Buntes

Alexandra Kaufmann - Coach, Studentin, Schwester

Alexandra Kaufmann erlebte auch abseits des Tischs eine packende DM in Erfurt. (©Fuhrmann/SV Böblingen)

20.06.2024 - Hinter Alexandra Kaufmann liegen kräftezehrende Tage bei den TT-Finals in Erfurt. Während ihre vier Jahre jüngere Schwester Annett am vergangenen Wochenende ihren ersten DM-Titel im Damen-Einzel feierte, war die frühere Bundesligaspielerin als Livestream-Kommentatorin und Coach hinter der Bande gefragt. Im Interview mit myTischtennis.de spricht die 22-Jährige über den Erfolgslauf ihrer Schwester, ihre eigene Tischennis-Laufbahn und ihre besonderen Erfahrungen als Trainerin.

Wenig Schlaf, viel Arbeit. Obwohl sie selbst nicht mitspielte, stand Alexandra Kaufmann bei den TT-Finals in Erfurt am vergangenen Wochenende vier Tage unter Dauerstrom. Am Donnerstag und Freitag hörte man sie von morgens bis spät abends am Kommentatoren-Mikrofon bei der Übertragung der Jugend-19-Wettbewerbe im DTTB-Livestream auf YouTube, am Samstag und Sonntag coachte sie ihre TTBW-Spielerin Fatme El Haj Ibrahim zur Bronzemedaille im U15-Mädchen-Einzel. Den ersten deutschen Damen-Meistertitel ihrer jüngeren Schwester Annett konnte die 22-Jährige aber noch rechtzeitig in der Messehalle 1 verfolgen. „Das ist schon ein Meilenstein für jede Profispielerin“, findet Kaufmann. Aus Thüringen ging es direkt weiter zum nächsten Trainerlehrgang nach Düsseldorf, am Dienstag dann in die Uni ins vom Elternhaus 15 Kilometer entfernte Ludwigsburg. Eine stressige Woche für die frühere Bundesligaspielerin der SV Böblingen, die ab Sommer für SU Neckarsulm in der 3. Bundesliga Süd sowie in der Regionalliga Südwest aufschlägt. 

Lehramtsstudium in Ludwigsburg, spannende Einblick durch Trainer-Förderkonzept

Spätestens mit dem Beginn ihres Lehramtsstudiums der Fächer Geschichte und Sport für die Sekundarstufe 1 haben sich die Prioritäten für die einstige Bundesfreiwillige des TTBW ein Stück weit verschoben. Ende des Jahres steht die Bachelorarbeit an. Auch im Tischtennis hat die 22-Jährige seit 2018 schon einige Prüfungen absolviert. Durch Zufall geriet die damalige Jugend-Nationalspielerin im Alter von 16 Jahren auf die Trainerschiene. „Uns Kaderspielern wurde damals die C-Lizenz angeboten. Die hat so viel Spaß gemacht, dass wir mit einer Freundesgruppe schon im Jahr darauf die B-Lizenz gemacht haben“, erinnert sich Kaufmann. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag mitten in der Corona-Pandemie entschied sich die gebürtige Landshuterin dann gegen eine Profi-Laufbahn und für eine Karriere als Trainerin.

„Ich hätte sehr viel opfern müssen. Es gibt viele Spielerinnen, die in der Jugend als große deutsche Hoffnungen galten und es schwer haben, international fußzufassen“, meint Kaufmann. Von 2021 bis 2023 folgte dann der nächste Schritt zur A-Lizenz, die die 22-Jährige als eine der jüngsten Teilnehmerinnen überhaupt erfolgreich abschloss. Nach der bestandenen Fortbildung wurde die Baden-Württembergerin Teil des bis Anfang 2025 laufenden DTTB-Förderkonzepts 2.0. Das Programm ermöglichte der Studentin unter anderem einen Besuch in Montpellier, der Heimat der französischen Ausnahmetalente Félix und Alexis Lebrun. Auch Medienschulungen und diverse Auffrischungen verschiedener Inhalte gehören zum Alltag der Maßnahme dazu. Nach den Olympischen Spielen steht voraussichtlich eine Hospitation bei der rumänischen Damen-Nationalmannschaft an, um den „spannenden Vergleich“ zwischen den verschiedenen Tischtennis-Nationen kennenzulernen.

