Buntes

Ex-BL-Vereine: Das wurde aus dem SV Plüderhausen

Glorreiche Zeiten: Aleksandar Karakasevic stemmte die Trophäe nach dem Pokalsieg 2008 in Hannover nach oben. (©Roscher)

20.10.2022 - Welche Eigenschaft haben der ‚Mozart des Tischtennis‘, ein zweifacher Weltmeister und ein siebenmaliger Olympia-Teilnehmer gemeinsam? Richtig, sie alle haben schon in Plüderhausen in der 1. Bundesliga Tischtennis gespielt. Früher war der Verein eine feste Größe im Oberhaus - nun ist er scheinbar spurlos von der Bildfläche verschwunden. Was ist von der Glanzzeit der frühen 2000er-Jahre übriggeblieben und worauf liegt der Fokus heute? Die Antwort gibt’s im Rahmen unserer Serie ‚Ehemalige BL-Vereine‘.

Sie treffen sich immer noch in der gleichen Halle wie damals zu Bundesligazeiten in der 9.000-Seelen-Gemeinde Plüderhausen im Stuttgarter Umland. Sieben Herren-, drei Jungen- und zwei Mädchenmannschaften sowie ein Senioren- und ein Damen-Team spielen jetzt auf den Tischen, an denen einst Olympiasieger geschwitzt haben. „Ich glaube, den Kindern ist das gar nicht so richtig bewusst“, überlegt Abteilungsleiter Helmuth Klein, Jahrgang 1947. Er hat die Entwicklung seines SV Plüderhausen vom kleinen Dorfclub bis an die Spitze Europas fast von Anfang an miterlebt. 

Viel Trubel um späteren Mannschafts-Weltmeister Liu Guozheng

1949 gegründet, kämpfte sich der Verein relativ schnell bis in die Oberliga, der damals höchsten Spielklasse. Die erfolgreichsten Jahre sollten allerdings erst noch kommen. Kleins Vereinskollegen Gerrit Albrecht, Macher und ,Mister Tischtennis‘ beim SVP, reizte es in den 1990er-Jahren, zu sehen, wie weit man es potenziell nach oben schaffen könnte. Also lockte er als Manager die entsprechenden Sponsoren und Spieler ins Remstal, bis dann in der Saison 1998/99 der Aufstieg in die Bundesliga gelang und Plüderhausen in der darauffolgenden Saison erstmals Teil der höchsten deutschen Spielklasse wurde. Unter den Spielern fand sich neben Slobodan Grujic und Adrian Crisan ein junger Chinese namens Liu Guozheng. Der gerade 18-Jährige war bis dato niemandem so wirklich bekannt. Rainer Ihle, seiner Zeit Präsident der TTF Ochsenhausen, hatte das Talent empfohlen und den Kontakt hergestellt. 

Der damalige Sportkoordinator Plüderhausens, Ulrich Engele, erinnert sich noch gut: „Gleich zu Beginn hat er Ma Wenge und Peter Franz geschlagen, sodass wir im ersten Spiel direkt gegen den amtierenden Meister Ochsenhausen gewonnen haben.“ Ein absoluter Glücksgriff möchte man meinen - die Freude währte allerdings nur kurz, denn nach drei Spielen wurde Liu die Bundesliga-Lizenz entzogen, weil bekannt wurde, dass er verbotenerweise parallel für einen chinesischen Club angetreten war. Damals konnte noch niemand ahnen, dass eben jener junge Chinese eines Tages zweifacher Mannschafts-Weltmeister werden sollte. Inzwischen ist Liu im Trainerstab der chinesischen Nationalmannschaft mit Wang Chuqin für eines der größten Nachwuchstalente zuständig und in dieser Funktion häufig auf dem internationalen Parkett zu sehen. 

Pokalsieg 2008: Die „Gelbe Wand“ machte sich einen Namen in Deutschland 

Im dritten Jahr der Zugehörigkeit zur stärksten Liga Europas erzielte der SVP mit dem Gewinn des ETTU Nancy Evans Cups 2002 den ersten Achtungserfolg, der im Jahr 2005 prompt wiederholt werden konnte. Als erfolgreichstes Jahr muss allerdings 2009 genannt werden, in dem sich der SVP beim Final-Four-Turnier in der Dortmunder Westfalenhalle zum deutschen Pokalsieger krönte und sich seine Anhänger als „Gelbe Wand aus Plüderhausen“ bundesweit einen Namen machten. Doch damit nicht genug, denn in der gleichen Spielzeit gewann man erneut den ETTU-Cup in einem denkwürdigen Finale gegen Victoria Moskau, dessen Rückspiel nach einer 1:3-Niederlage als „Wunder von Moskau“ in die Vereinshistorie eingehen sollte. Dort entriss der SVP in Person von Jakub Kosowski, Leung Chu Yan und Aleksandar Karakasevic den Russen den schon sicher geglaubten Titel durch einen 3:0-Kantersieg. Noch heute schwingt ein wenig Genugtuung in den Erzählungen mit, als kleiner Verein das große Moskau in die Schranken gewiesen zu haben. 

