25.02.2022 - Noch in diesem Jahr soll ein Schläger auf den Markt kommen, der mithilfe von Sensoren im Griff und einer App völlig neue Möglichkeiten eröffnet. So soll das eigene Spiel analysiert und mit den Daten anderer Spieler verglichen werden können. Simon Stützer, der die Idee zum „Smart Racket“ hatte und mit seinem Start-up Janova an der Umsetzung arbeitet, verrät im Interview, wie der Schläger funktioniert und wie man mit dessen Hilfe im Ranking sogar vor Timo Boll landen kann.
myTischtennis.de: Zwei Jahre ist es her, dass dir beim Laufen die Idee zum „Smart Racket“ kam (zum Artikel). Wie weit seid ihr nun mit der Entwicklung des intelligenten Schlägers?
Simon Stützer: Es stimmt, dass mir die Idee zum „Smart Racket“ vor zwei Jahren beim Laufen kam. Aber ich hatte schon lange vorher darüber nachgedacht, dass es eine digitale Plattform für Tischtennisspieler geben müsste. Eine App wie „Tischtennis-Tinder“, bei der man nach links oder rechts wischt und dann ein Match hat - im wahrsten Sinne des Wortes. Das war der Anfang. Und dann habe ich überlegt, wie man mehr Daten automatisiert mit einfließen lassen könnte, und bin über den Lauf-Tracker an meinem Handgelenk auf die Idee zum „Smart Racket“ gekommen. Dabei war der erste Prototyp auch ein Armband, mit dem man bereits messen konnte, ob man zum Beispiel mit der Vor- oder Rückhand geschlagen hat. Aber klar, noch schöner wäre es natürlich, wenn man die Sensoren irgendwie in den Schläger hineinbekommen würde. Also habe ich dann das erste Holz mit einer Fräs-Bohrmaschine in Handarbeit selbst bearbeitet. Inzwischen haben wir eine Kooperation mit TIBHAR, die die Sensoren natürlich professioneller und maßgeschneidert ins Holz einbauen können, so dass man von außen nichts mehr davon wahrnimmt. Und so gibt es nun Kataloghölzer von TIBHAR, die „smart“ sind - das ist der aktuelle Stand.
myTischtennis.de: Erinnerst du dich noch, wie es war, als du den ersten Prototypen in der Hand hattest und damit gespielt hast?
Simon Stützer: Als ich zum ersten Mal den Schläger mit dem Sensor benutzt habe und dann in der App gesehen habe, dass auf einmal die Schläge gezählt werden, da hatte ich richtig Schmetterlinge im Bauch. Wow, dieser Schläger kriegt jetzt mit, was ich mache! Für mich war damit klar, dass alles möglich ist, was man sich ausdenkt.
myTischtennis.de: Woher weiß solch ein Sensor im Schlägergriff denn zum Beispiel, welchen Schlag ich gerade gespielt habe?
Simon Stützer: Das passiert mithilfe einer künstlichen Intelligenz, die die erhobenen Sensordaten auswertet und über eine Mustererkennung interpretiert. So können wir eine Menge über das Spiel erfahren, wie zum Beispiel, welche Schlagart verwendet wurde, mit welcher Geschwindigkeit der Ball getroffen wurde, bis hin zu den Kalorien, die verbrannt wurden. Wir denken sogar, dass sie auch irgendwann erkennen kann, wie es gerade steht. Wie macht die künstliche Intelligenz das? Indem wir sie auf Muster trainieren, die sie später in den gelieferten Sensordaten wiedererkennen kann. Wir zeigen ihr also, was ein Vorhand-Topspin ist und was kein Vorhand-Topspin ist, bis sie die Daten nach diesem Muster richtig interpretiert. Auch wir Menschen finden uns durch Muster in der Welt zurecht und können mithilfe verschiedener Parameter, die erfüllt sein müssen, beantworten, ob zum Beispiel ein Tier, das vor uns steht, ein Hund ist. Das kann ein Kind, das vielleicht noch nicht so viele Hunde gesehen hat, gegebenenfalls nicht sagen. Und wir glauben, dass in den Sensordaten auch Muster versteckt sind, die darauf hindeuten, ob ich einen Punkt gemacht habe oder nicht, und so automatisches Zählen möglich machen.
myTischtennis.de: Was genau kann der „Smart Racket“ denn aktuell schon und welche Funktionen sind noch geplant, bis er auf den Markt kommt?
