11.04.2024 - Die Entscheidung ist seit wenigen Tagen gefallen: Timo Boll wird im Sommer an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen, Patrick Franziska wird nur als Ergänzungsspieler mitfahren. Im Interview mit der myTischtennis.de-Redaktion erzählt Bundestrainer Jörg Roßkopf, was am Ende den Ausschlag gegeben hat, inwiefern man vor oder während des Turniers noch einen Spieler austauschen kann und wie nun der Plan fürs Doppel aussieht.
myTischtennis.de: Um die Entscheidung, wer in diesem Jahr für Deutschland zu den Olympischen Spielen fahren darf, haben dich sicher nicht viele beneidet. Wie leicht ist dir die Wahl gefallen?
Jörg Roßkopf: Die Entscheidung war natürlich sehr, sehr hart. Das war auch schon klar, als wir den „Run to Paris“ vor einem Jahr eröffnet haben. Wir wussten, dass sich die Situation immer wieder verändern kann, neue Ideen und Ergebnisse dazukommen werden. Wir haben oft darüber gesprochen und es uns nicht leicht gemacht, aber am Ende mussten wir eine Entscheidung treffen. Ein paar Trainerkollegen aus dem Ausland meinten in den letzten Monaten zu mir: Wow, das ist eine schwere Entscheidung. Das stimmt, habe ich da gesagt, aber letztlich bin ich ja froh, dass wir so eine schwere Entscheidung treffen können, weil unsere Spieler zum Glück so stark sind, dass sich die Mannschaft nicht von alleine aufstellt. Für die Spieler ist die Situation auf der anderen Seite aber natürlich sehr schwierig.
myTischtennis.de: Wie kann man sich den Entscheidungsprozess während dieses „Runs to Paris“ denn vorstellen? Wer war daran beteiligt und wer hat am Ende entschieden?
Jörg Roßkopf: Das hat unser Trainerteam - Lars Hielscher, Xiaoyong Zhu und ich - gemeinsam mit Sportdirektor Richard Prause besprochen und entschieden. Wir haben den Jungs Anfang 2023 gesagt, dass wir unsere Entscheidung nach der Team-WM 2024 in Korea fällen werden, und in der Zeit hatten sie ihre Chance, sich ins Team oder ins Einzel zu spielen.
myTischtennis.de: Am Ende hatte Patrick Franziska wohl die schlechtesten Argumente - und das, obwohl er vor Kurzem noch Ma Long geschlagen hat. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, ihn nur als Ergänzungsspieler mitzunehmen? Was war am Ende ausschlaggebend?
Jörg Roßkopf: Im Endeffekt haben wir keine Spiele hoch und runter gerechnet. Wir haben Timos gute Leistungen im Januar und im März beim Singapore Smash gesehen und dann die Entscheidung getroffen, etwas mehr auf den Punkt Erfahrung zu setzen. Aber man kann das in alle Richtungen diskutieren. Argumente zu bringen, war in dieser Situation, wo wir zwei gleich starke Spieler haben, fast unmöglich. ‚Franz‘ hat unsere Entscheidung sehr professionell aufgenommen. Aber ob es die richtige war, wissen wir erst nach Paris. Und selbst dann weiß man nicht, wie es gelaufen wäre, wenn er die Nummer drei gewesen wäre.
myTischtennis.de: Das heißt, die Entscheidung fiel am Ende nur zwischen Patrick Franziska und Timo Boll? Die anderen beiden standen fest?
Jörg Roßkopf: Genau.
myTischtennis.de: Dimitrij Ovtcharov hat in diesem Jahr noch keine Bäume ausgerissen, auf der anderen Seite hat er bei Olympischen Spielen bisher immer geliefert. Wie sieht euer Plan für die nächsten Monate aus, dass er auch diesmal wieder in Topform ist, wenn es nach Paris geht?
Jörg Roßkopf: Wir haben vollstes Vertrauen in Dima sowie in alle Spieler, die wir nominiert haben, und hoffen, dass sie alle in Topform sein werden. Wir wissen, dass wir eine verletzungsanfällige Mannschaft haben, also haben wir Patrick auch gesagt, dass er sich hundertprozentig auf die Spiele vorbereiten muss. Vor Paris haben wir einen vierwöchigen Lehrgang und auch noch ein paar Turniere. Aber im Endeffekt möchte ich, dass die Spieler wenige Turniere bestreiten, viel im Training sind und sich hier in Ruhe vorbereiten können, so wie wir es bisher immer vor den Olympischen Spielen gemacht haben. Die ganze Reiserei, die wir aktuell machen, ständig nach Asien und zurück zu fliegen, ist eine absolute Katastrophe. Für die Asiaten ist das kein Problem, für uns aber schon.
myTischtennis.de: Die Verletzungsanfälligkeit, die du ansprichst, war in der Vergangenheit ja schon öfter ein Thema. Wie einfach ist es denn, einen bereits nominierten Spieler im Vorfeld oder während des Turniers auszutauschen?
Jörg Roßkopf: Das ist leider während des Turniers nicht so einfach. Einen kranken oder verletzten Spieler muss man bis sechs Stunden vor dem Spiel auswechseln. Aber es kann ja auch fünf oder zwei Stunden davor etwas passieren, zum Beispiel beim Einspielen. Und dann ist ein Wechsel nicht mehr möglich. Einfacher ist es, im Vorfeld des Turniers jemanden auszutauschen. Da ist für uns auch klar, dass wir keinen verletzten Spieler mitnehmen werden, der darauf hofft, rechtzeitig wieder fit zu sein. In dem Fall ziehen wir die Reißleine und das wissen die Spieler auch.
myTischtennis.de: Ohne Patrick Franziska im Team drängt sich nun auf den ersten Blick kein Doppel auf. Das wird aber im Mannschaftswettbewerb sehr wichtig sein, weil jede Partie damit beginnt. Wie lautet euer Doppel-Plan?
Jörg Roßkopf: Natürlich haben wir da unsere Ideen, die aber noch nicht verraten werden. Alle vier sind gute Doppelspieler und wir werden nun verstärkt Doppel trainieren, um in Paris ein gutes Duo stellen zu können.
(JS)
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