24.01.2024 - Timo Boll hat mit seinem Turniersieg beim WTT Contender in Doha eindrucksvoll demonstriert, dass mit ihm weiterhin zu rechnen ist. Das gilt auch für die Vergabe der Startplätze für die Olympischen Spiele in Paris. Im myTischtennis.de-Interview erzählt der 42-Jährige, bei wie viel Prozent er sich selbst aktuell sieht, wie er den Sprung ins Olympia-Team meistern will und wie er die Rückschläge der vergangenen Monate mental weggesteckt hat.
myTischtennis.de: Du hast vorige Woche unter anderem Jang Woojin, Lin Yun-Ju und Tomokazu Harimoto geschlagen und ein WTT Contender gewonnen. Was von all diesen bemerkenswerten Dingen hat dich am meisten überrascht?
Timo Boll: Insbesondere meine wiedergewonnene Fitness hat mich selbst etwas beeindruckt. Ich habe die letzten Monate extrem viel an meiner Fitness gearbeitet und ich bin froh, dass ich mich nicht nur spielerisch entwickelt habe, sondern auch die Beweglichkeit am Tisch besser wurde. Ich hätte wirklich nicht gedacht, noch mal so viel mit der Vorhand zu umlaufen. Die Schulter hat sich zum ersten Mal wieder wie früher angefühlt und ich konnte mich deshalb auf das Wesentliche konzentrieren.
myTischtennis.de: Was hast du in dem Moment gefühlt, als du den Matchball gegen Harimoto verwandelt und damit nach deiner längeren internationalen Durststrecke dieses Ausrufezeichen gesetzt hattest?
Timo Boll: Es war einfach nur Freude. Freude darüber, noch mal dieses Gefühl zu erleben. Die letzten Monate waren wirklich hart. Ich musste mich selbst mit dem niedrigeren Niveau "arrangieren", das ich zu leisten imstande war, aber dennoch weiter gierig und fleißig bleiben, trotz vieler Rückschläge. Das war mental vielleicht die größte Leistung meiner Karriere.
myTischtennis.de: Wie schaffst du es, dich immer wieder neu zu motivieren, auch nach solchen Rückschlägen wie deiner Schulterverletzung?
Timo Boll: Ich liebe einfach diesen Sport. Mir macht es noch Spaß. Sieg und Niederlage waren nie der entscheidende Faktor in meiner Karriere. Vielmehr das Gefühl, das Beste aus mir rauszuquetschen.
myTischtennis.de: Du wirktest in Doha gut auf den Beinen, frisch im Kopf - bei wie viel Prozent siehst du dich selbst gerade?
Timo Boll: Viel besser kann man mit fast 43 wahrscheinlich nicht mehr spielen. Daher hoffe ich, die Form in den nächsten Wochen öfter abrufen zu können und weiterhin gesund zu bleiben. Auf diesem Niveau zu spielen und mich zu bewegen, ist sehr fordernd, daher werde ich sehr gut in meinen Körper hineinhorchen, wie dieser die Belastungen verkraftet.
myTischtennis.de: Du hast Ende 2023 gesagt, die nächsten zwei Monate würden bezüglich der Olympischen Spiele in Paris sehr wichtig. Was hast du für diese Zeit geplant, um den Sprung ins Olympia-Team zu meistern?
Timo Boll: Ich spiele aktuell sehr viel, um mich nicht nur spielerisch, sondern auch körperlich zu testen. Es stehen TTBL-Spiele an, dann geht es zum Feeder nach Manchester, danach die Team-WM in Busan. Und irgendwann wird dann ja auch nominiert…
myTischtennis.de: Hast du an deinem Olympia-Wunsch in den vergangenen Monaten selbst gezweifelt, als die großen internationalen Erfolge noch auf sich warten ließen?
Timo Boll: Ja, gezweifelt habe ich, da es zwar einige gute Ergebnisse gab, aber auch einige Rückschläge, die auch körperlich bedingt waren. Das hat mich dann besonders genervt, da ich so viel Zeit und Energie in mein Fitness- und Rehatraining investiert habe. Aber ich hatte zum Glück immer wieder die Energie, mich aufzuraffen und weiter ans Maximum zu gehen.
myTischtennis.de: Dimitrij Ovtcharov, Dang Qiu, Patrick Franziska und du - ihr alle hättet es verdient, in Paris zu spielen. Wie würdest du selbst diese schwierige Entscheidung treffen? Bist du in solchen Fragen ein Freund des sportlichen Vergleichs - so wie ja zum Beispiel die Japaner ihre Paris-Fahrer durch ein internes Ranking ermitteln?
Timo Boll: Ich beneide Rossi und Richard (Prause, DTTB-Sportdirektor, Anm. d. Red.) nicht, diese Entscheidung zu treffen. Ich bin mit allen Jungs gut befreundet und würde mich für sie freuen, auch wenn ich nicht dabei bin. Ich bin auch so schon innerlich sehr zufrieden mit mir, wie hart ich mich gequält habe, um das eigentlich Unmögliche zu schaffen. Jede Entscheidung werde ich daher akzeptieren. Aber ich will und werde es ihnen sehr, sehr schwer machen.
myTischtennis.de: Wie präsent ist die Frage der Olympia-Startplatzvergabe in eurem Team - etwa, wenn es im Februar zur Mannschaft-WM nach Korea geht?
Timo Boll: Man spürt jedem eine gewisse Anspannung an. Nicht im persönlichen Umgang, aber im Spiel ist jeder vielleicht etwas angespannter als sonst. Auf jeden Fall ein gutes Training für diejenigen, die am Ende nach Paris fahren dürfen. Zum anderen gibt jeder auch besonders viel Gas in der Vorbereitung. Von daher eine Win-Win-Situation für uns alle, auch wenn nur drei am Ende nominiert werden können.
(JS)
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