zwischenzeit gegen Truls Moregardh den Kürzeren gezogen hatte (2:3).

Als Boll eine gute Viertelstunde nach Spielende vor die Journalisten trat, hatte er sein Lächeln schon wiedergefunden, kommentierte gefasst das bittere Aus. „Das ganze schwedische Team hat heute sehr stark gespielt, das muss man anerkennen. Muss man respektieren, dass die anderen auch hart arbeiten, aufgeholt haben“, sagte Boll, „oder uns vielleicht sogar überholt haben.“ Mit einer Vorhand, die Boll bei 8:10 im vierten Satz über den Tisch zog, endete seine internationale Karriere.

Schweden im Doppel klar besser

Gleichzeitig waren damit auch die Olympischen Spiele für das an Position zwei gesetzte Herren-Team vorzeitig beendet. „Wir hatten ein paar Chancen, haben im ersten Satz des Doppels 5:2 geführt, Dima hatte eine hohe Führung im fünften gegen Truls. Wenn man solche Chancen nicht nutzt, läuft es schnell in die falsche Richtung“, kommentierte Bundestrainer Jörg Roßkopf. „Anton hatte dann natürlich Auftrieb mit der 2:0-Führung im Rücken, hat dann sehr gut gespielt. Wir müssen den Schweden, leider, zu einer hervorragenden Leistung gratulieren.“

0:3 bei 3:9 Sätzen, das Endergebnis sprach Bände und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Spiel in Schweden einen verdienten Sieger gefunden hat. Besonders im Doppel spielte der Europameister deutlich besser, Boll und Qiu starteten zwar gut in den ersten Satz, den sie am Ende 10:12 verloren, hielten auch den zweiten und dritten Durchgang lange offen. Das schwedische Duo Källberg/Karlsson, das im Juni noch den Doppel-Wettbewerb des WTT Star Contender gewonnen hatte, machte aber nie den Eindruck, als könne es dieses Spiel verlieren, immer wieder ließen sie das deutsche Duo, auch in den wichtigen Situationen, schlecht aussehen. Dass Källberg/Karlsson den Deutschen etliche gemeinsame Wettkämpfe voraus haben, war unübersehbar. „Man hat gemerkt, dass Schweden viel in das Doppel investiert hat, im Training, aber auch im Wettkampf. Dazu hatten wir ja nicht wirklich die Möglichkeit“, sagte Dang Qiu und spielte damit darauf an, dass er und Boll keine realistische Chance hatten, bei WTT-Turnieren einen Startplatz zu bekommen, weil der 43-Jährige in der Doppel-Weltrangliste nicht mehr geführt wird.

Ovtcharov gegen Moregardh dicht vor dem Ausgleich

Nach dem verlorenen Doppel war klar, dass einer der Deutschen Truls Moregardh, den Silbermedaillengewinner im Einzel, würde schlagen müssen, damit sie noch eine Chance haben, das Viertelfinale zu gewinnen. Und Dimitrij Ovtcharov war im zweiten Match auch drauf und dran, agierte die ganze Zeit auf Augenhöhe mit dem 22-Jährigen – und setzte sich im fünften Satz mit 6:2 ab. Doch mit dem Rücken zur Wand stehend kam der Schwede noch mal zurück. „Man hat gemerkt, dass ihn die Silbermedaille dazu beflügelt hat, bei jedem Spielstand an den Sieg zu glauben. Ich war trotzdem nah dran, habe dann aber bei 6:3 und 7:6 im fünften Satz Bälle liegen gelassen, die ich machen muss.“

Gern hätte er Boll eine bessere Ausgangsbasis für sein Einzel mit auf den Weg gegeben. „Wenn wir irgendwie wieder ins Spiel zurückgekommen wären, hätten wir es glaube ich noch drehen können. Das Spiel gegen mich hat Truls sicher Körner gekostet, und Dang war sehr gut vorbereitet. Nach hinten raus wäre ich noch da gewesen.“ Aber zu den Partien zwischen Qiu und Moregardh sowie Ovtcharov und Karlsson sollte es nicht mehr kommen. Die Enttäuschung sei riesig, so Ovtcharov. „Wir haben hier und in der Vorbereitung alles gegeben, aber das haben die Schweden und andere Teams nun mal auch.“

Nach der Niederlage von Ovtcharov war Boll gefragt, das Team noch mal ins Spiel zurück zu bringen, den letzten Vergleich mit Källberg beim Singapore Smash hatte er im Frühjahr noch mit 3:1 für sich entschieden. Diesmal drehte Källberg das Ergebnis um, auch, weil Boll sicher nicht die Leistung abrief, die er etwa zu Jahresbeginn bei seinem Contender-Sieg in Doha gezeigt hatte. Irgendwie habe er das Gefühl gehabt, Boll sei ob der Situation gehemmt gewesen, sagte Ovtcharov später. Boll verneinte das. Mit seiner Leistung im Doppel sei er aber überhaupt nicht zufrieden gewesen, „gegen Anton wurde es dann besser und besser, aber er hat eben auch sehr gut gespielt.“

Källberg sagte später, dass er vor seinem Einzel auch daran gedacht habe, dass er nun womöglich derjenige sei, der Bolls internationale Karriere beende. „Aber im Spiel war es dann nicht mehr so präsent, da hatte ich andere Sorgen. Ich denke, die Fans haben Timo trotzdem einen schönen Abschied bereitet. Und ich bin froh, dass er mir als Teamkollege in Düsseldorf noch ein Jahr erhalten bleibt", sagte Källberg, der großen Anteil daran hatte, dass Schweden nun erstmals ins Halbfinale der Olympischen Spiele eingezogen ist. So, wie es Timo Boll bei den letzten vier Olympia-Teilnahmen mit seiner Mannnschaft auch immer geschafft hatte. Der Abschied mit einer fünften Medaille aber bleibt ihm verwehrt. (sue)


Viertelfinale

Deutschland - Schweden 0:3
Boll/Qiu - Källberg/Karlsson 0:3 (-10,-8,-8)
Dimitrij Ovtcharov - Truls Moregardh 2:3 (-9,8,7,-8,-9)
Timo Boll - Anton Källberg 1:3  (-7,-9,7,-8)

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