Kampf gegen Tuning: Kommen neue Testverfahren?
Die üblichen Messmethoden können bestimmte Manipulationen nicht überführen (©Lüke)
10.12.2020 - Sie erinnern sich? Vor vier Jahren wies Timo Boll darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil der Topspieler seine Schläger nachbehandelt, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Im vergangenen Jahr sondierte die ITTF in einer Testphase die Lage im Topsport und kehrte mit interessanten Ergebnissen zurück: Trotz Ankündigung wurden in drei Turnieren 15 nachbehandelte Schläger gefunden. Die ITTF-Equipment-Abteilung will der Nachbehandlung künftig mit neuen Testverfahren den Kampf ansagen.
Was sind schon 0,18 Millimeter? Eine ganze Menge, findet ITTF-Equipment-Managerin Claudia Herweg. Zumindest wenn es um Tischtennisbeläge geht, die eine maximale Dicke von 4 Millimetern aufweisen dürfen. In ihrer Testphase zum Thema Nachbehandlung besuchte die ITTF-Equipment-Abteilung im vergangenen Jahr drei Turniere - die Croatia und Polish Open sowie den World Team Cup - und nahm die verwendeten Schläger genau unter die Lupe. Das Ergebnis: 15 Schläger fielen durch, der dickste Belag rangierte bei 4,18 Millimetern. „Das mag zuerst nicht viel klingen. Aber 0,18 Millimeter machen fünf Prozent mehr Leistung aus“, rechnet Herweg vor. „Und das ist im Spitzenbereich ein enormer Effekt. Vielleicht hilft dem Spieler das bei zwei Bällen im Satz. Und das ist, wenn man bis elf spielt, eine ganze Menge.“
Schmirgeln, um nicht aufzufallen
Herweg war überrascht, dass sie in der Testphase, die vor allem dazu diente, Daten zu sammeln und neue Verfahren auszuprobieren, überhaupt nachbehandelte Beläge fand. „Wir waren angekündigt worden“, betont sie. „Alle wussten, dass wir kommen und die Schläger kontrollieren werden. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir hier fündig werden.“ Der Unterschied zur normalen Schlägerkontrolle, die außerdem noch durchgeführt wurde, war, dass der Belag für den Test vom Holz abgezogen werden musste. Aus diesem Grund wurden die Spieler erst dann zur Kontrolle gebeten, wenn ihr letztes Match vorbei war. Zudem wurden nur solche Beläge untersucht, die den Verdacht der Tester erregten - zum Beispiel durch Dellen im Belag, ein sehr niedriges Messergebnis bei der normalen Kontrolle oder Auffälligkeiten an der Belagoberfläche oder am obersten Holzfurnier. Wenn der Belag abgezogen war, wurde seine Dicke gemessen. Denn diese wird durch die Nachbehandlung beeinflusst und verschafft Spielern, z.B. durch einen größeren Katapulteffekt, einen Vorteil.
Die ernüchternde Erkenntnis nach den Tests: Die Ergebnisse der Messung nach Abtrennen des Belags stimmten in einigen Fällen nicht mit denen der traditionellen Messung überein. Der Grund? Oft waren die Hölzer an der Stelle des Schlägerblattes abgeschmirgelt worden, wo der Fuß des Messgeräts auf dem Belag aufsetzt, so dass der Belag durchaus dicker als 4 Millimeter sein kann, der Tester es aber nicht angezeigt bekommt. Eine negative Beeinflussung der Spieleigenschaften des Holzes müssen Spieler dabei nicht fürchten, da der Balltreffpunkt meist sehr viel höher auf dem Schlägerblatt zu finden ist. Diese Präparierung der Hölzer, die zum Beispiel durch das Fehlen der Beschriftung an besagten Stellen ins Auge fällt, wurde auch bei Hölzern beobachtet, deren Beläge bei den Test-Turnieren nicht durchfielen. Dies lässt darauf schließen, dass diese Praktik durchaus öfter angewendet wird, manche Spieler sich aber bei diesen angekündigten Test-Turnieren regelkonforme Beläge aufgeklebt haben. Eine Veränderung der Holzfurniere ist nichtsdestotrotz ebenfalls verboten. Konsequenzen hatten die Athleten in der Pilotphase allerdings nicht zu befürchten.
Vorschlag: Neue Regeln zu Testverfahren
Die ITTF sieht sich in der Verantwortung, für Fairness in ihrem Sport zu sorgen. Somit ist für die Equipment-Abteilung klar: Es muss sich etwas ändern. „Wenn wir einen Grenzwert haben, müssen wir in der Lage sein, diesen auch sicher kontrollieren zu können“, stellt Herweg klar. „Mit den aktuellen Verfahren, die den Belag auf dem Schläger messen, können wir die Dicke nicht zweifelsfrei korrekt messen.“ Deshalb plädiert Herweg dafür, die Regeln dahingehend zu ändern, dass der Belag zum Testen vom Schläger abgezogen werden darf. „Aber erst nach dem Spiel und bei begründeten Zweifeln. Mit beantragt wird zudem eine Ausbildung für Schlägerkontrolleure, denn hier braucht es mehr Know-How.“ Entscheiden wird darüber das Board of Directors der ITTF, das allerdings erst im November 2021 seine nächste große Sitzung hat. Vor den Olympischen Spielen könne man eh mit keiner Regeländerung mehr rechnen, weiß Herweg.
Am Ende, glaubt sie, wird sie die wichtigsten Akteure in der ganzen Angelegenheit, die Spieler, auf ihrer Seite haben. Zumal es sich ja vorerst nur um Veränderungen auf dem absoluten Spitzenlevel handelt. „Bei den Test-Turnieren gab es durchaus auch Diskussionen darüber, ob es wirklich nötig ist, den Belag abzuziehen“, erzählt Herweg. „Aber als wir erklärt haben, dass wir dadurch sicherstellen wollen, dass niemand gewinnt, weil er betrogen hat, haben sie das sehr begrüßt. Die Spieler wollen faire Bedingungen.“ Und dagegen kann in einer Sportart, die von sich selbst gerne sagt, wie fair sie ist, auch sonst eigentlich niemand etwas haben.
(JS)