Buntes

Gehörlosenspieler Yenen erfüllt seinen WM-Traum

Arda Yenen geht im Juli bei der WM in Taiwan an den Start. (©Jörg Fuhrmann)

28.04.2023 - Der lang ersehnte Wunsch von Arda Yenen wird im Sommer Wirklichkeit. Das 16-jährige WTTV-Talent steigt Anfang Juli ins Flugzeug nach Taiwan und geht bei der Gehörlosen-Junioren-Weltmeisterschaft an den Start. Finanziell möglich gemacht wurde seine Teilnahme nach der sportlichen Qualifikation durch eine Crowdfunding-Aktion des Gehörlosen-Sportverbands NRW. Die erhoffte Spendensumme von knapp 10.000 Euro ist bereits übertroffen worden. Die WM soll für den Nachwuchsspieler nur der Anfang sein.

Voller Eifer hat Arda Yenen über eineinhalb Jahre auf sein großes Ziel hingearbeitet. Zunächst machte sich Ernüchterung breit, doch seit einigen Tagen überwiegt die Vorfreude. Denn seit Mitte der Woche steht fest: Der 16-Jährige wird vom 9. bis 11. Juli bei der Junioren-WM für Gehörlose in Taiwan aufschlagen. An der sportlichen Qualifikation drohte das Vorhaben nicht zu scheitern, wohl aber an den Mitteln, die der Gehörlosen-Sportverband (GSV) NRW durch explodierende Kosten hätte aufbringen müssen, um seinem Schützling eine Teilnahme am Event im über 9.000 Kilometer entfernten asiatischen Inselstaat zu ermöglichen. 

Kampagne wie ein Lauffeuer – DGSV hofft auf neue Mitglieder

So rief der Verband am 13. April eine einmonatige Crowdfunding-Kampagne ins Leben. Schon nach zwei Wochen war der angepeilte Betrag von 9.770,24 Euro auf das eingerichtete Spendenkonto geflossen. Die fällige Summe für Flüge, Hotel, Verpflegung, Start- und Organisationsgebühren sowie Trainer- und Betreuerhonorare war beisammen (Stand 28. April: 10.140,24 Euro). Dass die Aktion schon nach 13 von 31 Tagen gelungen war, kam für alle Beteiligten überraschend. „Dass es so gut anläuft und schnell viral geht, hätten wir nie gedacht. Es war einfach eine Kettenreaktion mit einer wahnsinnigen Dynamik in der gesamten Tischtennis-Community“, freut sich Ardas Vater Emre Yenen.  

Große Verbände (DTTB, WTTV), Vereine (Borussia Düsseldorf) oder die Stadt und Unternehmen in der Heimat Iserlohn - „es haben einfach alle in der Kommunikation des Projekts mitgeholfen“, sagt Yenen. „Das ist natürlich supercool für Arda. Er hat unfassbar viele Nachrichten bekommen. Das hat ihn noch mehr motiviert und unterstützt.“ Die zusätzlichen Gelder gehen in die Förderung der Talentakademie des GSV NRW. Der Verband hofft zugleich, durch das mediale Echo noch mehr Aufmerksamkeit geschaffen zu haben und für die Zukunft von Aktionen wie diesen zu profitieren. „Unser Hauptziel ist es, neue Mitglieder, vor allem für den Nachwuchs, zu gewinnen“, sagt Annchristin Hasenpflug vom Deutschen Gehörlosen-Sportverband (DGSV) über das Potenzial der Sparte.  

