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Dietmars Blog: TTBL und Ebner beweisen Mut

In Zukunft könnte auch der TTC Ebner Ulm an der TTBL-Tabellenspitze mitmischen (©myTT)

19.03.2019 - Die Aufnahme des neugegründeten TTC Ebner Ulm markiert einen Meilenstein für die Tischtennis-Bundesliga der Herren. Die Vergabe einer Wildcard für einen Platz in der deutschen Eliteklasse bedeutet jedoch zugleich auch eine Zäsur und sorgt denn auch mitunter für hitzige Debatten in der nationalen Tischtennisszene. Unser Blogger Dietmar Kramer beleuchtet die außergewöhnliche Entscheidung der TTBL.

Der Paukenschlag erfolgte nur in Moll: Beinahe etwas schüchtern wirkte, wie die Tischtennis-Bundesliga (TTBL) Mitte März die durchaus als historisch anzusehende Vergabe einer Wildcard für einen bis dato überhaupt nicht existierenden Verein nach außen kommunizierte und geradezu hinter der erwartungsgemäßen Bewerbung aller elf derzeitigen Erstligisten versteckte. Die zurückhaltende Verkündung mag der in letzter Zeit leider zwangsläufig mangelnden Erfahrung der TTBL mit tatsächlichen ‚Breaking News‘ geschuldet gewesen sein, aber die Aufnahme des TTC Ebner Ulm ist ungeachtet dessen eben eine solche. Ein neugegründeter Verein, ein Business-Profi als Strippenzieher, kontroverse Debatten, Kampfabstimmungen – kein Wunder, dass in der Szene endlich einmal wieder und auch durchaus leidenschaftlich Diskussionen stattfinden. Fraglos ist der TTBL und Ulms Vereinschef Florian Ebner zunächst einmal alleine schon dadurch ein Coup gelungen. 

Ein Coup zudem, der die Tischtennis-Landschaft jedoch auch mittelfristig verändern könnte – sportlich wie strukturell. Es ist kaum anzunehmen, dass der wohl ohne Zweifel als erfolgreich anzusehende Unternehmer Ebner sich unter Einsatz sicherlich beträchtlicher Ressourcen, sprich: Geldmittel, plötzlich als ‚Nobody‘ im Tischtennis engagiert, um mit seinem Team lediglich im grauen Mittelfeld der Tabelle herumzudümpeln und Durchschnitt zu verkörpern. Ulm dürfte, trotz allen Understatements bei der Bekanntgabe des Einstiegs, spätestens zur übernächsten Saison bereits zu einem Top-Kandidaten für die Play-off-Plätze und womöglich auch schon zu einem ernsthaften Herausforderer für die ‚Platzhirsche‘ Borussia Düsseldorf und TTF Liebherr Ochsenhausen avancieren. Gleichzeitig kann erwartet werden, dass der Macher Ebner zügig auf die Fortentwicklung der Professionalisierung in seinem neuen Geschäftsfeld drängen wird. ‚Der Neue‘, das kann insgesamt als gesichert angesehen werden, wird für die Liga also alles andere als nur ein Auffüller zur Sollstärke von erstmals seit über 20 Jahren zwölf Teams sein. 

Professionelle Planung

Die bisher bekannten Fakten jedenfalls lassen auch darauf schließen, dass Ulm anders als so manch anderer Klub in der Vergangenheit der Eliteklasse nicht mit der Attitüde eines Emporkömmlings antritt. Vielmehr scheint das in erstaunlicher Stille vorbereitete Projekt, so weit die Bestimmungen des Lizenzstatuts und die entsprechenden terminlichen Zwänge es bisher ermöglichten (Stichwort Bewerbung ohne Spieler), keine spontane Entscheidung gewesen zu sein. Für die Seriosität des Konzepts spricht außerdem, dass sich die Schwaben bis zum erneut endgültigen Bewerbungsverzicht des inzwischen nur noch ‚ewigen Kandidaten‘ TTC OE Bad Hamburg quasi nur im Standby-Modus befanden. Dass aber zum ‚Tag X‘ ein adäquater Plan nur noch aus der Schublade gezogen werden musste, unterstreicht die Professionalität.

