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Jana Spegel: Vom Schulhof nach Paris in fünf Jahren

Voller Fokus auf Paris: Jana Spegel freut sich auf ihr Paralympics-Debüt. (©Florian Schwarzbach/DBS)

21.08.2024 - Bis 2019 war Tischtennis für Jana Spegel nicht mehr als ein Schulhofsport, nun fährt die Rollstuhlspielerin zum ersten Mal überhaupt zu den Paralympics. Ein außergewöhnlicher Weg, den in diesem Tempo noch nicht viele vor ihr gegangen sind. Dabei war es ein Zufall, der die Rechtshänderin überhaupt zum Tischtennis geführt hat. Welcher das ist, was sich die Baden-Württembergerin für ihr Debüt in Paris vornimmt und inwieweit sie ihre Muskel-Erkrankung im Alltag einschränkt, lesen Sie im Porträt.

Am Freitag ist es so weit. Fünf Tage vor Beginn der Paralympischen Spiele in Paris treten die DBS-Athletinnen und -Athleten die Zugreise nach Paris an. Bei Jana Spegel ist die Vorfreude besonders groß. Als einzige Nationalspielerin im neunköpfigen Aufgebot von Bundestrainer Volker Ziegler feiert die 21-Jährige in Frankreich ihre Premiere. „Die Aufregung wird wahrscheinlich erst vor Ort in der Halle zu spüren sein. Ich bin gespannt auf die Atmosphäre und lasse es alles einfach auf mich zukommen“, blickt die Paralympics-Debütantin auf ihr bevorstehendes Abenteuer. Für die Stuttgarterin geht es in erster Linie darum, die ,Spiele‘ zu genießen. 2021 in Tokio hatte sich die Rollstuhlspielerin noch einen Wecker gestellt, um die Wettbewerbe in der Nacht vor dem Fernseher zu verfolgen.

Volker Ziegler: "In vier Jahren zu den Paralympics – eine Seltenheit" 

Dass sie nun selbst auf der ganz großen Bühne stehen darf, ist das Ergebnis einer beachtlichen sportlichen Reise, die 2019 durch einen Zufall überhaupt erst eingeleitet wurde. Zwei Bekannte überzeugten Jana Spegel unabhängig voneinander zu einem inklusiven Para-Trainingsschnuppertag. „Bis zu dem Zeitpunkt war Tischtennis für mich kein Sport, den ich im Verein spielen wollte. Ich kannte es nur vom Schulhof“, sagt sie. Doch die Begeisterung ließ das Ausnahmetalent ab diesem Moment nicht mehr los. Schnell ging es sportlich Schritt für Schritt nach vorne – Spegel eilte von Erfolg zu Erfolg. Gekrönt wurde der Aufstieg durch WM-Bronze 2022 und EM-Silber 2023 im Einzel. Der Glaube, sich den Traum von den ersten Paralympics zu erfüllen, wurde größer – und ist seit dem Frühjahr Realität.

Ab und zu müsse sie sich selbst noch kneifen. „Natürlich ist das nicht der Durchschnitt und es ging vielleicht etwas schneller als bei anderen. Aber es hat einfach alles gepasst.“ Auch Volker Ziegler schwärmt von der „rasanten Leistungssteigerung“ der jungen Nationalspielerin. „Dass es im Para-Tischtennis jemand in knapp vier Jahren zu den Paralympics schafft, ist eher die Seltenheit. Jana ist ein intelligentes und für ihr Alter bereits sehr aufgeräumtes Mädchen. Sie weiß, was sie will – auch am Tisch. Ihr Spiel verfügt über eine sehr hohe Variabilität, sie ist für ihre Gegnerinnen schwer auszurechnen“, betonte der Bundestrainer jüngst gegenüber dem DBS.

24-Stunden-Assistenz im Alltag, Studium in Stuttgart und Tübingen

Der Sport spielte im Leben von Jana Spegel schon immer eine große Rolle. Als Kind ging es zunächst zum Handball und zum Klettern, bedingt durch ihre neuromuskuläre Erkrankung zum Rollstuhlbasketball und später dann zum Tischtennis. Die Diagnose erfolgte im Alter von zwölf Jahren. Der Verlauf: ein schleichender Prozess. Spegel fiel es immer schwerer, zu laufen. Ausdauer und Kraft ließen nach, wodurch sie heute auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Mit einer 24-Stunden-Assistenz gelingt es ihr, den Alltag zu meistern. „Zum Glück ist es nicht mehr so schnell fortschreitend wie früher. Ich bin einfach froh, dass Tischtennis ein für mich machbarer Sport ist und ich den Umstieg so gut geschafft habe“, sagt die deutsche Jugend-Vizemeisterin von 2021.

Im Eiltempo schaffte Spegel den Sprung in die Nationalmannschaft und ins Rollstuhl-Tischtennis-Zweitliga-Team in Frickenhausen. Zeit für Einsätze im Regelsport bleibt durch ihr Medizintechnik-Studium, die Lehrgänge und regelmäßigen internationalen Turniere kaum. Seit ihrem 1,0er-Abitur pendelt die frühere Internatsbewohnerin zwischen den Universitäten in ihrer Heimat Stuttgart und Tübingen hin und her. Das fünfte Semester steht vor der Tür, zumindest bis zum letzten Paralympics-Tag am 7. September werden die Bücher aber noch im Schrank liegen bleiben müssen.

Mixed mit Valentin Baus, Familie und Freunde unterstützen

Im Kampf um die Medaillen geht Spegel im Einzel, im Doppel mit Sandra Mikolaschek sowie im Mixed mit Valentin Baus an den Start. Die Umklassifizierung vor drei Monaten von der Wettkampfklasse 1 in Wettkampfklasse 2 hat zumindest im Einzel keine Auswirkungen, denn in Paris sind beide Klassen zusammengelegt. Im Damen-Doppel werden Spegel/Mikolaschek allerdings nicht mehr in der WD5-Klasse, sondern fortan in der WD 10 spielen: „Das beschäftigt einen schon, weil im Para Sport einfach alles darauf aufbaut. Ich muss damit leben. Langfristig weiß man nie, wie die Konsequenzen sind, weil im Leistungssport alles kurzfristig durchdacht ist.“ 

Wie ihre Mitstreiter hält sich die 21-Jährige in Sachen Zielsetzung noch bedeckt. „Im K.-o.-System kann alles passieren. Ich möchte einfach meine Leistung abrufen.“ Intensive Vorbereitungslehrgänge, Medientag und Einkleidung – der Trubel war schon in den vergangenen Monaten groß. Bevor Jana Spegel ab der kommenden Woche vor ihrem sportlichen Höhepunkt komplett im Rampenlicht stehen wird, gilt es zuhause noch mal richtig durchzuschnaufen. „Es geht an die letzten Feinheiten. Dann gibt es noch ein paar Tage Ruhe“, sagt sie. Auf Unterstützung kann Spegel bei ihrem Debüt auf alle Fälle zählen. Ihre Eltern und ein paar Freunde nehmen den kurzen Weg ins Nachbarland ebenfalls auf sich. Sollte doch noch etwas Luft sein, möchte die Nationalspielerin sich noch andere Sportarten anschauen und zudem Paris erkunden. Die französische Hauptstadt hatte sie bisher nämlich auch noch nicht gesehen.  

Lesen Sie auch die Interviews mit Valentin Baus und Volker Ziegler.

(FKT)

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