Kontakt auch durch Thomas Keinath intensiviert

Ein wichtiger Inklusions-Werbeträger ist vor allem Thomas Keinath - ein guter Freund der Familie. Ähnlich wie der frühere internationale Top-Spieler verfolgt auch Arda Yenen Ambitionen im Gehörlosen-Tischtennis und Regelsport zugleich. Vater Emre greift seit knapp 40 Jahren zum Schläger und ist seit 2015 Vorsitzender beim Heimatverein TTV Letmathe, wo auch Arda von 2013 (mit sechseinhalb Jahren) bis 2019 um Punkte kämpfte. Beim BV Borussia Dortmund (2019-2022) sammelte der Nachwuchs-Vize-Europameister der Gehörlosen auch schon Erfahrungen in der Regionalliga. Im Winter wechselte der 16-Jährige zum NRW-Ligisten GSV Fröndenberg. „Es lief in der Meisterschaft noch nicht perfekt. Arda versucht, Schritt für Schritt voranzukommen und möchte auf jeden Fall noch höher spielen“, so sein Vater. Die Rahmenbedingungen dafür sind optimal. Seit 2016 gehört Arda Yenen zum WTTV-Kader, nimmt regelmäßig an Lehrgängen teil und trainiert an unterschiedlichen Standorten – unter anderem mit dem pakistanischen Meister Ali Faisal oder Teodor Yordanov vom TTC Altena - an fünf Tagen jeweils drei Stunden pro Woche. 

Der Kontakt zum DGSV entstand eher durch Zufall. „Unser Trainer Ali Faisal kannte den Gehörlosen-Rekordnationalspieler Ivan Rupcic. So nahm vor acht Jahren alles seinen Lauf“, erklärt Emre Yenen, dessen Sohn vier bis fünf Mal im Jahr bei Turnieren für das Nationalteam der Gehörlosen (Jugend und Herren) im Einsatz ist. Ansonsten läuft vom eigenen Ausstatter bis zur finanziellen Unterstützung durch die deutsche Sporthilfe alles auf gleichem professionellem Wege, wie es auch bei anderen Jugendtalenten in Ardas Alter der Fall ist. Andre Bertelsmeier, Noah Hersel und Co. kennt der 16-Jährige schon seit langer Zeit.

Mittelgradige Hörminderung: Kaum Handicaps am Tisch

Bevor es in knapp einem Monat in den Flieger nach Taiwan geht, stehen noch die zentralen Abschlussprüfungen an. Arda Yenen besucht trotz seiner mittelgradigen, vermutlich angeborenen, im Alter von drei Jahren festgestellten Hörminderung die zehnte Klasse einer regulären Realschule. Mit seinen Hörgeräten, inklusive Verstärkern und Mikrofonen des Lehrpersonals, kann der Schüler dem Unterricht wie ein Normalhörender folgen. Auch das Sprechen funktioniert im Vergleich zu Kindertagen immer besser. „Machmal ist es noch etwas holprig, aber Arda hat da keine Scheu und schon große Fortschritte gemacht“, sagt sein Vater.  

Nach dem Schulabschluss möchte der 16-Jährige noch sein Abitur machen und ein Sportstudium beginnen. Bis dahin soll es auch sportlich noch weiter bergauf gehen. „Arda ist extrem ehrgeizig und möchte sich bei der WM mit den starken Asiaten in seiner Altersklasse messen. Er hofft schon auf eine gute Platzierung“, sagt Emre Yenen. Der 49-Jährige steht seinem Sohn in Begleitung eines Physiotherapeuten und Dolmetschers auch in Taiwan zur Seite. 

Große Handicaps gibt es am Tisch nicht, auch wenn bei Gehörlosen-Turnieren die Hörgeräte abgelegt werden müssen. „Er ist ja trotzdem nicht taub. Dann muss etwas lauter gecoacht werden“, so Yenen. Bei internationalen Events findet die komplette Turnierleitung auf Gebärdensprache statt, die Arda im Übrigen nicht beherrscht. Noch vor der WM steigen in Hamburg am 19. und 20. Mai die deutschen Meisterschaften für Gehörlose. Das nächste große Ziel ist bereits formuliert: die Qualifikation für die Deaflympics (Olympia für Gehörlose) in Brasilien im kommenden Jahr. Möglicherweise ein Grund für die nächste Crowdfunding-Aktion des GSV NRW. 

Zum Instagram-Profil und zur TTR-Historie von Arda Yenen
Zum Informationsflyer des DGSV

(FKT)

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