Die Entwicklung muss – entgegen laut gewordener Unkenrufe – nicht zum Schaden für das Tischtennis im Allgemeinen und der Bundesliga geraten. Aus Liga-Kreisen ist nach dem Wildcard-Beschluss zu vernehmen gewesen, dass Ebner und Ulm in durchaus überzeugender Manier dargelegt haben, in verschiedenen Bereichen neue Wege nicht nur gehen zu wollen, sondern eben letztlich auch zu beschreiten. Frischen Wind kann die Branche jedenfalls gut brauchen.

Kritik nicht nur aus sportethischen Gründen

Natürlich aber ruft die Vorgehensweise der TTBL auch Kritik hervor. Die erstmals vollkommene Aushebelung des ursportlichen Leistungsprinzips, das schon im Vorjahr für die Rückkehr des zweitklassigen Ex-Europasiegers TTC indeland Jülich bis zur Schmerzgrenze ausgedehnt wurde, stellt auch tatsächlich eine Zäsur dar, eine einschneidende zudem. Auf- und Abstieg sind schließlich systemimmanente Bestandteile des deutschen Liga-Sports, so dass wenigstens Bauchschmerzen bei allen beteiligten Klubs absolut verständlich sind. Klar ist aber auch, dass Widerstände nicht nur auf sportethische Bedenken zurückzuführen sind: Der eine oder andere Verein, der sich in der Bundesliga bequem in einer Nische eingerichtet hat und angesichts fehlender Aufstiegsambitionen von Zweitliga-Teams mittelfristig einigermaßen sicher für eine erstklassige Zukunft planen konnte, muss nunmehr umdenken. Vielleicht sogar drastisch, weil es plötzlich ans Eingemachte, also um den Klassenerhalt gehen könnte. Ulm mischt die Karten jedenfalls neu und belebt – zumindest formal – den Abstiegskampf wieder. Und wer möchte nach Jahren in der Komfortzone Bundesliga schon gerne am Saisonende den bitteren Gang in die zweite Liga antreten müssen?

Neue Spannung im Tabellenkeller ist nach Jahren geradezu unzähliger Begegnungen um die ‚goldene Ananas‘ unterhalb der ersten sechs Plätze auch ein wichtiges Ziel der TTBL bei ihrer Entscheidung gewesen. Ob das Kalkül aufgeht, ist jedoch zuvorderst weiterhin von Zweitligisten abhängig. Nur wenn ein Klub aus dem Unterhaus ernsthaft und professionell das Wagnis Bundesliga eingehen wollen würde, käme auch in der Bundesliga notwendiger Schwung in den Kampf um den Klassenerhalt. Doch könnte sich nunmehr für etwaige Interessenten aus dem Unterhaus nun noch mehr die Frage nach dem Mut aufdrängen, womöglich nur für ein Jahr Bundesliga ein finanzielles Risiko eingehen zu wollen.

Nutzen für Tischtennis entscheidet sich auch durch Personalpolitik

Mut ist jedoch in der ‚Causa Ulm‘ niemandem abzusprechen. Mutig hat Ebner offenbar eine Vision entwickelt und dafür auch eine mutmaßlich beträchtliche Geldsumme in die Hand genommen. Nicht weniger mutig hat die TTBL diese ausgesprochen seltene Chance erkannt und – wohlwissend um die Risiken und Auswirkungen ihres Beschlusses – letztlich auch beherzt ergriffen. 

Ob der Mut aller Beteiligten belohnt werden und sich auszahlen wird, entscheidet die weitere Ausgestaltung des Projektes. Die künstliche Aufstockung des Oberhauses auf ihre nominelle Sollstärke ist zunächst einmal nur insoweit ein Erfolg für das Tischtennis wie auch für die Liga, dass tatsächlich außerhalb der angestammten Klientel Bereitschaft zu Investitionen in den Tischtennis-Sport und zur Steigerung seiner Attraktivität vorhanden ist. Erst mittelfristig kann sich aber zeigen, ob das Tischtennis – beispielsweise abermals durch Mut zum Vertrauen in Förderung der jungen Generation deutscher Spieler – dadurch auch gewinnt.

(Dietmar Kramer)

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