08.12.2024 - Eigentlich wollte Annett Kaufmann in diesem Jahr vor allem ihr Abitur erfolgreich abschließen. Was die Jugendweltmeisterin ansonsten 2024 alles noch erreicht hat, damit habe sie selbst nicht gerechnet, erzählt sie im myTischtennis.de-Interview. Die 18-Jährige verrät nicht nur ihr Erfolgsrezept für die Jugend-WM in Helsingborg, sondern auch, wie sich ihr Leben seit den Olympischen Spielen verändert hat und was sie sich für 2025 vornimmt.
myTischtennis.de: Du hattest jetzt ein paar Tage Zeit, dich an den Gedanken zu gewöhnen. Wie fühlt man sich so als Weltmeisterin?
Annett Kaufmann: Ich habe es immer noch nicht wirklich realisiert. Es ist natürlich deutlich realer als direkt nach dem Spiel oder nach der Siegerehrung. Also man kann schon sagen, dass es inzwischen in meinem Kopf angekommen ist. Aber trotzdem fühlt es sich in manchen Momenten echt surreal, wie in einem Traum an. Dass dieser Traum nun wirklich wahr ist, kann ich in manchen Phasen immer noch nicht so richtig glauben.
myTischtennis.de: Was war dein Erfolgsrezept in Helsingborg?
Annett Kaufmann: Mich auf mich selbst zu konzentrieren und mir weniger Gedanken darüber zu machen, was passieren kann, sondern mich mehr darauf zu fokussieren, was gerade wichtig ist. Was kann ich jetzt ändern und wie finde ich eine Lösung? Und nicht: Was passiert, wenn ich gewinne, gegen wen spiele ich dann etc.. Ich habe mir keinen Druck gemacht, keine Erwartungen an mich gestellt und bin einfach von Spiel zu Spiel gegangen. Ich denke, das war mein Erfolgsrezept.
myTischtennis.de: Denk mal ein Jahr zurück - an den Jahreswechsel 2023 auf 2024. Was hast du erwartet, was die kommenden zwölf Monate bringen werden?
Annett Kaufmann: Ich habe natürlich all das, was dieses Jahr passiert ist, nicht erwartet. Ich hatte am Anfang des Jahres vor allem mein Abi im Kopf, was für mich auch das Wichtigste war. Natürlich wusste ich, dass die Olympischen Spiele vor der Tür stehen, und natürlich habe ich auch gehofft und alles versucht, mit nach Paris fahren zu dürfen. Aber hier gab es halt auch ein paar Dinge, die ich nicht kontrollieren konnte, so dass ich mich mehr auf mein Abi fokussiert habe und darauf, das gut zu machen. Das habe ich auch geschafft, ich bin sehr zufrieden und habe mit der Schule dann auch abgeschlossen.
myTischtennis.de: Und dann hast du bei den Olympischen Spielen eine sehr viel größere Rolle gespielt, als geplant war…
Annett Kaufmann: Da sind viele Dinge passiert, die ich nicht beeinflussen konnte: Ying hat sich verletzt, sich wieder zurückgekämpft und sich wieder verletzt. Dann hat sich Nina in Paris auch noch verletzt. Dann bin ich auf Position drei gerutscht. Dann habe ich gegen Spielerinnen gewonnen, die in der Weltrangliste vor mir stehen. Dann sind wir Vierter geworden und haben eine megageile Zeit gehabt. Und dann wurde ich Jugendweltmeisterin. Das habe ich einfach alles nicht erwartet. Mein Ziel war es, ein gutes Abi zu machen, mit der Schule abzuschließen und sich vielleicht irgendwie für Olympia zu qualifizieren, wenn es funktioniert. Aber meine Priorität war halt mein Abi. Dass ich am Ende all das erreicht habe, hätte ich nie gedacht und dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar.
myTischtennis.de: Abitur, Olympische Spiele, Jugend-WM - und ein Taylor-Swift-Konzert. Das waren sehr viele besondere Momente in einem Jahr. Was wird für dich in Zukunft die größte Bedeutung haben, wenn du auf 2024 zurückblickst?