Simon Stützer: Aktuell filtert die künstliche Intelligenz aus den Sensordaten heraus, wann du einen Schlag gemacht hast. Er erkennt, ob dieser Schlag mit der Vor- oder Rückhand ausgeführt wurde, aber noch nicht, ob es ein Topspin, ein Schupf oder ein Konter war. Das ist noch in der Mache. Wir können bereits Aussagen über die Trainingsintensität machen - also wie viele Schläge in der Minute man gespielt hat - und wie hoch die maximale oder durchschnittliche Beschleunigung deiner Schläge war, aber die Geschwindigkeit soll auch noch angezeigt werden. Genauso wollen wir die Möglichkeit bieten, mit GPS-Daten zu ermitteln, wo man gerade spielt und ob Freunde in der Nähe sind, die mit einem zocken wollen - wenn man diese Daten preisgeben möchte, versteht sich.
myTischtennis.de: Wie wird der „Smart Racket“ im Laden zu kaufen sein? Gibt es dann verschiedene Hölzer mit den Sensoren im Griff? Oder gibt es den „Smart Racket“ nur als Komplettschläger mit Belägen?
Simon Stützer: Mit TIBHAR haben wir einen ersten Partner gefunden, mit dem wir jetzt zusammen ein Holz - und sicher auch einen Komplettschläger für den Breitensportbereich - auf den Markt bringen. Dabei kümmern wir - die ja eine Softwarefirma und keine Tischtennismarke sind - uns nur um die Sensoren. Die wiegen maximal fünf Gramm, was in etwa dem Gewicht des Holzes entspricht, das ausgefräst wurde. Der Schläger wird also nicht schwerer. Unser Ziel ist es, dass auch andere Marken ihre Hölzer in einer „smarten“ Version anbieten möchten. Dann würden wir ihnen die Sensoren liefern, die sie in die Hölzer einbauen und die man dann mit unserer App koppeln kann.
myTischtennis.de: Wie groß, glaubt ihr, ist das Potenzial eurer Idee?
Simon Stützer: Ich bin ja selbst tischtennisbegeistert, gucke aber schon seit vielen Jahren mit Sorge auf die sinkenden Zahlen der Vereinsspieler. Ich habe den Wunsch, dass Tischtennis durch solch einen Schläger an Coolness, Spaß und Motivation gewinnt. Dabei bedienen wir die Bedürfnisse des Einzelnen, der nachhalten will, wie viel er heute geschafft hat, und das mit seinen Freunden vergleichen möchte. Aber mit den Daten kann man auch noch so viel mehr anfangen. Man könnte Spiele automatisch live tickern, der „Smart Racket“ kann im Training helfen, wenn kein Trainer zur Verfügung steht und durch den Gamification-Ansatz kann er auf der sozialen Komponente interessant werden. In der JOOLA-Rangliste werde ich niemals vor Timo Boll stehen, aber wenn es darum geht, wer der Trainingsfleißigste ist, da lande ich womöglich auf dem ersten Platz. Ich habe den Eindruck, das Potenzial ist wirklich unendlich. Was genau wir davon umsetzen, wollen wir gemeinsam mit der Community entscheiden.
myTischtennis.de: Und was wird das Ganze am Ende kosten? Oder ist der Preis vom Holzhersteller abhängig?
Simon Stützer: Ja, am Ende bestimmt die Tischtennismarke den Preis. Aber der „Smart Racket“ wird am Ende nicht viel teurer als ein normaler Schläger sein. Wir arbeiten darauf hin, dass ein Komplettschläger für den Breitensportbereich langfristig für unter 100 Euro angeboten werden kann. Und im Profibereich wird ein Holz wohl um die 170 Euro kosten, ein Komplettschläger also etwa 250 Euro. Das Gute an einem „smarten“ Schläger im Vergleich zu einem normalen ist, dass er mit der Zeit tendenziell besser als schlechter wird. Denn wenn wir ein halbes Jahr nach deinem Kauf eine neue Funktion anbieten, kannst du trotzdem davon profitieren, indem du einfach die App updatest. Solch ein „Smart Racket“ reift also wie ein guter Wein.
myTischtennis.de: Ihr habt euer Start-up ja nach Jan-Ove Waldner benannt. Hat der sich eigentlich mal gemeldet und euch verraten, was er von der Idee hält?
Simon Stützer: Ja, das würde ich auch gerne wissen, was er dazu sagt. Ich würde mich richtig drüber freuen, wenn er mal bei uns anruft. Nein, Spaß beiseite, Jan-Ove Waldner war das Idol meiner Tischtennis-Anfangszeit und natürlich lässt sich der Name Janova mit ihm in Verbindung bringen. Aber es ist letztlich vor allem ein klangvolles Kunstwort, in dem auch unsere Heimatstadt Jena und die Lauf-App STRAVA ein bisschen mitschwingt. Und die war schließlich auch eine Inspiration.
Mehr Infos finden Sie auf der Janova-Webseite!
(JS)
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