Buntes

Erik Schreyer: "Wir haben eine Euphorie ausgelöst"

Mühlhausens Trainer Erik Schreyer freut sich auf seine neuen hochkarätigen Schützlinge (©Pixo)

12.07.2024 - Die Top-Chinesen Liang Jingkun und Lin Gaoyuan stoßen in der kommenden Champions-League-Saison zum Post SV Mühlhausen. Mit diesem Coup überraschten die Thüringer in dieser Woche Tischtennis-Deutschland. Trainer Erik Schreyer erzählt im Interview, wie diese Transfers zustandekamen, wie der Verein das finanziert und wie oft man die beiden Chinesen denn dann wirklich in der Thüringer Halle beobachten darf.

myTischtennis.de: Mit der Verpflichtung von Liang Jingkun und Lin Gaoyuan für die Champions League ist dem Post SV Mühlhausen ein Riesencoup gelungen. Dabei wart ihr bislang eher nicht für große Wechsel, sondern eher für Konstanz im Team bekannt. Warum habt ihr euch nun zu diesem Doppel-Transfer entschieden?

Erik Schreyer: Man fragt sich natürlich immer, wie man neue Reize für unsere Partner und Fans setzen kann. Und die Champions League ist bei uns in der Region sehr gut angekommen. Im letzten Jahr konnten wir nicht teilnehmen, weil unsere Spieler verletzungsbedingt nicht einsatzfähig waren, aber dieses Jahr wollen wir wieder mitspielen. Die Belastung wäre für unser Kernteam aber zu groß, also brauchten wir ein bis zwei Spieler zur Unterstützung - auch damit das Stammpersonal ein bisschen durchwechseln und gut mit den Kräften für unser Kerngeschäft, die TTBL, haushalten kann.

myTischtennis.de: Wie kam es dann ausgerechnet zu diesen beiden hochkarätigen Transfers?

Erik Schreyer: Ich habe einen guten Draht zum ehemaligen Ochsenhausener Trainer Fu Yong, der schon früher mal gesagt hat: Wenn ihr Interesse an chinesischen Spielern habt, kann ich bestimmt einen Kontakt herstellen. Also habe ich ihn gefragt und irgendwann bot er mir diese beiden Namen an. Ich musste zweimal hinhören, ob das wirklich sein Ernst ist, dass wir diese beiden absoluten Topspieler bekommen können - das war einfach der Wahnsinn. Dann nahm das Ganze immer mehr Formen an, man sprach über die Rahmenbedingungen, das Finanzielle. Und ich habe gemerkt: Das ist machbar. Wir können die beiden verpflichten und was ganz Großes schaffen. Wir haben dann mit dem chinesischen Verbands-Vizepräsidenten gesprochen und Anfang Juni hatten wir den unterzeichneten Vertrag vorliegen. Das ist die Krönung unserer Entwicklung, die wir in den letzten zwölf Jahren genommen haben.

myTischtennis.de: Voriges Jahr habt ihr euch bewusst gegen eine solche Legionärslösung entschieden, weil das nicht zu eurem Stil als kleiner Verein passte. Wie kam es zum Sinneswandel?

Erik Schreyer: Am Ende weiß, glaube ich, jeder, dass wir auf Konstanz aus sind und Spieler aussuchen, die in den Verein passen und sich damit identifizieren. Aber letztlich geht es nicht anders, was auch die Beispiele Saarbrücken und ein paar französische Mannschaften zeigen. Man muss variieren. Wir spielen Pokal, TTBL, Champions League und die Spieler sind international unterwegs. Dafür braucht man einen großen Kader. Und wenn man dann die Chance bekommt, die Besten zu verpflichten, dann ergreift man sie.

myTischtennis.de: Im Netz waren die Reaktionen bislang sehr unterschiedlich. Die einen feiern es, dass zwei Top-Chinesen für einen deutschen Verein spielen, die anderen sehen zwei Legionäre, die nichts mit Mühlhausen zu tun haben. Was hältst du dem entgegen?

