Olympia 2024

"Mit aggressiven Aufschlägen 15 Punkte geholt"

Hermann Mühlbach analysiert, warum Félix Lebrun am Ende der strahlende Sieger war (©Heuing/Blank/Spinsight)

31.07.2024 - Was für eine Wahnsinns-Aufholjagd hat Dimitrij Ovtcharov da im Achtelfinale der Olympischen Spiele 2024 in Paris gegen Félix Lebrun aufs Parkett gelegt. Nach 0:3-Rückstand kämpfte sich der Bronzemedaillengewinner von Tokio und London zurück ins Spiel, unterlag aber schließlich noch mit 7:11 im siebten Satz. Der ehemalige luxemburgische Nationaltrainer und heutige Senior Expert Digital Training bei der Spinsight ESN Digital GmbH, Hermann Mühlbach, analysiert das Spiel für uns.

Hermann Mühlbach über Dimitrij Ovtcharovs 3:4-Niederlage gegen Félix Lebrun: „Ein unglaublich starkes Match, den Olympischen Spielen auf jeden Fall würdig. Beide Spieler haben auf bestem Niveau gespielt, es war sehr schön anzusehen. Félix Lebrun, ein Wirbelwind, sehr schnell, sehr modern. Nah am Tisch ist er quasi unbesiegbar, bei allen Ballwechsel, die mit normal hoher Qualität am Tisch gespielt wurden, hatte er die Nase vorn. Dimitrij Ovtcharov hatte qualitativ extrem hochwerte Schläge, mit sehr viel Tempo und Power. Er war im Vorteil, wenn er es schaffte, nach einem Schupfball richtig stark zu eröffnen, oder wenn er selbst gut geschupft und Lebrun weich gezogen hat und er voll dagegen gegangen ist - oder auch andersherum, wenn er das Tempo ganz herausgenommen und nur geblockt hat, um die richtigen Bälle dann mit voller Power zu spielen. 

In den ersten drei Sätzen hat Lebrun das Spiel diktiert, vor allem mit einem sehr guten, aggressiven Aufschlag. Er hat sehr viel lang aufgeschlagen - auch kurz mit Oberschnitt - und hat insgesamt etwa 15 Aufschlagpunkte gemacht. In den ersten drei Sätzen waren es jeweils drei oder vier Punkte - also schon etwa 30 % der Punkte, die man zum Satzgewinn braucht. Und trotzdem hat Lebrun die ersten drei Sätze jeweils nur mit zwei Punkten Unterschied gewonnen. Da hat man schon gesehen, dass Dima trotz des Rückstands gute Chancen hat, wenn er es schafft, in sein Spiel reinzukommen und Lebruns Aufschlag zu entschärfen.

Wenn bei Dima am Ende des dritten Satzes noch ein bisschen Verzweiflung zu spüren war, hat er den Bogen dann aber gut gefunden und ein unglaubliches Comeback geschafft. Sehr konzentriert und mit sehr viel Qualität hat er die nächsten drei Sätze komplett dominiert - 6:0, 6:0 und 6:1 geführt und letztlich klar gewonnen. Man konnte auch einen Unterschied im Rückschlag beobachten. Er hat im vierten Satz noch zwei Rückschlagfehler gemacht, im fünften noch einen und im sechsten gar keinen mehr. Und das sind dann am Ende die entscheidenden Punkte. Denn im Spiel hat er es geschafft, sein Spiel durchzusetzen mit extrem kraftvollen Topspins, gepaart mit ganz wenig Tempo im passiven Spiel. Er hat das mittlere, hohe Tempo, das schnelle Hin und Her vermieden und dadurch verdient die drei Sätze gewonnen.

Im entscheidenden siebten Satz war wieder alles offen. Ovtcharov hatte vorher sehr viel riskiert, sehr hohe Qualität gespielt - im Rückstand geht das meist ein bisschen einfacher als im siebten Satz, wenn es darauf ankommt. So hat der Satz auch angefangen: Am Anfang hat er direkt ein, zwei Topspins mit dieser Qualität knapp nicht getroffen, Lebrun dagegen hatte dann auch noch ein paar glückliche Bälle, ein paar richtige Entscheidungen getroffen und ein paar super Ballwechsel für sich entschieden, so dass er sich direkt etwas absetzen konnte. Das hat er bis zum Schluss knapp gehalten. Am Ende hat er den Kreis dann geschlossen: Er hatte im sechsten und siebten Satz keinen Aufschlagpunkt mehr gemacht, sich für den entscheidenden Moment bei 10:7 aber noch mal den langen Aufschlag in Rückhand mit leichtem Unterschnitt aufgehoben. So hat er das Spiel dann mit einem Aufschlagpunkt für sich entschieden. Riesige Leistung von beiden Spielern, beide haben sich super verkauft - es war ein wirklich schönes Spiel.“
 

Das Spiel im Überblick

Herren-Einzel

Achtelfinale
Dimitrij Ovtcharov - Félix Lebrun 3:4 (-9,-13,-10,8,3,8,-7)

(JS)

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