Buntes

‚Tischtennis Ali‘ mit spannendem DM-Anti-Experiment

Mal glatt, mal Anti: Ali-Serdar Gözübüyük bei den TT-Finals in Erfurt. (©Gohlke)

24.06.2024 - Stellen Sie sich vor, Sie haben immer schon mit glatten Belägen gespielt, tauschen einen davon gegen einen Anti-Top aus und starten damit auch noch in ein wichtiges Turnier. Klingt verrückt? Nicht so für Ali-Serdar Gözübüyük. Der Drittligaspieler von den Füchsen Berlin hat genau das bei den deutschen Meisterschaften in Erfurt gewagt. Wie das Experiment weitergeht und wie der bekannte Tischtennis-YouTuber seine Community unterhält, lesen Sie im Porträt.

Die Wünsche nach Autogrammen und Selfies waren in Erfurt so groß wie nie zuvor. Ali-Serdar Gözübüyük durfte sich bei den TT-Finals in Erfurt so fühlen, wie es ansonsten nur deutsche Nationalspieler tun, wenn sie eine gut besuchte Halle betreten. Der Grund für die Begehrlichkeiten führt ins Jahr 2022 zurück, als der frühere Zweitligaspieler seinen YouTube-Kanal ‚Tischtennis Ali‘ ins Leben rief. Inzwischen sind 125 Videos online, mit denen der 35-Jährige seine knapp 3.100 Abonnenten regelmäßig auf dem Laufenden hält, um den Sport durch Trainingsinhalte und Wettkampfclips noch populärer zu machen. Seinen Fans gefällt das. „Dieses Jahr war es schon extrem. Mein Mannschaftskamerad konnte kaum neben mir laufen, weil ich an dem Wochenende bestimmt 70 bis 80 Fotos gemacht habe. Das war anstrengend, aber auch schön“, sagt Gözübüyük.

Carlos Mühlbach als Vorbild, DM-Anti-Experiment mit wenig Training

Die Begeisterung auf den Zuschauertribünen entfachte nicht von ungefähr. Denn im Vergleich zu seinen bisherigen sechs Teilnahmen standen die siebten deutschen Meisterschaften des Berliners unter einem besonderen Stern. Er ging mit einem Rückhand-Anti-Top an den Start und tauschte diesen im Turnierverlauf gegen seinen gewohnten Schläger mit glatten Belägen. Das Spiel mit dem Anti-Top war eine verrückte Idee, die sich Gözübüyük im Februar bei den Norddeutschen Meisterschaften am Mittagstisch mit Carlos Mühlbach in den Kopf gesetzt hatte. „Er hat es mit diesem Spielsystem in fünf bis sechs Jahren von 2100 auf 2300 TTR-Punkte geschafft. Das hat mich fasziniert. Als er meinte, dass er mir das bei meinem Ballgefühl auch zutrauen würde, hat er mich zum Nachdenken gebracht“, erklärt Gözübüyük. Der Deutsch-Türke fackelte nicht lange und nahm sich der speziellen Herausforderung an.

Zum Start der Sommerpause begann die Anti-Testphase. Als der Rechtshänder im Frühjahr ein Turnier gewann, bei dem auch einige Dritt- und Regionalligaspieler mitmischten, war der Ehrgeiz groß genug, es auch bei den ‚Deutschen‘ zu versuchen. Ohne viel Training waren die sportlichen Erwartungen in der Messehalle Erfurt für den Nachrücker nicht wirklich hoch. Auch wenn der Spaß im Vordergrund stand, machte sich im ersten Gruppenspiel gegen Benno Oehme mit dem Anti-Schläger reichlich Anspannung breit. „Ich habe an Tisch 1 gespielt und hatte schon eine Eisenhand, zumal Carlos Mühlbach noch hinter der Bande stand. Im zweiten Einzel und im Doppel habe ich dann wieder mit griffigen Belägen gespielt. Das wollte ich Gerd Richter nicht antun“, scherzt Gözübüyük, der das Einzel-Achtelfinale letztlich deutlich verpasste, mit dem Einzug ins Doppel-Viertelfinale an der Seite des ältesten Teilnehmers jedoch zufrieden sein konnte. 

Zuspruch von den Profis, mit 13 vom Fußball zum Tischtennis

Und wie fiel das Anti-Fazit aus? „Die Taktik und das Mindset ändern sich durch die neuen Schläge komplett. Es ist viel schwieriger als mit einer langen Noppe. Man braucht sehr viel Gefühl und Verständnis sowie Fleiß“, resümiert Gözübüyük. Noch soll das Experiment nicht beendet sein. ‚Tischtennis Ali‘ möchte sich auch in den nächsten Monaten weiter mit dem Anti versuchen. Ein entscheidender Unterschied: Anders als viele Amateurspieler nutze der 35-Jährige den Belag nicht, um Punkte zu erzielen, sondern um seine starke Rückhand durch geplante Rhythmuswechsel zu unterstützen. „Viele spielen einen Anti, weil sie gar keine Rückhand haben. Bei mir ist das genau andersrum“, stellt der Familienvater klar. Ihm sei durchaus bewusst, dass er mit dem umgestellten Spiel zwei Klassen schlechter sei. „Aber ich hatte einfach Lust, etwas Neues auszuprobieren und wollte es nicht irgendwelchen Anderen, sondern einfach nur mir selbst beweisen. Wenn man mutig ist und viel Zeit investiert, kann das jeder schaffen.“ Zuspruch für den nicht alltäglichen Schritt gab es über die sozialen Medien auch vom baldigen Grenzauer Luka Mladenovic sowie von Patrick Franziska, den Gözübüyük bereits aus Jugendtagen kennt.  

Aktuell genießt der gebürtige Reinickendorfer die tischtennisfreie Zeit im Kreise seiner Familie. Im April glückte dem Drittligaspieler mit den Füchsen Berlin zum fünften Mal in Folge der Klassenerhalt. Dass er überhaupt irgendwann mal bei den deutschen Meisterschaften mit dabei sein würde, war vor über 20 Jahren noch nicht abzusehen. Mit 13 fand der heutige Joola-Spieler verhältnismäßig spät den Weg in die Tischtennishalle. Sein Vater ist ehemaliger türkischer Zweitligafußballer. Bei der EM schlagen derzeit zwei Herzen in seiner Brust. Ali und sein älterer Bruder kickten bei Hertha BSC in der Jugend, bei den Füchsen sogar mit Kevin-Prince Boateng zusammen. „Ich war auch ein sehr guter Fußballer. Als es Stress mit dem Trainer gab, bin ich über meinen Jugendklub zum Tischtennis gekommen“, erinnert sich Gözübüyük. Sein Talent führte ihn über die Oberliga bis in die 3. Liga. Ans Aufhören denkt er nicht. Man darf gespannt sein, was sich der DM-Dauerbrenner für die zweite Auflage der TT-Finals in Erfurt an Pfingsten 2025 einfallen lässt. 

Zur TTR-Historie von Ali-Serdar Gözübüyük.
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(FKT)

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