22.11.2024 - Bei der Jugendweltmeisterschaft vor einem Jahr spielte Yuna Ojio in der U15-Altersklasse alles in Grund und Boden. Alle vier Titel, die sie gewinnen konnte, gingen am Ende auf ihr Konto. Und das, obwohl - oder vielleicht auch gerade weil - die inzwischen 16-jährige Japanerin Tischtennis auf eine Art und Weise spielt, die man sonst selten sieht. Mit vier Fingern auf der Rückhandseite nutzt sie den sogenannten „Katana-Griff“ und ist damit sehr erfolgreich.
Shakehand oder Penholder - das sind die beiden weit verbreiteten Optionen, wie man einen Tischtennisschläger halten kann. Natürlich gibt es auch noch andere Möglichkeiten, die man bei dem einen oder anderen Tüftler schon mal gesehen hat. Mit Yuna Ojio spielt jedoch nicht irgendwer, sondern die vierfache U15-Jugendweltmeisterin des vergangenen Jahres und aktuelle Nummer 134 der Erwachsenen-Weltrangliste auf ihre eigene Art und Weise - und ist damit alleine auf weiter Flur. Ihr Schlägerkopf zeigt teils fast vertikal nach unten, während ihre Finger nicht den Griff umfassen, sondern vom Zeige- bis kleinen Finger allesamt auf der Rückhandseite liegen, was sie jedoch nicht davon abhält, beide Seiten des Schlägers zu nutzen.
Vorteil: starker Vorhand-Smash
Die Geschichte hinter dieser besonderen Schlägerhaltung? „Als ich klein war, habe ich normal als Penholderspielerin gespielt“, erzählt Ojio beim WTT Feeder in Düsseldorf, wo sie es bis ins Achtelfinale schaffte. „Aber da meine Finger zu kurz waren, habe ich angefangen, den Schläger auf diese Weise zu halten.“ Damals ist sie im Alter von elf Jahren bereits ITTF- und YouTube-Star Adam Bobrow aufgefallen, der sie kurzerhand „The Claw“, „die Klaue“, taufte und im direkten Vergleich mit ihr keinen Satz gewann. Inzwischen sind Ojios Finger gewachsen, jedoch hat sie sich trotzdem nicht für einen anderen Spielstil entschieden. „Ich habe mich bereits an diese Griffweise gewöhnt und spiele weiterhin so“, erzählt die 16-Jährige, die selbst niemanden kennt, der wie sie spielt. Während auch die ITTF keinen Begriff für diese Spielweise hat und die Japanerin in ihrem Profil als „Shakehand-Spielerin“ ausweist, kursiert im Internet durchaus ein Name für ihre Schlägerhaltung: der Katana-Griff, der sich auf das bekannte japanische Samurai-Schwert bezieht, auch wenn man eine solche Waffe wohl etwas anders halten dürfte.
Etwas aus der Not geboren, bietet ihr diese Schlägerhaltung einen klaren Vorteil: „Es ist sehr einfach, damit einen starken Vorhand-Smash zu spielen“, erklärt die aktuelle Nummer sieben der Jugend-Weltrangliste. In anderen Situationen wechselt sie den Griff jedoch manchmal mitten im Ballwechsel, um etwaige Nachteile zu umgehen. „Es gibt keine spezielle Regel, aber wenn ich weiter hinten stehe, benutze ich häufig den Shakehand-Griff“, berichtet Ojio. „Der Grund dafür ist, dass es bei einem Penholder-Griff mit einem Noppenbelag auf der Vorhandseite schwieriger ist, den Ball weit zu schlagen. Mit dem Shakehand-Griff spiele ich auf der Vorhandseite mit einem Noppen-innen-Belag, was das Schlagen erleichtert.“ Somit wechselt sie nicht nur die Schlägerhaltung, sondern dreht auch noch den Schläger, was es für den Gegner nicht unbedingt einfacher machen dürfte.
„Schwertkampf“ statt Boxen
Darauf weisen zumindest ihre Erfolge im vergangenen Jahr hin. Nachdem sie 2023 U15-Jugendweltmeisterin im Einzel, Doppel, Mixed und Teamwettbewerb geworden war, gewann sie in diesem Jahr die U17-Konkurrenz des WTT Youth Contenders in Gangneung und setzte sich sogar bei den U19-Mädchen des WTT Youth Star Contenders in Doha durch. Statt bei der an diesem Freitag beginnenden Jugend-WM in Helsingborg anzutreten, sammelt Ojio, die nun nicht mehr in die U15-, sondern U19-Altersklasse fällt, Erfahrungen bei den Erwachsenen und nimmt an den letzten WTT-Feeder-Turnieren des Jahres in Deutschland und Portugal teil. Als 134. der Welt ist die 16-Jährige schon in der erweiterten Weltspitze angekommen, nichtsdestotrotz hat sie in ihrem Land noch 14 Spielerinnen vor sich, an denen sie für ihre großen Ziele erst einmal vorbei muss: „Ich möchte bei den Olympischen Spielen 2028 und bei den Weltmeisterschaften gewinnen.“
Damit würde sie in ihrer erfolgreichen Familie dann mit Abstand die Beste sein. Während ihr Vater kein Tischtennis spielt, entfachten ihre Mutter und ihre ältere Schwester Ojios Tischtennisleidenschaft. Ihre Mutter schaffte es bei den japanischen Nationalmeisterschaften zu ihren besten Zeiten bis ins Viertelfinale, die 19-jährige Haruna ist als Defensivspielerin ebenfalls in der internationalen Tischtennisszene unterwegs. Der Weg der kleinen Schwester schien damit schon vorgezeichnet zu sein - und das obwohl sie bis zum Alter von zehn Jahren auch im Boxen aktiv und erfolgreich war. Die Entscheidung fiel am Ende gegen den Kampfsport und für ihre ganz eigene Art des „Schwertkampfs“ aus. Sollte Ojio tatsächlich einmal Weltmeisterin oder Olympiasiegerin werden, sieht man künftig womöglich häufiger Tischtennisspieler, die ihren Schläger im Katana-Griff halten. Bis dahin ist Yuna Ojio in der internationalen Szene etwas ganz Besonderes.
(JS)
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