Olympia 2024

Blog: Es bräuchte mehr Moregardhs

Der Stopblock: Mit Schlägen wie diesen überrascht Truls Moregardh seine Gegner

05.08.2024 - Truls Moregardh begeisterte bei den Olympischen Spielen mit seinem Sieg über den Weltranglistenersten Wang Chuqin und dem Gewinn von Einzel-Silber. Redakteurin Susanne Heuing erklärt in ihrem Blog, warum es kein Zufall war, dass einem Spielertypen wie Moregardh dieser Coup gelang - und weshalb sie dem Schweden so gerne beim Spielen zusieht.

Truls Moregardh schlägt bei den Olympischen Spielen die Nummer eins der Welt, Wang Chuqin. Wer hätte das gedacht? Ich offen gestanden nicht unbedingt. Das Zweitrunden-Match des Schweden gegen den Topfavoriten hätte ich deswegen sogar fast verpasst, weil ich an jenem Morgen etwas später Richtung Halle aufgebrochen bin, im festen Glauben, nichts Weltbewegendes zu verpassen. Als ich dann in der Tram sah, dass der Schwede 2:0 in Führung liegt, habe ich die Beine in die Hand genommen… und schließlich eine der größten Sensationen, die es in der Geschichte der Tischtennis-Wettbewerbe bei Olympischen Spielen je gab, in der Halle miterleben dürfen.

Mit Moregardhs Sieg stand früh fest, dass diesmal nach vier rein chinesischen Olympia-Einzel-Finals bei den Herren (und den Damen sowieso) auch ein nicht aus China stammender Spieler im Endspiel stehen würde. Der Schwede, der es schließlich selbst ins Endspiel von Paris schaffte, beschenkte mit seinem Coup nicht nur sich selbst, sondern hat der ganzen Sportart damit etwas Gutes getan – denn die Konstellation im Finale erregte viel mehr Aufmerksamkeit als ein neuerliches Endspiel zwischen zwei Chinesen auf sich gezogen hätte.

In puncto Spielwitz und Kreativität hat Moregardh vielen Spielern etwas voraus

Dass es ausgerechnet Moregardh, aktuell „nur“ die Nummer 26 der Welt, gelang, den topgesetzten Wang Chuqin zu stoppen, mag auf den ersten Blick überraschen, besonders angesichts der 0:8-Bilanz (bei 3:27 Sätzen!) gegen den Weltranglistenersten, die der Schwede mit in das Duell brachte. Zufall aber, dass einem Spielertypen wie Moregardh, von denen es im internationalen Spitzentischtennis nur wenige gibt, die Olympia-Sensation gelang, war es gewiss nicht. Die Spieler des Rekord-Weltmeisters mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, ist nur schwer möglich. Mit seiner Kreativität und seinem Spielwitz hat Moregardh aber Qualitäten, auf die die Chinesen sich schlecht vorbereiten können. Der 22-Jährige spielt oft unerwartete Platzierungen, bisweilen mit Schlagtechniken, die in keinem Lehrbuch stehen, hat noch dazu den Kopf für die großen Spiele. Gerne bereiten sich Chinas Stars auf große Matches mit Sparringspartnern vor, die den Spielstil des kommenden Gegners nachahmen. Moregardh aber dürfte nur schwer zu imitieren sein.

Ein Snakeshot, der alle zum Lachen bringt  auch Fan Zhendong

Spieler mit Attributen, wie Moregardh sie hat, könnte die internationale Tour mehr vertragen, nicht nur wegen des Potenzials, den übermächtigen Chinesen mittels eher unkonventionellen Mitteln beikommen zu können. Seine Matches sind höchst unterhaltsam, weil man selten weiß, was im nächsten Moment wohl passieren wird. Das beste Beispiel war ein Ball in der Schlussphase des Finals gegen Fan Zhendong, Moregardh spielte einen Snakeshot mit soviel Rückwärtsdrall, dass der Chinese sich vergeblich streckte und bei seinem misslungenen Versuch, den Ball noch zu erreichen, ein bisschen unbeholfen aussah. Selbst der sonst am Tisch so humorlos wirkende Fan musste in dieser Situation lachen. 

Wie an diesen Zeilen unschwer zu überlesen, bin ich Fan von Moregardh und seinem Spiel. Morgen, wenn die deutschen Herren – einen Sieg heute gegen Kanada vorausgesetzt – gegen Schweden im Team-Viertelfinale antreten, drücke ich natürlich trotzdem Dang Qiu, Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll die Daumen. Aber bis hierhin: Merci, Truls! (sue)

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