Paralympics 2016

Paralympics: Das ist anders als bei Olympia

Die polnische Olympionikin Natalia Partyka tritt bei den Paralympics in der WK 10 an (©ITTF)

07.09.2016 - Nach Veröffentlichung unserer Paralympics-Vorschau wurden wir gebeten, doch einmal die verschiedenen Wettkampfklassen zu erklären, in denen ab morgen in Rio de Janeiro gekämpft wird. Dem kommen wir gerne nach und packen auch noch ein paar andere Unterschiede dazu, die im Vergleich zwischen den Olympischen Spielen und Paralympics ins Auge fallen. So läuft zum Beispiel der Teamwettbewerb bei den Behindertensportlern etwas anders ab.

Tischtennis hat bei den Paralympics eine lange Tradition. Während der Sport mit dem kleinen weißen Ball erst seit 1988 eine olympische Disziplin ist, wurde Tischtennis bei den Paralympics dagegen schon von Beginn an, also seit 1960, gespielt. Im Prinzip wird sowohl bei Athleten mit als auch ohne Behinderung nach denselben Regeln gespielt - kleine Anpassungen, zum Beispiel im Doppel, wo zwei Rollstuhlfahrer schlecht abwechselnd spielen können, sind in den Tischtennisregeln allerdings vorgenommen worden.

29 Titel zu gewinnen

Der Hauptunterschied, den man findet, wenn man die Tischtenniswettbewerbe bei Olympischen und Paralympischen Spielen vergleicht, liegt aber in der Fülle der zu vergebenen Titel. Die Spieler ohne Behinderung kämpften in Rio insgesamt um vier Goldmedaillen, bei den Paralympics wird 29 mal eine Nationalhymne gespielt. Wie bei Olympia teilen sich die Wettbewerbe in Einzel- und Mannschaftskonkurrenzen auf, deren einzelne Partien allesamt im Best-of-Five-Modus ausgetragen werden. Sieben-Satz-Spiele wie bei den Olympischen Spielen kommen also nicht vor. Im Teamwettbewerb besteht eine Mannschaft aus zwei oder drei Spielern, allerdings werden anders als bei den Sportlern ohne Behinderung maximal drei Partien ausgetragen: zuerst ein Doppel, dann zwei Einzel. Welcher Spieler welchen Part übernimmt, muss vor Spielbeginn festgelegt werden. Sieger ist, wer zuerst zwei Spiele gewonnen hat. 

Dass es bei den Paralympics so viele Medaillen zu gewinnen gibt, liegt also nicht daran, dass andere Wettbewerbe dazukämen, sondern an einer Einteilung in elf verschiedene Wettkampfklassen. Damit möchte man gewährleisten, dass eine gewisse Chancengleichheit und Vergleichbarkeit zwischen den Spielern herrscht, die gegeneinander antreten. So werden Spieler mit ähnlichen Voraussetzungen oder Fähigkeiten in einer Klasse zusammengefasst. Allgemein gibt es im Tischtennis zehn Wettkampfklassen für Spieler mit Hirnschädigung, Amputationen und anderen Körperbehinderungen und eine Klasse für Sportler mit geistiger Behinderung. Die Klassen 1 - 5 starten im Rollstuhl, die Klassen 6 - 11 im Stehen, wobei generell gilt: Je niedriger die Klasse, desto größer der Einfluss der Behinderung auf das Spiel. Gehörlose Sportler sind bei den Paralympics keiner eigenen Klasse zugeordnet, sie treten bei den sogenannten Deaflympics im kommenden Jahr gegeneinander an.

Die verschiedenen Wettkampfklassen im Detail

Der „Leitfaden für die Klassifizierung der paralympischen Sportarten“ des Deutschen Behindertensportverbands, aus dem wir die folgenden Beschreibungen entnommen haben, gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Klassen. Zusätzlich haben wir, wenn vorhanden, auch noch die deutschen Sportler ergänzt, die in der jeweiligen Wettkampfklasse antreten:

Sitzende Wettkampfklassen: 

Klasse 1 
Der Spieler hat keine Rumpfkontrolle, keinen funktionellen Griff des Schlägers, die Streckung des Ellbogens und der Hand werden durch eine schwingende Bewegung, die von der Schulter ausgeht, erreicht. Die Koordination der Armbewegungen ist bedeutend anders als die nicht beeinträchtigter Arme. Alle Rumpfbewegungen werden durch das Halten des Rollstuhls oder des Oberschenkels mit der Hand, oder durch das Halten der Stuhlrückseite mit gekrümmtem Ellbogen gesichert. 

—> deutscher Starter: Holger Nikelis

Klasse 2 
Der Spieler hat keine Rumpfkontrolle, keinen funktionellen Griff des Schlägers die Ellbogenstreckung ist ausreichend, und die Handbewegungen sind gut koordiniert aber ohne normale Kraft. Die Rumpfposition wird ähnlich gesichert wie bei den Spielern der Klasse 1. 

Klasse 3 
Der Spieler hat keine Rumpfkontrolle, je nach Höhe der Verletzung an der Wirbelsäule können minimale motorische Einschränkungen der Schlaghand auftreten, aber diese Schäden sind nicht schwerwiegend genug, um Einfluss auf eine der im Tischtennis bekannten Schlagtechniken zu haben. Leichte Veränderungen der Rumpfposition werden gesichert, indem die freie Hand den Rollstuhl oder den Oberschenkel hält, drückt oder stützt. Der untere Teil des Rumpfes bleibt in Kontakt mit der Stuhlrückseite. Rückwärtige Armbewegungen sind eingeschränkt, aufgrund der fehlenden Rumpfrotation. Bewusste Bewegungen des Rollstuhls sind in den meisten Fällen nicht möglich. 

—> deutsche Starter: Thomas Brüchle, Jan Gürtler, Thomas Schmidberger

Klasse 4 
Der Spieler hat Rumpfkontrolle, aufrecht sitzend, normale Arm- und Rumpfbewegungen sind möglich. Rumpfbewegungen, die der Vergrößerung der Reichweite dienen, sind nur möglich, indem der freie Arm sich am Rollstuhl oder Oberschenkel hält, drückt oder stützt. Bewusste Bewegungen des Rollstuhls sind möglich. Mit einer Hand nach vorne ist der Rumpf nicht in der Lage, sich optimal nach vorne zu lehnen. Seitliche Bewegungen sind nicht ohne die Hilfe des freien Arms möglich. 

—> deutsche Starterin: Sandra Mikolaschek

Klasse 5 
Der Spieler hat Rumpfkontrolle, der Rumpf kann in sagittaler Ebene bewusst und ohne die Hilfe des freien Armes nach vorne geneigt und aufgerichtet werden. Signifikante Stoßbewegungen mit den Oberschenkeln oder sogar den Füßen sind möglich. Die Handhabung des Rollstuhls ist optimal, aufgrund der guten Rumpfpositionierung nach vorne und nach hinten. Einige seitliche Bewegungen sind möglich. 

—> deutscher Starter: Valentin Baus
 

Stehende Wettkampfklassen:

Klasse 6 
Kombination von schweren Behinderungen im Schlagarm und den unteren Gliedern, mit schweren dynamischen Gleichgewichtsproblemen. 

—> deutsche Starter: Stephanie Grebe, Thomas Rau

Klasse 7 
Sehr starke Defekte der Beine, damit verbunden, schlechte statische und dynamische Balance. Starke bis mäßige Defekte des Spielarmes. Gemäßigte CP, mit Beeinträchtigung des Spielarmes und der Beine. 

—> deutscher Starter: Jochen Wollmert

Klasse 8 
Einseitig oberhalb des Knies oder beidseitig unterhalb des Knies Amputierte. Schwere Behinderungen in einer oder beiden unteren Extremitäten, mit geringem dynamischem Gleichgewicht. Mittlere Behinderungen in den Beinen und leichte Behinderung im Spielarm. 

—> deutsche Starterin: Juliane Wolf

Klasse 9 
Einseitig, unterhalb des Knies amputierte Spieler. Milde Beeinträchtigungen der Beine, oder leichte Behinderungen in den Beinen und leichte Behinderung im Spielarm. Starke Beeinträchtigung des Nicht-Spielarmes. 

—> deutsche Starterin: Lena Kramm

Klasse 10 
Sehr milde Beeinträchtigungen in den Beinen, oder sehr milde Beeinträchtigung des Spielarms, oder schwere bis gemäßigte Beeinträchtigung des Nicht-Spielarms. 
 

Intellektuelle Beeinträchtigung: 

Wettkampfklasse 11 
Sportler entsprechend der internationalen Kriterien von INAS-FID. Spieler mit einer intellektuellen Beeinträchtigung haben in der Regel Probleme bei der Erkennung von Strukturen und der logischen Einsicht in Abläufe bzw. deren Steuerung. Gleichsam typisch für das Erscheinungsbild einschlägiger Beeinträchtigungen sind Gedächtnisstörungen und längere Reaktionszeiten, die sich ebenfalls negativ auf das technische, taktische und sportliche Leistungsvermögen im Tischtennis auswirken. 

Interessierte finden auf der DBS-Homepage weitere nützliche Informationen!

(JS)

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