Nach dem verwandelten Matchball von Patrick Franziska gab es kein Halten mehr (©Thomas)
05.05.2018 - Deutschland gegen China - dieses Duell hatte sich wohl nicht nur die deutsche Tischtennisszene für das Finale der Team-WM in Halmstad gewünscht. Dass es nun wirklich morgen dazu kommen wird, hat Deutschland einem überragenden Timo Boll und nervenstarken Patrick Franziska zu verdanken, die die an Dramatik kaum zu überbietende Halbfinalpartie gegen Südkorea nach Hause brachten. Die Silbermedaille ist dem deutschen Team damit bereits sicher.
Drama pur - damit kann man dieses Halbfinale der Deutschen gegen Südkorea wohl überschreiben. Schon alleine die Personalschwierigkeiten im Vorfeld strapazierten die Nerven der Beteiligten. So stand eine Stunde vor Spielbeginn noch nicht fest, welche Mannschaft spielen würde. Was sich dann aber am Samstagabend in der Halmstad Arena entwickelte, setzte dem Ganzen noch einmal die Krone auf. Die DTTB-Herren kamen dem Aus schon bedrohlich nahe, als Timo Boll das Ruder im letzten Moment noch einmal herumriss und Patrick Franziska den Sieg eintütete. Dabei waren eben diese beiden Spieler gestern noch gar nicht einsatzfähig. Den einen plagte der Ischiasnerv, den anderen seine im Hongkongspiel zugezogene Oberschenkelzerrung. Beide marschierten jedoch an Dimitrij Ovtcharovs Seite in die Halmstad Arena ein - und machten heute den Unterschied aus.
Überragender Boll hält Deutschland im Rennen
Das Spiel begann mit starken Vorstellungen der Spitzenspieler. Lee Sangsu erholte sich gegen Patrick Franziska vom Verlust des ersten Satzes und steuerte souverän zum 3:1-Sieg. Auch Timo Boll brauchte seine Zeit, bis er sich auf Jeoung Youngsik eingestellt hatte, ließ ihm dann aber in Satz drei und vier insgesamt nur noch neun Punkte. Somit hing nun viel vom Duell der ‚Dreier‘, Dimitrij Ovtcharov und Jang Woojin, ab. Auch wenn der Deutsche als Weltranglistendritter gegen die Nummer 41 der Welt favorisiert war, kam er nicht richtig in den Tritt. Jang kontrollierte das Spiel von Beginn an und holte sich so den verdienten 3:0-Sieg. So lag es nun an Timo Boll, Deutschland im Spiel zu halten. Gegen Lee Sangsu hatte er voriges Jahr bei den German Open mit 4:0 gewonnen, diesmal verlief das Spiel deutlich enger und avancierte zu einem an Dramatik kaum zu überbietenden Samstagabendkrimi. Der Koreaner agierte hochkonzentriert und wild entschlossen, den Sieg für Korea einzutüten. Dennoch glich Boll beide Vorstöße des gegnerischen Spitzenspielers bärenstark aus und verlegte die Entscheidung in den fünften Satz, der ebenfalls in die Verlängerung ging. Den dritten Matchball nutzte Boll nach unglaublichen Szenen zum Ausgleich für Deutschland.
„Es war sehr schwer, dagegenzuhalten“, sagte Boll nach dem Spiel. „Die Partie war taktisch sehr kompliziert, hat mental eine Menge Kraft gekostet. Und ich wusste bis zuletzt nicht, ob ich das Spiel gewinnen würde oder nicht. Sonst habe ich das schon immer ganz gut im Gefühl.“ Nun lag es an Patrick Franziska, den deutschen Sieg perfekt zu machen. „Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben schon mal so nervös war“, verriet der 25-Jährige, der gestern Nacht noch im Bett lag und sicher war, kein Spiel bei diesem Turnier mehr bestreiten zu können. Doch das Bein hielt und er selbst hielt dem immensen Druck stand. Gegen Jeoung Youngsik entwickelte sich ebenfalls ein Spiel auf höchstem Niveau, in dem sich der Deutsche konzentriert eine 2:0-Führung erarbeitete. Doch der Koreaner kam zurück, holte sich den dritten Satz und hatte den fünften Durchgang schon vor Augen, als Franziska eine großartige Aufholjagd hinlegte und sich den 3:1-Sieg im letzten Moment noch sicherte. „Ich habe direkt ein paar gute Punkte gemacht, das war wichtig“, analysierte Franziska. „Dass ich am Ende nach 4:8-Rückstand noch zurückkam, war toll. Die Bank hat mir heute unheimlich Power gegeben.“ Dort saß auch Ruwen Filus, der gestern Matchwinner war, heute seinen Kollegen dennoch den Vortritt lassen musste.
"Eine der besten Leistungen jemals"
„Ich bin zufrieden mit der kompletten Teamleistung“, betonte Timo Boll. „Korea war heute so unfassbar stark, das war sicher eine der besten Leistungen, die wir im Nationalteam jemals gezeigt haben.“ Dimitrij Ovtcharov haderte ein wenig mit seiner eigenen Leistung, war aber „total stolz auf die beiden. Das waren Spiele auf allerhöchstem Niveau. Chapeau!“ Mit Blick auf das Finale morgen hofft Boll nun, dass „der Körper das Spiel gut verkraftet hat. Wir haben jetzt natürlich erst mal Euphorie und die wollen wir auch mitnehmen.“ Im Finale werden sie auf Chinas Herren treffen, die es Ding Ning, Liu Shiwen und Zhu Yuling nachmachen und morgen ebenfalls den Pokal in die Höhe reißen wollen. Gegen Gastgeber Schweden, der beherzt kämpfte und mit der Unterstützung des Publikums alles versuchte, machten sie ihre Ambitionen heute Morgen schon einmal sehr deutlich. Einzig Kristian Karlsson konnte gegen Fan Zhendong einen Satz gewinnen - Mattias Karlsson und Jon Persson gingen gegen Ma Long und Xu Xin leer aus. Dennoch feierte das Publikum die schwedische Mannschaft, die sich auf heimischem Boden hervorragend präsentiert hat und mit der Bronzemedaille eine tolle Belohnung einstecken konnte. "China ist definitiv der Favorit", sagte Ovtcharov. "Aber wir waren schon des Öfteren in der Situation und haben aus den Endspielen gegen China eine Menge gelernt. Wir sind extrem motiviert und werden morgen alles in die Waagschale legen, was wir können."
Die Spiele im Überblick:
Halbfinale
Südkorea - Deutschland 2:3
Lee Sangsu - Patrick Franziska 3:1 (-5,5,8,5)
Jeoung Youngsik - Timo Boll 1:3 (-10,10,-4,-5)
Jang Woojin - Dimitrij Ovtcharov 3:0 (6,5,6)
Lee Sangsu - Timo Boll 2:3 (9,-8,3,-11,-10)
Jeoung Youngsik - Patrick Franziska 1:3 (-6,-8,4,-9)
China - Schweden 3:0
Ma Long - Mattias Karlsson 3:0 (6,5,11)
Fan Zhendong - Kristian Karlsson 3:1 (11,-8,3,2)
Xu Xin - Jon Persson 3:0 (6,11,5)
Finale
Deutschland - China, Sonntag 14.30 Uhr, Tisch 1
(JS)
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