Gerade bei älteren Profis sei das Wissen über Ernährung schon sehr gut, sagt Kirsten Brüning (©Pixabay)
03.09.2019 - Seit 17 Jahren berät die Diplom-Oecotrophologin Kirsten Brüning Spitzenathleten für die Olympiastützpunkte Hessen und Rhein-Neckar, darunter aktuell auch die deutsche Tischtennis-Herren-Nationalmannschaft. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit, spricht über die Ernährungsgewohnheiten von Tischtennisprofis und gibt Tipps, worauf man selbst unbedingt achten sollte.
myTischtennis.de: Wie sieht Ihre Arbeit für den DOSB aus – speziell mit Blick auf die Tischtennisspieler?
Kirsten Brüning: Ich biete den Spielern des Nationalkaders meinen Ernährungsberatungsservice an. Dieser beinhaltet in der Regel Einzelberatungen, d.h. die Spieler (zurzeit nur die Herren-Nationalmannschaft) kontaktieren mich oder können mich im Rahmen der zentralen Lehrgänge in Frankfurt am Olympiastützpunkt Hessen treffen. Nach einer ausführlichen Anamnese, d. h. einem Check der Essgewohnheiten, medizinischer Daten etc., erfolgt die Kontrolle der Einzeltagespläne (= Ernährungsprotokolle). Timing ist alles in der Sporternährung. Darüber hinaus schicke ich den Athleten Rezepte und Einkaufstipps. Die Themen sind Folgende: Essen und Trinken am Spiel-/Turniertag, Reisen, Immunsystem stärken, Regenerationszeit unterstützen, Muskel-/ Konditionsaufbau (Vorbereitungsphase der Saison), Essen und Trinken in der Verletzungsphase, Flüssigkeitszufuhr optimieren (wir planen eine individuelle Messung der Flüssigkeitsverluste beim Spiel/Training, da jeder Spieler unterschiedlich „schwitzt“) und die Optimierung des Regenerations-/Reisetages – die Herren-Nationalmannschaft ist mehr als die Hälfte des Jahres auf Turnieren weltweit unterwegs. Bei Fragen stehe ich zudem jederzeit zur Verfügung, auch per E-Mail oder Whatsapp bzw. Mobilfunk.
myTischtennis.de: Wie stark wird das Ernährungsangebot des DOSB von den Tischtennisspielern genutzt und wie gehen Sie bei diesem Teil Ihrer Arbeit vor?
Kirsten Brüning: Zurzeit wird mein Sporternährungsberatungsservice eher weniger genutzt, das liegt an der intensiven Turniersituation, da die Spieler nun sehr eingespannt sind. Diese Turniere bzw. die Ergebnisse der Spiele unsere deutschen Mannschaft verfolge ich über Facebook. Einzelne Spieler nutzen phasenweise das Ernährungscoaching sehr intensiv. Es kann auch sein, dass ich für spezielle Ernährungsziele einen Ernährungsplan schreibe oder eine Ernährungsanalyse von mehreren Trainingstagen mache, d. h. die Berechnung der Zufuhr an Energie und Nährstoffen.
myTischtennis.de: Wie ernähren sich Tischtennisprofis, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Kirsten Brüning: Das Vorwissen ist gerade bei den älteren Profis schon sehr gut. Hier geht es darum, die letzten 10-15 % zu optimieren. Entscheidend sind Rituale, z. B. die Getränke vor / während / nach dem Spiel, die direkte Regeneration, was ich direkt danach esse: Wann sind Shakes angesagt, wie sollten sie zusammengesetzt sein? Das Essen im Ausland ist oft ein Problem: Es schmeckt nicht oder ist sehr ungewohnt, zudem bedeuten die heißen Außentemperaturen oft Appetitlosigkeit. Hier stellen wir auf Wunsch individuelle Proviantpakete zusammen. Bei jüngeren Spielern kann es schon sein, dass ein Faible für Süßes und Fast Food besteht. Hier finden wir leckere natürlich süße Alternativen bzw. gesunde Fast-Food-Varianten. Denn bekanntlich ist ein zu hoher Konsum an Süßigkeiten nicht ideal. Neben Zucker wird auch viel gesättigtes Fett verzehrt und beide Zutaten verzögern u. a. die Regeneration und enthalten wenig bzw. keine wichtigen Vitamine und Mineralstoffe.
myTischtennis.de: Worauf sollten gerade Tischtennisspieler achten?
