Buntes

Studie: Je höher der TTR-Wert, desto mehr Spin

Auch Annett Kaufmanns Topspin wurde von Spinsight gemessen (©ITTF)

13.10.2023 - Bei welchem Schlag kann mehr Rotation erzeugt werden: beim Vorhand- oder Rückhand-Topspin? Wie unterscheidet sich die Schlagqualität bei Amateur- und Profispielern und wovon hängt es ab, wie sie ausfällt? Dies sind Fragen, die in einer Studie der Spinsight ESN Digital GmbH mittels ihrer neuen Messtechnologie untersucht wurden. Hermann Mühlbach, Senior-Experte Digitales Training bei Spinsight, erläutert im Interview die Ergebnisse.

myTischtennis.deMit der Spinsight-Technologie lassen sich Aussagen über alle Schläge machen. Die Ergebnisse, über die wir jetzt aber gesondert sprechen wollen, betreffen den Topspin, ohne den Tischtennis seit geraumer Zeit nicht mehr denkbar ist. Was habt ihr in eurer Studie bezüglich des wichtigsten Angriffsschlags dieses Sports untersucht?

Hermann Mühlbach: Es sind viele Fragen, die inzwischen - dank der Spinsight-Technologie - beantwortet werden können. Wie viel Spin und Tempo sind in den Schlägen von Profis und Amateuren? Wie groß ist der Unterschied zwischen Vorhand- und Rückhand-Topspin? Schafft man mehr Qualität beim Topspin gegen Unter- oder gegen Oberschnitt? Mit Spinsight kann man nun die Schlagqualität messen und miteinander vergleichen. Wir haben insgesamt 200 Nationalspieler aller Altersklassen von U10 bis zu den Erwachsenen und 400 Amateurspieler aller Spielstärken von 700 bis 2000 TTR-Punkten ‚vermessen‘ und eine riesige Menge an Daten gesammelt, auf deren Grundlage geforscht werden kann.

myTischtennis.deWerden die Daten denn bereits sportwissenschaftlich genutzt?

Hermann Mühlbach: Ja, neben unseren eigenen Untersuchungen arbeiten wir auch mit anderen Wissenschaftlern zusammen. So läuft zum Beispiel aktuell eine Studie des Leipziger Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft über verschiedene Topspins mit deutschen Nationalspielern, zudem ist eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule in Köln zur Talent-Identifizierung und -Entwicklung geplant und eine Diplomarbeit zur Qualität der Aufschläge von Jugendnationalspielern in Arbeit. Und auch mit vielen Profisportlern herrscht reger Austausch.

myTischtennis.deWie sieht es denn bei den Profis aus? Wie viele Umdrehungen schaffen sie beim Topspin?

Hermann Mühlbach: Männliche Profispieler erreichen in der Spitze bis zu 200 Umdrehungen pro Sekunde (rps), Frauen vereinzelt 150 rps. Im Schnitt bewegen sich männliche Profis jedoch bei 140 und Frauen bei 125 rps. Insgesamt kann man sagen, dass Männer tendenziell mehr Spin aufbauen als Frauen und dass ältere Jugendliche höhere Werte erzielen als jüngere. Daraus lässt sich ableiten, dass neben der Technik also auch die Kraft ein wichtiger Faktor beim Topspin ist. Und trotzdem schaffen die besten 15-Jährigen schon die Durchschnittswerte der Erwachsenen.



myTischtennis.deUnd wahrscheinlich ist es auch entscheidend, ob man den Topspin mit der Vorhand oder mit der Rückhand spielt?

