Mit Brille und Controller, aber ohne Ball und Schläger wurde am Samstag in Düsseldorf Tischtennis gespielt (©Fuhrmann)
13.01.2024 - Controller und VR-Brille statt Schläger - Fernseher statt Bälle. Am Samstag ist Tischtennis in die virtuelle Welt abgetaucht. Während die VR-Profis im ersten Finale der European Virtual Table Tennis Challenge der ETTU bei Gastgeber Borussia Düsseldorf ihren Sieger kürten, durften auch die Amateure das Virtual-Reality-Spiel „Eleven Table Tennis“ ausprobieren. Was die Unterschiede sind und was sich die Veranstalter vom Pionier-Event erhoffen, erfahren Sie hier.
Gekleidet sind sie wie normale Tischtennisspieler. Auch die Boxen mit den beleuchteten Tischen auf dem roten Boden von Rekordmeister Borussia Düsseldorf unterscheiden sich kaum von einem normalen Punktspiel. Benötigen würde man sie nicht, ebenso wenig wie Bälle und Schläger. Die Virtual-Table-Tennis-Community verlangt nichts anderes als eine VR-Brille samt Controller und die dazugehörige Software „Eleven Table Tennis“. Doch es soll mehr sein als nur ein Videospiel. Veranstalter und Ausrichter der European Virtual Table Tennis Challenge, die am Samstag in Düsseldorf ausgetragen wurde, erhoffen sich durch das spezielle Event noch mehr Aufmerksamkeit für Tischtennis auf einem anderen Weg.
Als Maik Reusner zu Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 nicht mehr in der Halle trainieren konnte, entdeckte der heutige Zweitplatzierte der VR-Tischtennis-Weltrangliste die virtuelle Alternative für sich. Der 35-Jährige mit dem Username „Aiphaton“ entwickelte schnell ein Gefühl für die Geräte. Im Viertelfinale der European Virtual Table Tennis Challenge war am Samstag für den früheren Landesligaspieler aus Niedersachsen Schluss, den Titel sicherte sich später der 19-jährige Top-Favorit Antonin "AnTo" Landreau aus Frankreich. Gegen seinen Teamkameraden 'im echten Leben' Nathan Denéchère holte sich die Nummer eins der Welt den Titel in einem nervenaufreibenden Finale, das über die volle Distanz ging.
40 Teilnehmer beim Jedermann-Turnier, Topspin möglich
„Das Event war der Hammer. Wir haben zum ersten Mal vor Zuschauern gespielt und fühlten uns wie Profis“, sagte Reusner. Sein Hobby, das er sonst nur online gegen Gegner aus der ganzen Welt ausübt, sei keineswegs mit dem klassischen „Sofa-Zocken“ auf der Konsole zu vergleichen. „Ich war anfangs beeindruckt, dass man sich richtig bewegen muss“, ergänzte der spätere VR-Experte. Ein Ballgefühl mit der VR-Brille durften auch rund 40 Teilnehmer beim Jedermann-VR-Turnier entwickeln, das in einem Nebenraum des ARAG-CenterCourts ausgetragen wurde. Sven Schneider vom SSV Berghausen (WTTV) war dabei. Der Spieler der 1. Bezirksklasse (knapp 1.300 TTR) stellte vor allem in Sachen Geschwindigkeit einen gravierenden Unterschied fest. „Die Bälle kommen viel langsamer. Aber es macht unheimlich viel Spaß, ich werde es definitiv zuhause weiterspielen.“ Beim VR-Tischtennis kommt es neben den kürzeren Bewegungen vor allem auf den Sound und die Vibration des Controllers an. Es kann auch Spin erzeugt werden. Schwieriger wird es beim Kurzspiel. Die Spieler sehen sich und ihren Avatar in einer virtuellen Halle. Für die Zuschauer wurde deshalb das Fernsehbild am Samstag auf Großbildleinwänden übertragen.
„In der Halle hat man definitiv mehr Platz als zuhause im Wohnzimmer. Da habe ich auch schon mal fast meine Katze getroffen“, scherzte Reusner und merkte an, dass man die VR-Variante nicht mit normalem Tischtennis vergleichen könne. „Man kann es als Erweiterung und Alternative sehen. Es ist aber genauso schweißtreibend, manche Spieler haben deshalb einen Lüfter oder eine Maske an ihrer Brille.“ Borussia-Manager Andreas Preuß hat die Software seit Sommer schon einige Male selbst getestet. Er ist von der Szene angetan, gut 50 Zuschauer verfolgten das Geschehen von der Tribüne aus.