Kirsten Brüning: Wie bereits erwähnt, ist das Timing entscheidend. Eine gute sportgerechte Basiskost gepaart mit ein paar Genussecken ist das Ziel. Manchmal ist es nicht so leicht, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Ich bin schon sehr zufrieden, wenn im Zeitfenster eine Stunde vor dem Training bzw. Spiel bis zwei Stunden nach dem Sport meine Vorstellungen von einer sportgerechten Ernährung umgesetzt werden. Manche Spieler haben Rituale, die aus wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht optimal sind, aber für den Kopf oder die Motivation sehr wichtig sind und das kann ich voll und ganz akzeptieren.
myTischtennis.de: Welche Dinge sollte man unbedingt vermeiden?
Kirsten Brüning: Z. B. unterzuckert und dehydriert an den Start gehen. Es gibt einfache Tricks, um zu wissen, ob ich morgens sehr stark an Wassermangel leide: Hier hilft ein Blick auf die Farbe des Morgenurins. Nein, kein Witz, einfacher geht es nicht. Ideal wäre die Farbe einer Weißweinschorle! Ein absolutes No Go sind auch viel gesättigtes Fett, Zucker und Alkohol in den ersten zwei Stunden nach dem Training bzw. Spiel.
myTischtennis.de: Wie könnte ein Ernährungsplan für einen Trainingstag bzw. Wettkampftag- oder abend aussehen?
Kirsten Brüning: Man sollte morgens mit einem guten Frühstück bestehend aus Vollgetreide / Milch / Soja / Nüssen + Obst starten – z. B. Porridge mit Obst und ein paar Nüssen essen. Eineinhalb Stunden später könnte man trainieren und während des Trainings Wasser und eine rote Saftschorle (1:2) oder ein Mineralgetränk trinken. Nach dem Training sollte man das Sportgetränk austrinken bzw. noch 0,3 Liter nachfüllen. Nach sehr intensiven Trainingseinheiten bzw. Krafttraining kann man auch noch einen Kohlenhydrat-Eiweißshake trinken. Hier geht auch Kakao und 1-2 EL Haferflocken oder ein Beerenobst-Quark-Joghurt-Mix mit Schmelzflocken und etwas Saft, 1 TL Speiseleinöl. Bei zwei Trainingseinheiten pro Tag ist ein leicht verdauliches Mittagessen mit ca. 40-50% /(Vollkorn-)Nudeln, Kartoffeln oder Naturreis + 30% Fleisch/ Fisch / Ei / Hülsenfrüchte / Quark + 20-30% Gemüse oder Salate empfehlenswert. Nachmittags sollte man einen kohlenhydratreichen Snack ca. eine Stunde vor dem Training zu sich nehmen: z. B. eine Banane und ein Brot mit Frischkäse und zum Abendessen ca. 1/3 Eiweiß (bevorzugt Fisch) und 1/3 Kohlenhydrate – nur mineralstoffreiche Varianten, am besten (Süß-)Kartoffeln und Gemüse, Salate und – wenn verträglich – Rohkost. Dazu sollte man viel trinken: mindestens zwei Liter Mineralwasser, leichte Saftschorlen etc. und einen Trainingszuschlag einkalkulieren, mindestens 0,5 Liter pro Stunde Training. Bezogen auf Wettkampftage bzw. -abende ist das Ganze sehr individiuell, da die individuelle Verträglichkeit hier eine große Rolle spielt.
Über Kirsten Brüning: Sie berät als Diplom-Oecotropohologin seit 17 Jahren Spitzenathleten für die Olympiastützpunkte Hessen und Rhein-Neckar. Viele Medaillenträger diverser nationaler und internationaler Meisterschaften hat sie in punkto Sporternährung fit gemacht. Spielsportler wie Feldhockey, Basketball und Volleyball zählen zu ihrem Stammklientel. Kraftausdauerathleten wie Schwimmer und Ruderer waren ebenfalls erfolgreich bei den Olympischen Spielen. Darüber hinaus kümmert sie sich ebenso um Turner, Eiskunstläufer, Rollkunstsportler und Gewichtsklassensportler wie Boxer, Ringer oder Judoka. Profimannschaften wie die Fußballer der TSG 1899 Hoffenheim, die Basketballer der Frankfurt Skyliners, die Eishockeyspieler der Adler Mannheim oder aktuell die Handballer der Füchse in Berlin und viele mehr zählen zu ihren Kunden. Außerhalb des Sports führt sie ihre Praxis für Ernährungsberatung und -therapie in der Sportklinik Frankfurt und wird als Ernährungsexpertin für die betriebliche Gesundheitsförderung in Firmen gebucht. Zeitweise steht sie für den Hessischen Rundfunk als Ernährungsexpertin vor der Kamera. Selbst hat sie 37 Jahre lang Basketball gespielt.
Kontakt: www.essentiell.biz oder Praxis für Ernährungsberatung in der Sportklinik Frankfurt, Otto-Fleck-Schneise 10, 60528 Frankfurt, fon: 069 – 770 19074 oder mobil: 0170 – 9562576 oder mailto bruening@essentiell.biz
(DK)
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