Blickt man auf die Liste der Spieler, die sich in der Hohberghalle zwischen 1999 und 2014 die Klinke in die Hand gaben, so fällt auf, dass der kleine Verein absolute Hochkaräter verpflichten konnte. Ausrüster des Bundesliga-Teams war der Sportartikelhersteller DONIC, der damals viele schwedische Topspieler unter Vertrag hatte. Durch den engen Kontakt zu Geschäftsführer Frank Schreiner fanden unter anderem Peter Nilsson, Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson und Robert Svensson den Weg nach Plüderhausen. Ein Gros der Akteure zeichnete zudem ihr „goldenes Händchen“ aus. Natürlich habe man der Zuschauer wegen bei der Akquise etwas darauf geachtet, meint Engele. Aber die Hauptsache sei immer gewesen, dass es menschlich gut passe. Obwohl sie bei Publikumsliebling Aleksandar ,King Kara‘ Karakasevic zu Beginn skeptisch gewesen seien. Doch der Linkshänder aus Serbien habe sich dann so gut integriert, dass sie ihn nie wieder abgeben wollten. 

Wegen zu spät eingereichter Unterlagen: keine erteilte Lizenz im Jahr 2005

Als dem SV Plüderhausen wegen zu spät eingereichter Unterlagen für die Saison 2005/06 keine Bundesliga-Lizenz mehr erteilt wurde, schien das Großprojekt Erstklassigkeit gescheitert. Karakasevic verließ den Verein jedoch wider Erwarten nicht, im Gegenteil: Er kontaktierte seinen alten Weggefährten und Olympia-Zweiten im Doppel, Ilija Lupulesku, der in der Zwischenzeit in die USA ausgewandert war und sich bereiterklärte, für den direkten Wiederaufstieg zurückzukommen. Der gelang den Schwaben umgehend. „Kara war ein Plüderhäuser. Er hat immer gespaßt, mal Rente in Plüderhausen zu beantragen“, sagt Ulrich Engele. Dazu passt, dass die Spieler immer bei den Vereinsmitgliedern unterkamen, statt in Hotels zu wohnen - Jan-Ove Waldner und Jörgen Persson beispielsweise bei Familie Engele, Karakasevic bei Gerrit Albrecht. 

,King Karas‘ Zeit in Plüderhausen endet nach 13 Jahren - wie sollte es anders sein - mit einem Knall, im wahrsten Sinne des Wortes: In der Saison 2012/13 riss ihm in der Verlängerung des Entscheidungssatzes gegen Zoltan Fejer-Konnerth die Achillessehne, was eine lange Verletzungspause nach sich zog. Der SVP gewann in der folgenden Saison ohne Karakasevic nur zwei seiner 16 Spiele und zog sich nach dem sportlichen Abstieg bis in die Oberliga zurück. Neben den Streitigkeiten um die Lizenzerteilung Mitte der 2000er-Jahre hatte der Verein immer wieder mit der mühseligen Sponsorensuche zu kämpfen. Exemplarisch dafür steht die Saison 2003/04, in der die Remstäler als SV Weru Plüderhausen, benannt nach ihrem Sponsor, angetreten waren. Die Hoffnung, von nun an langfristiger planen zu können, mussten Helmuth Klein und Co. allerdings schnell wieder begraben, denn nach nur einem Jahr zog sich Weru aus dem Tischtennisgeschäft zurück. „Der Abstieg im Jahr 2014 hatte finanzielle Gründe“, gibt Klein unumwunden zu Protokoll. „Der Hauptsponsor hatte sein Etat um 50 Prozent gekürzt, sodass keine Chance mehr bestand, weiter auf diesem Niveau konkurrenzfähig zu bleiben.“ 

Heute kämpfen die Herren in der Oberliga Baden-Württemberg um Punkte

Ambitionen höher zu spielen hat man in Plüderhausen inzwischen nicht mehr. „Die Oberliga reicht uns, der Aufwand war einfach zu groß“, fasst Abteilungsleiter Klein die Zukunftspläne zusammen. Dafür nehmen sie auch in Kauf, dass statt früher bis zu 1.000 nur noch 40 Zuschauer in der Halle die Spiele verfolgen. Unter den Spielerinnen und Spielern der Jugendabteilung, die von Yangxu Yanhua trainiert werden, sieht er indes noch niemanden, der perspektivisch in die Oberligamannschaft aufrücken könnte. Deren Führungsspieler Laszlo Magyar kommt seit nun fünf Jahren in Folge für jeden Spieltag extra aus Ungarn angereist. Wo er dann übernachtet? „Natürlich bei uns“ meint Engele und lacht.

Zur Homepage des SV Plüderhausen (inklusive Vereinshistorie)
Zum Vereinsporträt (click-TT)

(Lasse Barth)

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