Für Patrick Franziska läuft gerade alles wie am Schnürchen (©T2 Diamond)
25.07.2019 - Diese Reise nach Australien und Malaysia wird Patrick Franziska noch lange in guter Erinnerung behalten. Denn hier schlug er zwei der besten Chinesen, den Vize-Weltmeister und schrammte nur hauchdünn am Sieg gegen die Nummer eins der Welt vorbei. Ist es da vermessen, auch über einen Einzelstart bei den Olympischen Spielen nachzudenken? Im Interview erzählt uns der 27-Jährige, wie er über Olympia denkt und was ein Sieg gegen einen Topchinesen für ihn bedeutet.
myTischtennis.de: Da fährt man einmal ans andere Ende der Welt und plötzlich hat sich eine ganze Menge geändert. Patrick, du hast mit Fan Zhendong deinen ersten Topchinesen geschlagen, dann noch gegen Liang Jingkun einen draufgesetzt. Wie ist es, plötzlich als China-Schreck durchzugehen?
Patrick Franziska: Ich wusste schon vorher, dass ich gut spielen kann. Aber wenn man es dann tatsächlich einmal schafft, einen der großen Chinesen zu schlagen, gibt einem das noch einmal ein ganz anderes Selbstvertrauen. Als ich gegen Fan Zhendong den 2:2-Ausgleich holte, hatte ich im fünften Satz das Gefühl, dass ich das Spiel gewinnen kann. Das hatte ich noch nie gegen einen Topchinesen. Und als ich dann tatsächlich gewonnen hatte, wuchs das Selbstvertrauen in mir, auch andere schlagen zu können. Das macht eine Menge mit einem.
myTischtennis.de: Hast du das Gefühl, dass dich die Chinesen nun mit anderen Augen sehen? Hast du da irgendwelche Reaktionen bemerkt?
Patrick Franziska: Nein, bemerkt habe ich nichts. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass sie mich nun genauer anschauen werden und analysieren, wo man mich am besten anspielt und wo meine Schwächen liegen. An denen versuche ich aber natürlich bis zum nächsten Mal zu arbeiten.
myTischtennis.de: Was bedeutet das für dich, einen großen Chinesen geschlagen zu haben? Ist das etwas, das man als guter europäischer Spieler auf seiner To-Do-Liste hat?
Patrick Franziska: Ja, auf jeden Fall. Es gibt da nun eben diese drei bis fünf Chinesen, die seit langer Zeit die Besten der Welt sind. Und als ich dann in Australien einen von ihnen, Fan Zhendong, geschlagen habe, hatte ich schon auch ein paar Tränen in den Augen. Einfach weil sich alles ausgezahlt hat, das war ein super Gefühl. Natürlich war es nur ein Spiel, ich habe kein großes Turnier gewonnen oder so. Aber es zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
myTischtennis.de: Du hast ja wirklich unfassbar gut gespielt. Fühltest du dich schon vor deiner Reise nach Australien besser als sonst oder ist das im Laufe des Turniers gekommen?
Patrick Franziska: Zwei Wochen davor waren ja die European Games, aus denen ich schon mit viel Selbstvertrauen gekommen bin. Ich habe da nicht unbedingt mein allerbestes Tischtennis gezeigt, aber wir haben in allen Wettbewerben die Qualifikation für die Olympischen Spiele geschafft und damit unser Riesenziel erreicht. Eigentlich wollte ich danach zu den Korea Open fahren, stattdessen habe ich zu Hause eine Woche regeneriert, ein paar Wehwehchen auskuriert und bin dann völlig ausgeruht und mit Spaß nach Australien und Malaysia aufgebrochen. Bei so vielen Turnieren und Wettkämpfen im Jahr ist es nicht immer leicht, die richtige Balance zu finden. Aber so habe ich es geschafft, dass ich kurz vor meinem Urlaub noch einmal unglaublich gebrannt habe.
myTischtennis.de: In Australien hätte es fast zum zweiten China-Coup gereicht - auch gegen Xu Xin warst du nah am Sieg dran. Sicher warst du enttäuscht, dass das nicht auch noch hingehauen hat. Wie bewertest du mit etwas Abstand deine Leistung in diesem Spiel?