Annett Kaufmann: Das kann ich wirklich nicht sagen. Mein Abi war mir wichtig, Olympia war wichtig, die Jugend-WM war wichtig - und auch das Taylor-Swift-Konzert war mir wichtig. Ich finde, das kann man nicht wirklich miteinander vergleichen, all das war in verschiedenen Etappen dieses Jahres ein Highlight für mich. Und all diese Momente haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt am Ende dieses Jahres bin. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Jahr - nicht nur, weil es erfolgreich war, sondern einfach, weil ich mich als Mensch auf verschiedenen Ebenen weiterentwickelt, verbessert und auf ein neues Level gebracht habe. Das ist das, was für mich wertvoll ist. Das Abitur, die Olympischen Spiele, die Jugend-WM und das Konzert waren alles besondere, unersetzbare Momente und werden für immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.
myTischtennis.de: Spätestens seit deinen Erfolgen bei den Olympischen Spielen haben dich auch viele Menschen und Medien außerhalb der Tischtennisszene auf dem Schirm. Was hat sich für dich seit Paris verändert? Wie viele Anfragen kriegst du, erkennt man dich auf der Straße?
Annett Kaufmann: Ich habe nach Paris sehr viele Sponsoring-, Management-, TV- und Interviewanfragen bekommen. Es hatte sich dann eine Zeitlang wieder etwas beruhigt, so dass ich dann nicht mehr täglich zwei E-Mails dazu im Postfach hatte. Nach der EM, bei der ich ja Bronze im Mixed geholt habe, und nach der Jugend-WM ist das jetzt wieder angestiegen. Aber dadurch, dass ich durch Paris schon auf extreme Art und Weise Erfahrungen damit sammeln konnte, habe ich schon ein System für mich entwickelt, um das durchzuarbeiten. Auf der Straße oder am Flughafen werde ich inzwischen immer mal wieder erkannt - und auch in der Schule haben mich neulich Sechstklässlerinnen angesprochen, was sehr niedlich war. Das hat sich auf jeden Fall verändert.
myTischtennis.de: Und wie gehst du damit um?
Annett Kaufmann: Ich freue mich, dass ich viel Werbung für Frauen-Tischtennis machen konnte und kann. Dass manche Menschen dadurch den Sport für sich entdeckt, mit Tischtennis angefangen haben oder sich durch die ganze Aufmerksamkeit motivierter fühlen - vor allem Frauen. Aber ansonsten reagiere ich nicht darauf. Mir ist klar, dass durch die Erfolge nun die Aufmerksamkeit steigt und dass sie auch wieder verschwindet, wenn die Erfolge ausbleiben. Ich persönlich brauche diese Aufmerksamkeit nicht, aber ich nutze sie sehr gerne, um Werbung für Frauen-Tischtennis zu machen.
myTischtennis.de: Du hast beim letzten Jahreswechsel gemerkt, dass du ruhig auch hoch stapeln darfst. Was willst du 2025 erreichen?
Annett Kaufmann: Ich weiß gerade gar nicht, was alles ansteht (lacht). Bei der Einzel-WM wäre eine Medaille echt ein Traum. Ich sage aber nicht, in welcher Disziplin. Auf die Team-EM freue ich mich auch sehr, bei der ich unseren Titel verteidigen möchte. Und ich möchte mich gerne in der Weltrangliste verbessern, ohne mir da eine konkrete Marke gesetzt zu haben. Aber sonst habe ich keine bestimmten Ziele für das Jahr. Mein Ziel ist es, neue Sachen zu lernen und mich mental, körperlich, emotional weiterzuentwickeln. Das hatte ich mir für dieses Jahr auch vorgenommen. Wenn ich das schaffe, bin ich sehr happy. Denn dann habe ich mich als Mensch zum Positiven verändert.
(JS)
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