Interview

Waldner/Appelgren im exklusiven myTT-Interview!

Mikael Appelgren (2.v.l.) und Jan-Ove Waldner zwischen myTT-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll (l.) und Geschäftsführer Jochen Lang. (©Küper)

13.09.2024 - Die frühere goldene diskutiert über die heutige silberne Generation der Schweden! Beim Besuch in Stockholm haben wir uns Ende August zum Legenden-Talk an einen Tisch mit Mikael Appelgren und Jan-Ove Waldner gesetzt. Der Start unserer dreiteiligen Exklusiv-Interviewreihe mit den einst erfolgreichsten Tischtennisspielern der Welt dreht sich ganz um die Situation von Tischtennis in Schweden und die Einordnung der zwei Olympia-Medaillen in Paris.

myTischtennis.de: Die wichtigste Frage zuerst. Wie geht es euch und wie sieht euer Alltag heute aus?

Mikael Appelgren: Ich bin immer noch hier in Spårvägens (zur Vereinshomepage). Aber es wird weniger und wohl mein letztes Jahr. Ich werde 63 Jahre alt, spiele selbst nicht mehr viel und bin nur noch Trainer. Die Senioren-WM in Rom war eine Ausnahme, wir sind im Doppel-Achtelfinale in der Altersklasse MD55 sogar gegen zwei Deutsche rausgeflogen. Aber die Leute haben mich immerhin noch erkannt (lacht).

Jan-Ove Waldner: Ich mache immer noch viele Exhibitions und Showmatches, auch mit Jörgen Persson - manchmal in Schweden und auch noch viel in China. Während der Corona-Pandemie war es logischerweise etwas ruhiger. Ich bin zudem mehrere Tage im Jahr für meinen Ausrüster Donic im Einsatz und bin unter anderem auch bei der Materialentwicklung bzw. Tests eingebunden.

myTischtennis.de: Welchen Sport betreibt ihr neben Tischtennis am liebsten?

Appelgren: Golf. Als ich damals in Bad Honnef gespielt habe, hatte ich noch ein Handicap von 4 oder 5. Aber man wird älter (lacht). 

Waldner: Ich spiele auch - bei Bro Hof Slott, einem der größten Klubs hier und der besten in Europa. Das ist immer lustig. Rossi und Timo spielen ja auch viel. 

myTischtennis.de: Die Olympischen Spiele liegen erst wenige Wochen zurück. Kamen die zwei schwedischen Silbermedaillen für euch überraschend? 

Appelgren: Als ich die Auslosung gesehen habe, dachte ich, dass es im Einzel sehr schwer werden könnte. Aber im Mannschaftswettbewerb war für drei bis vier Teams direkt alles offen, ins Finale zu kommen. Daher war die Silbermedaille gar nicht so eine große Überraschung für mich. Dass Truls im Einzel-Finale stand, dagegen natürlich schon. 

Waldner: Er hatte vorher nie eine Chance gegen Wang Chuqin. Sie haben achtmal gegeneinander gespielt und er hat vorher gerade mal drei Sätze gegen ihn gewonnen. 

myTischtennis.de: In Deutschland hat die Nominierung für viele Diskussionen gesorgt, wie war es in Schweden?

Appelgren: Es war alles geregelt. Jeder hatte seine Rolle. Kristian Karlsson hatte seinen Platz in der Mannschaft und im Mixed. Er hat schon sehr früh mit Christina Källberg gesprochen und sich voll darauf fokussiert. Sie sind ein gutes Mixed. Die Qualifikation war nicht so schwierig. So war für das Einzel alles klar. 

Waldner: Ich habe auch direkt nach der Auslosung gedacht, dass im Mixed und Team die Chancen auf die Medaillen in den 16er-Feldern einfach am größten waren. Leider haben Kristian und Stina dann im Viertelfinale gegen die Nordkoreaner verloren. Sie waren einfach zu gut. Jetzt haben wir zwei Medaillen und das ist viel besser als vorher gedacht.

myTischtennis.de: Wie wichtig war das gute Abschneiden für den Tischtennissport in Frankreich und Schweden im Allgemeinen?

Appelgren: Wir haben hier auch einen französischen Trainer und er sagte, es ist dort total verrückt. Direkt nach den Olympischen Spielen wollten tausende Menschen dort Tischtennis spielen. 