Patrick Franziska: Ich denke da nicht mehr drüber nach, habe mir das Spiel auch nicht noch einmal angeschaut. Aber danach habe ich trotz der Niederlage sehr viele Nachrichten von Leuten bekommen, die sehr begeistert waren. Das gibt einem richtig Auftrieb. Ich finde, dass es von beiden Seiten ein sehr gutes Spiel war. Von daher sehe ich die Partie sehr positiv.
myTischtennis.de: Wer glaubte, dass Australien nur ein Ausrutscher nach oben war, dem hast du bei T2 Diamond das Gegenteil bewiesen. Waren das einfach Turniere, bei denen alles passte, oder sehen wir einen solchen Patrick Franziska nun öfter?
Patrick Franziska: Na, ich hoffe natürlich öfter! Zumindest habe ich dort sehr viel Selbstvertrauen getankt. Natürlich würde ich gerne immer so spielen, aber ich bin da realistisch genug, dass so etwas auch immer von anderen Faktoren wie der Tagesform abhängt. Ich hoffe, dass ich die Form konservieren kann und dass sie vielleicht sogar bis Olympia hält.
myTischtennis.de: Ja, eigentlich schade. Da hat man mal einen Lauf und dann steht Urlaub auf dem Programm. Würdest du gerne direkt weitermachen oder kommt dir die Pause dann doch recht?
Patrick Franziska: Nein, nein, das ist schon super so. Es war klar, dass ich jetzt noch einmal zwei Wochen ‚durchknüppeln‘ werde und dass ich dann mit einem guten Gefühl in den Urlaub fahre. Das wäre auch so gewesen, wenn ich keinen Chinesen geschlagen hätte. In Malaysia habe ich mich zeitweise schon ein bisschen müde gefühlt. Von daher kommt der Urlaub nun gerade recht.
myTischtennis.de: T2 Diamond ist ja ein besonderes Turnierformat. Spielt dir das Spielsystem mit der Zeitbegrenzung und der Fast5-Phase in die Karten?
Patrick Franziska: Gegen Liang Jingkun war das gut für mich - da habe ich beim Stand von 2:2 den Sack in der Fast5-Phase zugemacht. Die Zeitbegrenzung hat mich nicht gestört, ich habe nicht schneller oder langsamer als sonst gespielt. Und durch die Fast5-Phase hat man viel mehr Überraschungen als sonst. Schon der Sprung von 21 Punkten auf elf war riesig. Bei fünf Punkten muss man wirklich von Beginn an voll da sein. Für mich ist das okay, aber ich würde Sätze bis elf schon bevorzugen. Was mir allerdings sehr gut gefallen hat, war der ‚Golden Point‘ bei 10:10, also dass der Satz nicht in die Verlängerung gehen kann. Das bringt noch einmal zusätzliche Spannung.
myTischtennis.de: T2 Diamond wurde zum Teil auch kritisch betrachtet, etwa weil nur eine kleine Gruppe von Spielern zusätzliche Weltranglistenpunkte holen kann. Was hältst du von dem Turnier?
Patrick Franziska: Beim Europe Top 16, beim World Cup oder den Olympischen Spielen dürfen natürlich auch nicht alle starten. Aber die dort gewonnenen Punkte zählen nicht als Bonus für die Weltrangliste. Von daher ist es sicher nicht ganz richtig, dass bei T2 Diamond zusätzliche Punkte gewonnen werden können. Das wird eine große Lücke in die Weltrangliste reißen zwischen den Spielern, die ein bis drei Turniere zusätzlich spielen, und denen dahinter, was kaum aufholbar sein wird. Ob das ausgerechnet vor den Olympischen Spielen sein muss, ist die Frage.
myTischtennis.de: Wo du gerade die Olympischen Spiele ansprichst… Es ist jetzt noch ein Jahr bis Tokio. Aktuell hast du gute Karten für den Team- und Mixedwettbewerb, aber auch ein Einzelticket wirkt nicht unrealistisch. Was würdest du denn von einem Dreifachstart halten?
Patrick Franziska: (lacht) Ganz ehrlich, da mache ich mir noch gar keine Gedanken drüber. Mein Ziel ist es, überhaupt dabei zu sein - mit dem Teamwettbewerb als Priorität. Vor Rio haben auch viele schon gesagt, dass ich gute Chancen habe - und am Ende habe ich keinen Startplatz erhalten. Von daher will ich mich jetzt voll konzentrieren, dass ich so weiterspiele. Und mit Timo und Dima haben wir ja auf jeden Fall zwei weitere heiße Eisen im Feuer.
myTischtennis.de: …mit denen du aktuell mithalten kannst. Was meinst du, entbrennt jetzt noch mal ein kleiner Konkurrenzkampf um die Einzeltickets im deutschen Team?
Patrick Franziska: (lacht) Konkurrenz belebt auf jeden Fall das Geschäft.
(JS)
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