Erik Schreyer: Wie schon gesagt: Man braucht einen großen Kader, wenn man Topspieler integrieren will, weil sie wegen ihrer internationalen Verpflichtungen immer weniger in den Vereinen spielen. Also ist es nun oft so, dass, wenn man Topspieler holt, diese nicht für die ganze Saison verpflichtet werden. Neu-Ulm war mit Dimitrij Ovtcharov, Tomokazu Harimoto, Lin Yun-Ju und Truls Moregardh ein extremes Beispiel. Da wurde dann auch gesagt, dass das nichts mehr mit Vereinskultur zu tun hat. Aber unsere Strukturen sind ja immer noch da. Man muss das Ganze auch unternehmerisch sehen, der Post SV ist auch ein Produkt. Und man muss den Partnern immer was Neues anbieten, damit sie, die Region und die Stadt, zufrieden sind. Mit diesen beiden Königstransfers haben wir nun eine Euphorie ausgelöst. Die Region hat es verdient, solche Highlightspiele zu bekommen. Und jeder in Tischtennis-Deutschland sollte sich freuen, dass nach 20 Jahren noch mal Top-Chinesen in Deutschland spielen, dass die Champions League vielleicht einen interessanteren Ausgang hat, dass die Sportart attraktiver wird. Man darf auch nicht vergessen, dass ja immer nur einer der Chinesen spielen darf. Somit haben wir nur unsere Spitze vergoldet, das Gesicht der Mannschaft bleibt aber gleich. Es wird immer Neider geben, aber wir haben uns das über die Jahre verdient, uns macht das stolz.

myTischtennis.de: Wie kann der Post SV diese Transfers finanzieren?

Erik Schreyer: Wir haben direkt, nachdem das Angebot kam, Sitzungen mit unseren Premiumsponsoren gehalten. Die waren sehr begeistert und haben uns ihre Unterstützung zugesagt, was direkt schon mal eine große Hilfe war. Wir haben das Glück, sehr viele Sponsoren zu haben und auch unsere kleinen Partner gaben uns die Sicherheit. So mussten wir die Chinesen nicht lange warten lassen, zumal wohl auch andere europäische Vereine schon ihr Interesse bekundet hatten. Bezahlt werden die beiden pro Spiel, so dass man das schon jetzt gut kalkulieren kann. Außerdem wird es nun, da wir die Transfers veröffentlicht haben, leichter, auf chinesische Firmen mit Sitz in Deutschland zuzugehen. Wir sind davon überzeugt, dass da noch so mancher auf den Zug aufspringen und das Projekt unterstützen möchte. Unser Social-Media-Post zu den Transfers hat weit über 100.000 Konten erreicht, da müssen wir uns nicht verstecken. Somit ist es unser Ziel, in den nächsten Wochen noch den einen oder anderen großen Fisch zu angeln. 

myTischtennis.de: Wie oft werden die beiden denn laut Vertrag zum Einsatz kommen?

Erik Schreyer: Wir müssen zunächst in die Quali, wo wir in einer Vierergruppe an drei Tagen um das Weiterkommen kämpfen. Hier qualifizieren sich die ersten beiden für das Achtelfinale, wo auch die gesetzten Mannschaften einsteigen. Bis zum Final Four müssen die beiden jeweils zwei Einsätze vorweisen können, um dort mitspielen zu dürfen. Noch ist nicht sicher, ob wir sie schon in der Quali einsetzen oder erst ab dem Achtelfinale. Aber so oder so soll jeder auf mindestens zwei Einsätze kommen, damit ich im Final Four dann die Qual der Wahl habe.

myTischtennis.de: Wie wird solch ein Spieltag ablaufen, an dem Lin oder Liang teilnehmen? Reisen sie nur für das Spiel an oder ist ein längerer Aufenthalt mit gemeinsamen Trainingsphasen etc. damit verbunden?

Erik Schreyer: Fu Yong wird uns in der Champions League unterstützen und gemeinsam mit mir das Trainerduo für die Königsklasse bilden. Die Chinesen werden dann mindestens eine Woche hier sein, alleine schon um den Jetlag zu überwinden, und die Hin- und Rückspiele werden im Achtelfinale eng beieinander liegen. Vielleicht werden sie dann auch mal in Saarbrücken oder Düsseldorf mittrainieren, damit sie die bestmöglichen Trainingspartner haben. Und ich verfolge als Trainer natürlich auch den Ansatz, sie gut auf ihre Gegner vorzubereiten, auch wenn die beiden natürlich schon nahezu perfekt spielen. 

myTischtennis.de: Mit welcher Kampfansage startet ihr also in die Champions-League-Saison?

Erik Schreyer: Ich bin ja ein Trainer mit viel Selbstvertrauen und zähle uns zu den besten Teams der Saison. Man kann natürlich nicht immer erwarten, dass derjenige der beiden, der im Einsatz ist, in jedem Spiel zwei Punkte macht, denn auch sie haben Druck, schließlich gab es das seit 20 Jahren nicht mehr. Aber wir sind auch hinter den Chinesen stark besetzt. Das ist für mich ganz wichtig: Unser Kernteam darf sich jetzt nicht ausruhen, wir müssen konstant als Mannschaft auftreten. Unser Hauptziel ist, das Final Four zu erreichen. Und wenn wir das geschafft haben, wollen wir um den Titel mitspielen.

(JS)

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