Waldner: Aber sie haben das gleiche Problem wie wir. Viele Leute warten und kommen nicht in die Hallen. Wir haben hier bei uns im Verein 900 Mitglieder und 200 wollen noch dazukommen, denen wir absagen mussten. Das ist kompliziert und chaotisch. Du kannst fast nicht auf die Straße gehen, ohne über Tischtennis zu sprechen. 

myTischtennis.de: Seid ihr in Schweden auf so einen Ansturm an Spielern vorbereitet?

Appelgren: Nein und das ist nicht nur bei uns so, wir haben noch drei andere große Klubs hier in Stockholm. Im August gab es zudem ein Treffen mit den für Sport zuständigen Politikern in der Stadt. In zwei Jahren wird es noch schwieriger, denn dann werden hier noch zwei große Hallen geschlossen. Unsere ist eine von mehreren vereinseigenen. 

Waldner: Man darf nicht vergessen, dass hier nur knapp 30.000 Menschen Tischtennis spielen. In Deutschland sind es über 200.000 und in China über 30 Millionen. 

myTischtennis.de: Moregardhs Erfolge werden sicher für einen noch größeren Boom sorgen. 

Waldner: Man muss nur Truls sagen. Er spielt quasi überall - in seiner Heimat Eslöv in der schwedischen Liga, in der Champions League für Saarbrücken und in Polen. Vor ihm waren Anton und Kristian die bekanntesten Spieler. Jetzt sprechen alle über ihn. 8.000 von etwa 20.000 Einwohnern aus Eslöv waren beim Empfang auf dem Markplatz, um mit ihm zu feiern. Das ist natürlich perfekt. Die Medienpräsenz war insgesamt riesengroß, unser TV-Mann ist quasi tischtennisverrückt. Wir waren jeden Tag im Studio, alle Spiele wurden gezeigt. Zusammen mit Schwimmen war Tischtennis die erfolgreichste schwedische Sportart. 

Appelgren: In Stockholm ist es üblich, dass man die Sportler nach Erfolgen trifft und feiert. Das war bei Truls so, beim Stabhochspringer Duplantis und bei der besten Schwimmerin Sjöström. 

myTischtennis.de: Was unterscheidet Truls‘ Spiel von eurem aus früheren Zeiten?

Waldner: Der ganze Tischtennissport hat sich verändert. Die Profis werden immer stärker, stehen heute viel näher am Tisch und spielen mit viel mehr Power. 

Appelgren: Alles ist viel physischer, weil der Ball größer und schwerer geworden ist. Und alle haben eine viel bessere Rückhand. Sie spielen sowohl am Tisch als auch aus der Halbdistanz viel härter und fischen die Bälle nicht wie ein Jacques Secrétin oder Andrzej Grubba früher. 

Waldner: Und es ist nicht mehr so viel Spin drin, wie früher. Das kommt den Chinesen auch entgegen. Truls spielt einfach anders. Er ist keine Maschine, sondern spielt mit viel Gefühl. Und das ist der Grund, warum wir ihn in Schweden so lieben. Er kann alles spielen, ist variabel und auch mental stark. 

Appelgren: Das macht sein Spiel so schwer zu lesen. 

Waldner: Aber auch wir haben unser Spiel mit der Zeit geändert (lacht). 

Appelgren: Durch den neuen Ball ist es ein komplett anderes Spiel geworden. Du brauchst viel mehr Kraft, eine gute Beinarbeit. Guckt euch die Oberschenkel von Fan Zhendong an (lacht). 

Waldner: Auch in den anderen Ländern hat sich viel getan im Vergleich zu früher. Du kannst zum Beispiel heute auch gegen Nigeria oder andere vermeintlich kleine Nationen verlieren. Jeder Kontinent hat gute Spieler und du kannst überall in der ersten Runde gegen sie verlieren. Bei Anton war es gegen den Kongolesen im ersten Einzel bei Olympia auch knapp. Das war früher anders, da konnte man eine EM auch noch mit der zweiten Mannschaft gewinnen.  

myTischtennis.de: Apropos Anton Källberg. Er hat national oft gut performt, international weniger. Ist sein Knoten durch Olympia jetzt geplatzt?

Appelgren: Er konnte den Schweden endlich zeigen, wie gut er ist. In der TTBL und in der Champions League war er schon in den vergangenen Jahren immer stark. Das letzte und entscheidende Spiel im Team-Halbfinale gegen Harimoto zu drehen, war richtig gut. 

In der kommenden Woche sprechen sich die beiden unter anderem über den steilen Aufstieg von Felix Lebrun.

In einer kleinen Bildergalerie zeigen wir Ihnen, wie es in der Halle der beiden aussieht.

(FKT)

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