Keine Starallüren: Sportlerfamilie Kaufmann bleibt bodenständig

Ihrer Haupttrainertätigkeit geht die werdende Lehrerin jedoch unweit ihrer Heimat in Bietigheim-Bissingen, am TTBW-Landesstützpunkt in Böblingen, nach. Zwei- bis dreimal die Woche trainiert Alexandra Kaufmann dort Nachwuchsspielerinnen und -spieler zwischen zwölf und 19 Jahren. Studium und Trainerjob lassen sich somit gut miteinander kombinieren. „Ich wollte schon immer Lehrerin werden und mit Kindern zusammenarbeiten“, sagt Kaufmann, deren Schwester Annett in der Gruppe schon zu den Älteren gehört - auch wenn sie durch das Abitur, die vielen Reisen und ihren Wechsel nach Kolbermoor nicht mehr regelmäßig in der Heimat ist. In Kürze wird die Nationalspielerin ihr Zeugnis in den Händen halten und befreit in die Profi-Karriere starten können. „Wir als Familie sind alle gespannt, was noch passieren wird und werden sie auf einem bodenständigen Niveau versuchen, weiter so gut es geht zu unterstützen“, versichert Alexandra, die auch im Sport immer versucht hat, als ältere Schwester die Vorbildfunktion zu erfüllen.

Ein prägendes Erlebnis seien die baden-württembergischen Jugend-Meisterschaften vor sechs oder sieben Jahren gewesen, als beide gemeinsam die Doppel-Konkurrenz gewannen. „Es war nicht immer einfach, wenn du merkst, dass die kleine Schwester immer besser wird. Aber ab dem Moment konnte ich mich damit anfreunden und habe gemerkt, dass sie das Potenzial hat, viel höher zu gehen als ich“, so Kaufmann. „Als ich jünger war, habe ich Annett gar nicht so gut wahrgenommen. Wenn ich mir heute alte Videos von ihr anschaue, sieht man ihr Talent schon. Damit meine ich nicht nur das Ballgefühl, sondern auch, dass sie Dinge im Vergleich zu anderen schon immer sehr schnell anpassen und korrigieren konnte.“ Mit Alexandra als Einspielerin am Balleimer stehen die Schwestern gelegentlich noch gemeinsam am Tisch. „Beim Blocken oder Verteilen funktioniert es auch noch. Beim Aufschlag/Rückschlag komme ich dann ans Limit. Da fliegen mir die Kanonen nur so um die Ohren“, scherzt die ältere Schwester.

„Annett ist viel schneller erwachsen geworden“

Ein großer Dank mit Blick auf den steilen Aufstieg und die Entwicklung von Annett gebühre zum einen ihrem ersten Trainer Momcilo 'Moca' Bojic vom Heimatverein TTC Bietigheim-Bissingen sowie Damen-Bundestrainerin Tamara Boros. „Moca Bojic hat sehr viel Zeit und Energie investiert. Und dass 'Tami' Annett in der Nationalmannschaft so früh das Vertrauen geschenkt hat, ist absolut nicht selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, ich spreche nicht mit einer 18-Jährigen, sondern mit einer Gleichaltrigen. Sie ist viel schneller erwachsen geworden“, sagt Alexandra Kaufmann.

Nicht nur wegen ihrer vier Jahre jüngeren Schwester, sondern auch durch ihre Jugendspielerin Fatme El Haj Ibrahim denkt sie oft und gerne an die eigene Jugendzeit zurück. „Man merkt einfach, wie schnell die Zeit vergeht. Ich habe selbst in meinem letzten Schülerinnenjahr U15-Bronze bei der DM geholt. Daher war ihre Bronzemedaille am Sonntag schon ein persönliches Ereignis für mich. Ich trainiere Fatme schon seit sechs Jahren. Ich habe sie auch für ein Videoprojekt während meiner Trainerausbildungen ausgewählt.“ Aussagen wie diese belegen: Alexandra Kaufmann brennt für ihren Job als Trainerin. So wie bei ihrer Schwester als aktive Spielerin darf man auch bei der 22-Jährigen gespannt sein, wo der Weg eines Tages hinführen wird. 

Zur TTR-Historie von Alexandra Kaufmann.
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(FKT)

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