Katharina Michajlova (r.), hier neben ihrer Schwester vor der St.-Andreas-Kirche in Kiew im Oktober 2021. (©privat/Pixabay)
16.03.2022 - Seit dem 24. Februar ist für Katharina Michajlova nichts mehr wie vorher. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine setzte die Zweitligaspielerin vom TTC Staffel alle Hebel in Bewegung, um zu helfen. Die 33-Jährige wurde in der Ukraine geboren und siedelte mit ihren Eltern im Alter von vier Jahren nach Deutschland über. Im Interview spricht die amtierende deutsche Vizemeisterin im Mixed-Doppel über ihren Spendenaufruf und wie sehr sie mit den Menschen vor Ort leidet.
myTischtennis.de: Katharina Michajlova, der Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine liegt nun 21 Tage zurück. Wie geht es dir im Moment?
Katharina Michajlova: Es ist wirklich schrecklich. Als ich es mitbekommen habe, war ich schockiert und bin total versteift aufgewacht. Man schläft deutlich schlechter und muss das Ganze natürlich erst mal verarbeiten. Als erstes gucke ich im Moment jeden Morgen Nachrichten.
myTischtennis.de: Auch deine Geburtsstadt Cherson ist betroffen. Wie sieht die Lage dort aus?
Katharina Michajlova: Die Leute sind seit Tagen eingekesselt und die Versorgungslage ist schlecht. Zum Glück wurde dort nicht auf die zivile Bevölkerung geschossen. Die ukrainische Flagge weht weiter über der Stadtverwaltung. Die Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren. Es liegen teilweise Stacheln auf dem Boden, damit die Panzer nicht durchkönnen. Ich war im Herbst selbst noch da und jetzt sehe ich, wie die Stadt angegriffen wird. Das ist fürchterlich! Ich bin mit den Gedanken bei allen Ukrainerinnen und Ukrainern.
myTischtennis.de: Du bist mit deinen Eltern im Alter von vier Jahren nach Deutschland gekommen. Wie seid ihr damals aufgenommen worden?
Katharina Michajlova: Wir sind damals auch geflohen. Die Situation war nicht so dramatisch wie heute, wo es viel mehr Anlaufstellen gibt. Wir sind in ein Flüchtlingsheim nach Gelsenkirchen gekommen. Über die Tischtennis-Abteilung von Schalke 04 haben wir dann schnell eine Wohnung gefunden und uns schnell eingelebt.
myTischtennis.de: Hast du noch viel Verwandtschaft in deinem Heimatland?
Katharina Michajlova: Mein 82-jähriger Opa ist auch geflohen. Wir haben ihn letzte Woche von der Grenze abgeholt. Zum Glück ist er noch fit und mobil. Ansonsten habe ich einige Bekannte, die meisten sind Freunde meiner Eltern. Ich kenne auch noch einige Tischtennisspieler und -trainer. Einige mussten ihren Schläger gegen Gewehre tauschen. Aber auch die Frauen kämpfen. Meine Cousine verteilt in Kiew aktuell viele medizinische Produkte, die zum Teil von Bekannten, Verwandten und mir hier in Deutschland organisiert und losgeschickt werden.
myTischtennis.de: Solidarität und Hilfsbereitschaft hierzulande sind gewaltig. In Berlin oder Köln haben beispielsweise große Friedensdemonstrationen stattgefunden. Hast du damit gerechnet?
Katharina Michajlova: Das ist genau das richtige Zeichen. Ich war absolut überrascht, wie viele Leute sich über Instagram oder WhatsApp bei mir gemeldet haben, die ich gar nicht kenne. Mein Handy steht kaum still. Viele wollen einfach helfen, egal ob sie eine Verbindung in die Ukraine haben oder nicht.
myTischtennis.de: Wie sieht deine Hilfe genau aus?
Katharina Michajlova: Wir haben Transporte organisiert und hatten teilweise ganze Garagen mit gespendeten Sachen voll. Wenn die Leute ankommen, helfen wir bei der Suche nach einer Unterkunft oder bei der Krankenversicherung, stellen Wohnraum zur Verfügung oder telefonieren mit den Behörden. Wir sortieren Sachen im Lager, sammeln Spenden, kaufen ein, bestellen Medizin oder übersetzen. Wir haben eine Logistikkette bis nach Kiew aufgebaut. Andere Leute aus anderen deutschen Städten wie Leipzig unterstützen uns und fahren die Sachen nach Polen. Viele Menschen stehen noch enorm unter Schock und wissen nicht, wann sie überhaupt zurückkönnen. Es ist schon erstaunlich wie viele von selbst direkt nach Arbeit fragen, um ihre Familie zu versorgen.
myTischtennis.de: Vor kurzem hast du einen Spendenaufruf gestartet. Wie kann man die Betroffenen unterstützen?
Katharina Michajlova: Das stimmt. Um die Spenden zuzuordnen, sollen sie im Verwendungszweck meinen Namen mit angeben. Die Aktion läuft über das Blau-Gelbe Kreuz. Ein deutsch-ukrainischer Verein, der schon vor dem Krieg viel geholfen hat und mit dem mein Onkel und ich sehr eng zusammenarbeiten. Wer eine Spendenquittung benötigt, soll bitte seine Adresse nennen. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit Bekannten eine eigene Logistikkette mit gesammelten Spenden organisiert. Der Verein TV Refrath hat für unsere Aktion bereits Geld gesammelt.
Blau-Gelbes Kreuz e.V.
IBAN: DE 78 3705 0299 0000 4763 46
Stichwort: Hilfe für die Ukraine - Katharina Michajlova
In diesem Lager hilft und koordiniert Katharina Michajlova, was das Zeug hält. (©privat)
Vor kurzem war Katharina Michajlova im 45-minütigen Livestream bei Spin & Speed zu Gast.
Auch Anastasia Bondareva kam dort zu Wort, deren Mutter aus der Ukraine stammt. Ihr Vater Andrej - ein klarer Putin-Gegner - ist Russe und als Trainer beim VfR Fehlheim tätig. Bondareva spricht beide Sprachen. „Meine Eltern sind das perfekte Beispiel dafür, dass eine Beziehung zwischen beiden Ländern funktionieren kann. Wir dürfen nicht wegsehen und müssen auch mit Hilfe unseres Sport ein klares Zeichen für Frieden setzen“, so ihr Statement, das die 19-Jährige kürzlich bei Instagram veröffentlichte.
Zum SWR-Beitrag: Anastasia Bondareva: Verbunden der Ukraine und Russland
Zur Hilfsaktion ihres Vereins TTG Bingen/Münster-Sarmsheim
Auch der Bayerische Tischtennis-Verband und der deutsche Rekordmeister Borussia Düsseldorf haben eine Hilfsaktion für die Ukraine gestartet.
(FKT)
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