Buntes

30 Jahre danach: Roßkopf und Fetzner über den WM-Titel 1989

Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf wurden vor 30 Jahren Weltmeister im Doppel (©Roscher)

05.04.2019 - Am 8. April 1989 haben Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf TT-Deutschland verändert. Der völlig überraschende Gewinn des Weltmeistertitels im Doppel bei der Heim-WM in Dortmund war die Initialzündung für die Sportart. Im Doppel-Interview mit dem DTTB sprechen die beiden über den damaligen „Tischtennis-Boom“, das Erwecken des „schlafenden Riesen“ Tischtennis in Deutschland, aber auch über die Veränderung der Medienlandschaft.

DTTB: Manche Menschen achten ja auf Jahrestage. Welche Bedeutung hat der 8. April für euch?

Steffen Fetzner: Natürlich ist dies kein Tag wie jeder andere. Es ist gefühlt der zweite Geburtstag im Jahr. Weltmeister wird man ja vielleicht nur einmal im Leben. Dazu noch im eigenen Land. Es war die Initialzündung zu sehr erfolgreichen Jahren sowohl mit der Nationalmannschaft als auch im Verein. Deutlich höhere Medienpräsenz, mehr Fernsehzeiten, Sponsoren, Zuschauerzahlen, steigende Mitgliederzahlen, wovon auch die Tischtennis-Industrie sehr stark profitiert hat. Ich denke schon, dass wir durch unseren Sieg einen Tischtennis-Boom ausgelöst haben, ohne den viele Dinge im Tischtennissport wie die Professionalisierung nicht umsetzbar gewesen wären.

Jörg Roßkopf: Natürlich hat der 8. April 1989 eine besondere Bedeutung. Wir sind Weltmeister geworden und werden darauf immer wieder angesprochen. Es ist kein Tag wie jeder andere. Es ist ein toller Tag, ein tolles Gefühl, damals etwas für den Tischtennissport erreicht zu haben. Den schlafenden Riesen geweckt zu haben und viele Spieler zum Tischtennis zu bringen. Viele Spieler in Deutschland in der Bundesliga konnten so ihren Marktwert nach oben schrauben. Jeder hat da gut verdient und jeder soll froh sein, dass es diesen 8. April 1989 gegeben hat. Ich bin sehr, sehr stolz, dass wir damals Weltmeister geworden sind und auch sehr stolz, dass wir immer noch darauf angesprochen werden.

DTTB: Werdet ihr außer von Medienvertretern nach 30 Jahren immer noch regelmäßig darauf angesprochen?

Roßkopf: Wir werden von den Journalisten, aber auch von vielen anderen Menschen darauf angesprochen, nicht nur wenn es ein Jubiläum ist, sondern auch wenn es grundsätzlich der 8.4. ist. Damit beschäftigen sich immer noch viele Leute. Wir werden oftmals auch für Veranstaltungen gebucht, wo dann der 8.4. und Weltmeistertitel in aller Munde ist. Gefühlt war wirklich jeder dabei und hat uns damals in der Westfalenhalle zugeschaut.

Fetzner: Darüber wundere ich mich auch manchmal: Angeblich waren alle in der Westfalenhalle live dabei…
Gerade im Seniorenbereich, wo ich noch für den TB Oldenburg in der Ü40- bzw. jetzt Ü50- