Buntes

Han: "Noch nicht die Zeit, mich zu verabschieden"

Ying Han wagt ihr zweites Comeback nach zwei Achillessehnenrissen (©ITTF)

13.02.2025 - Ihre Geschichte war wohl die tragischste im Tischtennisjahr 2024: Im Januar riss sich Ying Han die Achillessehne im rechten Fuß, kämpfte sich rechtzeitig zu den Olympischen Spielen wieder zurück - und riss sich dann bei ihrem Comeback-Turnier auch noch die linke. Nun plant die Abwehrspielerin ihr zweites Comeback und erzählt im Interview, was diese erneute Verletzung mit ihr gemacht hat, ob auch das Karriereende eine Option war und mit welchen Gedanken sie nun an den Tisch geht.

myTischtennis.deIm Juni 2024 hatte ich dich kurz vor deinem Comeback beim WTT Star Contender Bangkok besucht, wo du dir die zweite Achillessehne gerissen hast (zum Artikel). Wie schaust du nun auf das nächste Comeback-Turnier, das du geplant hast, den Europe Top 16 Cup in Montreux?

Ying Han: Noch vor dem Europe Top 16 Cup werde ich Ende dieser Woche ein kleines Comeback in Polen geben, wo ich in der polnischen Liga und in der Champions League für meinen Verein Tarnobrzeg zwei Spiele bestreiten werde. Diesmal will ich es etwas langsamer angehen lassen als beim letzten Mal und gerne noch ein, zwei Spiele machen, bevor ich ein größeres Turnier spiele.  

myTischtennis.deMachst du dir keine Sorgen? Beim letzten Mal ist ja die zweite Sehne gerissen…

Ying Han: Ach, ich habe ja keine dritte (lacht). Ich habe mit dem OP-Arzt und meinem Physio-Team gesprochen, die alle finden, dass ich so weit bin. Und sie haben gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die beiden Sehnen noch einmal reißen. Mitte Januar bin ich wieder ins Training eingestiegen und das läuft bis heute sehr gut. Ich vertraue mir selbst und meinen Ärzten und hoffe einfach, dass es nicht noch einmal passiert. 

myTischtennis.deGab es denn eine medizinische Erklärung dafür, warum die beiden Sehnen so kurz hintereinander gerissen sind? 

Ying Han: Da haben wohl viele Faktoren mit reingespielt. Niemand hat letzten Sommer damit gerechnet, dass die zweite Sehne auch noch reißt. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich nach einem Achillessehnenriss auch noch die zweite reißt, wohl um 17 % erhöht gegenüber denjenigen, die zwei gesunde Sehnen haben. Und ich habe ja auch nicht nur das verletzte Bein trainiert, sondern den ganzen Körper auf das Comeback vorbereitet. Dass es am Ende noch ein zweites Mal passiert ist, war wohl einfach Pech.

myTischtennis.deWas hat dieser zweite Achillessehnenriss psychisch mit dir gemacht, nachdem du dich so tapfer zurückgekämpft hattest?

Ying Han: Das war schon sehr hart. In Thailand habe ich nur geheult, bis ich keine Kraft mehr hatte. Danach konnte ich drei Wochen nichts machen. Ich habe mir diesmal viel Zeit genommen, mental und körperlich zu heilen - und auch darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Aber mir war ganz klar, dass ich wieder Tischtennis spielen will. Das war mein Ziel - nicht Olympia wie beim letzten Mal, aber der Spaß, den ich immer noch daran habe. Die Zeit ist noch nicht gekommen, mich zu verabschieden.

myTischtennis.deHast du diesmal etwas anders gemacht als beim ersten Mal, um wieder fit zu werden? 

Ying Han: Es war schon anders. Ich habe zum Beispiel zweimal mit unserem Sportpsychologen Christian Zepp gesprochen, der mir dann aber sagte: „Ich glaube, Ying, du brauchst mich nicht mehr.“ Weil ich eigentlich schon alles richtig gemacht habe. Ich habe die Verletzungspause dann genutzt, um Englisch zu üben, ich habe Klavierspielen gelernt - und hätte nie gedacht, dass es mir so viel Spaß machen würde -, ich war fünfmal pro Woche beim Rehatraining und habe viel Zeit mit meiner Tochter verbracht. Die Zeit mit meiner Familie hat mir sehr geholfen. Irgendwann sagte meine Tochter zu mir: „Mama, wir weinen jetzt nicht mehr, sondern gucken nur nach vorne. Also sollst du auch nicht mehr weinen.“ Da dachte ich mir: Wenn meine Tochter mir das sagt, muss ich damit aufhören. Ich habe in dieser Zeit auch große Unterstützung vom DTTB bekommen, zum Beispiel von Richard (Prause, Anm. d. Red.) und Tami (Tamara Boros, Anm. d. Red.), die den Kontakt zu mir gehalten und mich zum WTT Champions nach Frankfurt eingeladen haben. Das ging mir wirklich ans Herz, es hat mir das schöne Gefühl gegeben, nicht ganz vom Tischtennis weg zu sein. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

myTischtennis.deUnd den Tischtennisschläger hast du in der Zeit komplett aus der Hand gelegt?

Ying Han: Nein, wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich nach sechs Wochen wieder angefangen, im Keller zu trainieren (lacht).

myTischtennis.deIch kann mir vorstellen, dass es auch nicht einfach war, die Olympischen Spiele vor dem Fernseher zu verfolgen…

Ying Han: Ja, das war echt hart. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, kein Spiel zu schauen, aber am Ende habe ich mir einen Discovery-Plus-Account geholt, um alle sehen zu können. Die Mädels haben wirklich super gut gespielt, aber es war auch anstrengend für mich, zuzuschauen. Und natürlich kam mir auch der Gedanke: Vielleicht wären wir noch ein bisschen weiter gekommen, wenn ich dabei gewesen wäre. Aber ich habe großen Respekt vor der tollen Leistung des Teams.

myTischtennis.deDu sagtest, dass du seit Mitte Januar wieder trainierst. Wie gut ist deine Form schon wieder? Bist du auf dem Stand von Juni?

Ying Han: Das kann ich leider noch nicht sagen, denn Training und Spiele kann man nicht miteinander vergleichen. Mal abwarten, wie die Ligaspiele jetzt in den nächsten Tagen laufen. Ich würde aber sagen, ich bin schon bei mehr als 60 %. 

myTischtennis.deHast du dir für das Europe Top 16 etwas vorgenommen? Oder erst einmal nur, dich nicht zu verletzen?

Ying Han: Ja, das ist natürlich mein erstes Ziel. Aber auch die andere Verletzung war nicht zu vermeiden. Vor Bangkok hatte mein Mann zu mir gesagt: „Wenn ein schwieriger Ball kommt, geh einfach nicht dran.“ Aber das geht nicht. Wenn man dann am Tisch steht, kann man den Punkt nicht einfach verschenken. Ich fahre fit nach Montreux, habe gut trainiert, aber die anderen hatten keine Pause. Ich kann nicht zu viel von mir verlangen. Ich versuche an mein altes Level heranzukommen, und schaue, wie weit ich komme. Aber ich werde schon stolz sein, wenn ich das Turnier zu Ende spiele, ohne mich zu verletzen.

myTischtennis.deNehmen wir mal an, das gelingt dir. Wie geht es dann für dich weiter? Mit welchem Pensum steigst du wieder in den Profi-Alltag ein?

Ying Han: Da ich jetzt so lange pausiert habe, wurde mein Weltranglistenplatz eingefroren und ich darf in drei Turnieren mit meinem alten Ranking-Platz starten. Hier werde ich mir natürlich die besten aussuchen, um wieder Punkte zu sammeln. Über das Europe Top 16 könnte ich mich zum Beispiel auch für den World Cup qualifizieren. Und dazwischen werde ich weiter in der Liga spielen. 

myTischtennis.deUnd die WM ist ja auch nicht mehr lange hin…

Ying Han: Es sind schon noch über drei Monate bis dahin. Das ist mir noch zu weit weg - ein Schritt nach dem anderen. Aber wer weiß, auf welchem Level ich in drei Monaten schon wieder bin (lacht).

(JS)

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