Borussia Düsseldorf möchte eigene Community aufbauen
„Es war eine Pionier-Veranstaltung, die es in der Größenordnung auf europäischem Boden noch nicht gegeben hat. Vom ersten Moment an hat mich die Nähe zu unserem Sport fasziniert. Man zieht die Brille auf und schwitzt innerhalb von wenigen Sekunden. Man ist konzentriert, bewegt sich und muss keinen Ball aufheben“, sagte Preuß über die Beweggründe, das Event in den heiligen Hallen des Deutschen Tischtennis-Zentrums auszurichten. Nicht nur der Bundesligist, sondern auch die Community hofft darauf, dass die Veranstaltung für einen Ansporn sorgen kann. „Jede Werbung tut uns gut. In Frankreich werden seit zwei Jahren schon nationale Meisterschaften ausgetragen. Vielleicht schaffen wir es ja hier auch“, sagt Maik Reusner.
In Deutschland gibt es aktuell bereits 500 organisierte Spielerinnen und Spieler, mehrere Tausend sind insgesamt aktiv. Wesentlich größer ist die Szene in Frankreich, woher neun der 16 Challenge-Teilnehmer den Weg nach Deutschland auf sich nahmen. In Düsseldorf waren auch Starter aus Belgien, Spanien und Luxemburg mit dabei. Auch die Borussia-Bundesligaspieler haben VR-Tischtennis bereits ausprobiert und sind in die virtuelle Arena eingetaucht. „Sie fanden es krass. Allein daran merkt man, wie viel Potenzial dahintersteckt“, meinte Reusner. Andreas Preuß stellte bereits klar, dass die Veranstaltung erst der Startschuss sein soll. „Wir werden unsere eigene Borussia-VR-Community aufbauen und auch zeitnah damit starten. Wir wollen keine Gaming-Company werden, aber man weiß nie, welche Märkte sich durch neues Zielpublikum eröffnen. Ich glaube fest daran, dass Tischtennisspieler Lust darauf haben. Der Vorteil ist, dass man sich verabreden kann, egal wo man ist. Es gibt keine Hindernisse.“ Am Ende gehe es darum, wie kommunikativ man an die Sache herangehe. Im Optimalfall finden auch VR-Spieler, die noch nicht aktiv Tischtennis gespielt haben, den Weg in die Halle. „Der Aufforderungscharakter ist definitiv da“, meinte Preuß.
Steger ist begeistert - Software-Entwickler plant Zusammenarbeit mit der ITTF
Normales Tischtennis wurde am Samstag auch noch gespielt. Dimitrij Ovtcharov und Bastian Steger, der auch am Jedermann-Turnier teilnahm, lieferten sich vor den VR-Halbfinals ein Showmatch sowie einen Satz mit VR-Brille. „Ich war schon gespannt, in welche Welt man eintaucht. Es war von der Grafik sehr gut gemacht und fühlt sich so an, als würde man auf dem ARAG CenterCourt stehen“, sagte Steger, der wie Anton Källberg auch noch in der Kommentatorenkabine von Adam Bobrow vorbeischaute. „Table Tennis Daily“ übernahm im Übrigen die Moderation.
Für die Organisation und Technik war Natasha Fahey von Softwareentwickler For Fun Labs, zu dem das Spiel „Eleven Table Tennis“ gehört, verantwortlich. E-Sport-Turniere habe es in der Vergangenheit schon zu Genüge gegeben. „Aber wir wollten die besten Spieler Europas zusammenbringen“, sagte Fahey über die Zusammenarbeit mit der ETTU und Borussia Düsseldorf. Neben den Quest-Headsets (VR-Brille) wird versucht, das Spiel immer weiter zu verbessern. Das Ziel ist es, VR-Tischtennis noch populärer zu machen. Mit der ITTF steht For Fun Labs bereits im Austausch, was eine VR-Weltmeisterschaft betrifft. Diese soll im zweiten Halbjahr 2024 stattfinden. Es bleibt abzuwarten, ob auch der Weltmeister AnTo heißen wird.
Unser früherer Redakteur Daniel Koch ist ebenfalls in der Szene aktiv und veröffentlichte auf myTischtennis.de und im Magazin tischtennis bereits ein paar Artikel zum Thema. Lesen Sie auch seinen Blog "Zum Warmspielen in die virtuelle Realität".
(FKT/JS)
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