22.07.2021 - Gute Neuigkeiten aus der medizinischen Abteilung der deutschen Olympiamannschaft: Teamarzt Dr. Antonius „Toni“ Kass gibt bezüglich Timo Bolls Hüftproblematik Entwarnung und sieht die Angelegenheit als abgehakt an. Was die sich häufenden Coronafälle im Olympischen Dorf angeht, besteht sicherlich mehr Grund zur Sorge. Im Interview mit myTischtennis.de erzählt Kass, wie die Deutschen mit der Gefahr einer Infektion umgehen und wo die größten Risiken liegen.
myTischtennis.de: Das Thema „Hüfte der Nation“ hatten wir schon einmal vor gar nicht allzu langer Zeit. 2018 haben wir bei der WM mit Dimitrij Ovtcharov gebangt, diesmal hat es bei Timo Boll gezwickt. Wie ist der Stand? Wie geht’s der Hüfte?
Toni Kass: Gut! Timo hat, wie er das in einem solchen Fall immer macht, vorsichtig agiert und vor allem auf Ruhe gesetzt. Es war ein muskuläres Problem, das jetzt komplett ausgeheilt ist. Gestern nach dem Training war alles wieder in Ordnung. Er ist topfit.
myTischtennis.de: Also was sagt der ‚Toni-Score‘? (Anm. d. Red.: eine von Kass selbst entwickelte Methode zur Einschätzung der Schwere einer Verletzung in Relation zur Wichtigkeit eines bevorstehenden Turniers. Eine ausführliche Erklärung finden Sie hier.)
Toni Kass: (lacht) Wir haben nicht einmal 1 - 4, wenn überhaupt!
myTischtennis.de: Das hört man doch gerne. Also hast du die Hoffnung, dass er verletzungsfrei durch das Turnier kommt?
Toni Kass: Ja, die habe ich. Er wird jetzt weiter physiotherapeutisch behandelt und ich checke ihn regelmäßig durch. Aber jetzt besteht ansonsten erst mal kein Behandlungsbedarf. Timo achtet ja immer sehr gut auf seinen Körper und hat seine eigene Art und Weise, sich auf große Turniere vorzubereiten. Das heißt, er sagt sich, es ist besser, da defensiv heranzugehen und nicht noch vorher Vollgas in einem Vorbereitungswettkampf zu geben. Er zieht sich da selber ein bisschen raus. Und davor habe ich größten Respekt.
myTischtennis.de: Wie sieht’s beim Rest des Teams aus? Gibt es irgendwelche Wehwehchen?
Toni Kass: Nein, alle sind fit. Es gibt hier und da mal ein kleines muskuläres Problemchen, aber das ist alles im normalen Bereich. Von daher werden alle startklar sein.
myTischtennis.de: Das andere große Thema, das dich in diesem Jahr besonders beschäftigen dürfte, ist Corona. Jetzt gab es auch den ersten positiven Fall im Tischtennis: Pavel Sirucek. Du siehst ja, welche Vorsichtsmaßnahmen hier getroffen wurden und wie die Sportler damit umgehen. Wie wahrscheinlich ist es, dass das hier ein Superspreading-Event wird?
Toni Kass: Wo so viele Leute auf einem Haufen zusammen sind, würde ich nie behaupten, dass das nicht passieren kann. Die Vorsichtsmaßnahmen scheinen gut zu sein, aber wir haben gestern in unserer Mannschaftssitzung noch einmal die Knackpunkte identifiziert: den Transport und das Essen. Hier mischen sich die Nationen, was wir nicht komplett kontrollieren können. Also haben wir die Sicherheitsmaßnahmen gestern noch einmal genau besprochen. Denn vor allem beim Essen in der Main Dining Hall kann man schon mal beobachten, dass Athleten anderer Nationen sich manchmal benehmen, als ob ja alles normal wäre. Also, da wird dann schon manchmal gedrängelt, obwohl man doch weiß, dass eigentlich Abstand gehalten werden soll. Aber Masken werden, was ich bisher gesehen habe, von allen getragen - und von den allermeisten auch korrekt. Wir selber halten uns da ganz strikt dran.
myTischtennis.de: Was ist dann bei den Tschechen passiert?
Toni Kass: Soweit ich weiß, ist die komplette tschechische Mannschaft in einem eigenen Militärflugzeug nach Japan geflogen worden. Und da scheint es eine Übertragung auf dem Flug gegeben zu haben, da auch das tschechische Beachvolleyball-Team betroffen ist - und das passt von der Inkubationszeit ziemlich gut. Sie sind wohl alle geimpft und haben keine Symptome, sind aber positiv. Infizierte Geimpfte sind anders als Ungeimpfte nicht für ca. fünf Tage infektiös, sondern deutlich kürzer, aber dennoch fällt in dieser kurzen Periode der Test positiv aus. Auf der einen Seite kann man das als ungerecht empfinden, weil sie wahrscheinlich niemanden anstecken würden. Auf der anderen Seite ist es nur konsequent und in diesem System des täglichen Testens fällt niemand durch das Raster. Von daher funktioniert es gut. Natürlich muss man immer auch damit rechnen, dass uns das auch passieren kann. Aber ich denke, wir in der deutschen Mannschaft sind da sehr diszipliniert und damit ist das Risiko minimal.
myTischtennis.de: Was würde denn in dem Fall passieren, dass man eine Kontaktperson ist, aber negativ getestet wurde? Ist auch dann der Wettbewerb für einen vorbei oder ist der positive Test entscheidend?
Toni Kass: Nur der positive Test ist entscheidend, nicht der Kontakt. Kontaktpersonen werden in zwei Kategorien, je nach Art und Länge des Kontakts, eingeteilt. Die einen werden nur unter Beobachtung gestellt, die anderen werden zusätzlich getestet. So wurde gestern also auch die komplette tschechische Mannschaft einmal durchgetestet. Man soll die Kontaktpersonen innerhalb der Mannschaft isolieren - also zum Beispiel nicht mehr mit ihnen essen gehen. Aber nur bei einem positiven Test kommt man in Quarantäne und darf nicht starten.
(JS)
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