Hermann Mühlbach: Tatsächlich waren die Durchschnittswerte für die vier Topspinvarianten - also Vorhand, Rückhand, gegen Block oder Unterschnitt - über alle Profispieler hinweg gleich! Trotz der sehr unterschiedlichen Bewegungen und Bedingungen dieser Varianten kommen am Ende im Durchschnitt dieselben Umdrehungszahlen heraus. Das heißt, dass es grundsätzlich keinen Vor- oder Nachteil von einer der Techniken gibt. Man kann prinzipiell die gleiche Schlagqualität erreichen. Individuell konnten wir natürlich Unterschiede feststellen - fast jeder Spieler hat seine eigenen Stärken oder Schwächen. Unter den Besten kommt das zwar selten vor, bei diesen Spielern sind meist alle vier Schläge in etwa gleich. Bei Amateuren oder jüngeren Spielern sieht man dagegen größere Unterschiede. Da ist dann oft der Schlag am besten, den man am meisten trainiert - bei Kindern und Anfängern ist das gemeinhin Vorhand gegen Block. Hier sind die Rückhand-Werte tendenziell schlechter, was zeigt, dass zumindest bei uns viele die Rückhand erst später lernen.

myTischtennis.deWie groß ist die Varianz der Topspins bei Amateurspielern?

Hermann Mühlbach: Wir haben Amateurspieler von sieben bis 79 Jahren und aller Leistungsklassen untersucht. Da war von 50 bis 150 rps so ziemlich alles dabei. Etwa die Hälfte der gemessenen Spieler erreichte die 100 rps nicht und 90 % blieben unter 125 rps. Die 10 %, die mehr schafften, wiesen dann aber immer eine Schwäche in einer der anderen Kategorien des Leistungstests auf, also zum Beispiel in der Reaktion, Ausdauer, Beinarbeitsschnelligkeit, im Aufschlag oder in anderen Schlagtechniken. Profis hingegen schnitten auch in den anderen Kategorien sehr erfolgreich ab.

myTischtennis.deKonntet ihr Parameter ausmachen, wovon es abhängt, mit wie vielen Umdrehungen ein Amateurspieler seinen Topspin spielt?

Hermann Mühlbach: Im Rahmen der andro Kids Open haben wir Regionalkader- und Vereinsspieler vermessen, wobei wir hier nicht den Durchschnitt aus zehn Maximal-Schlägen, sondern das absolute Maximum gewertet haben. Dieses liegt je Altersklasse etwa 10 % unter dem Schnitt der gemessenen Nationalkaderspieler und es spreizt sich viel mehr auf. Überhaupt gibt es - innerhalb einer Altersklasse - eine Korrelation der maximalen Umdrehungen mit der Höhe des TTR-Werts: Je höher dieser ist, desto mehr Umdrehungen werden gemessen. Auch wenn man alle Teilnehmer der Kids Open nach TTR-Wert sortiert, sieht man einen Zusammenhang mit den Spin-Werten. Dabei gilt grundsätzlich: Je besser der Spieler ist, desto mehr Umdrehungen hat sein Topspin.



myTischtennis.deUnd was ist mit nicht-offensiven Spielsystemen, deren Erfolg nicht unbedingt von einem guten Topspin abhängt?

Hermann Mühlbach: Die fallen unter die Ausnahmen, die man durchaus auch beobachten kann. So gibt es Spieler, die mit 1800 TTR-Punkten nicht mehr als 110 rps schaffen. Dabei könnte es sich zum Beispiel um eine Abwehrspielerin handeln, die nie angreift. Und genauso findet man Spieler, die mit 800 TTR-Punkten schon über 110 rps erreichen. Dies könnte ein kräftiger Mann mit gutem Armzug sein, der aber noch wenig Kontrolle hat. Solcherlei Ausnahmen sind also meist mit individuellen Stärken und Schwächen zu erklären.

myTischtennis.deWas ist nun die Lehre, die man aus diesen Ergebnissen ziehen kann?

Hermann Mühlbach: Grundsätzlich ist Tischtennis ein Sport, für den viele verschiedene Fähigkeiten notwendig sind. Und natürlich sollte man von diesen jene vermeiden und verbessern, die eher eine Schwachstelle darstellen, und jene verstärkt im Spiel einsetzen, die zu den eigenen Stärken gehören. Der Topspin ist jedoch eine der wichtigsten Fähigkeiten im modernen Tischtennis - und wie man an den Daten sehen kann, gibt es eine große Korrelation zur Spielstärke. Somit kann man die Lehre daraus ziehen, dass es sich definitiv lohnt, seinen Topspin zu verbessern.

(JS)

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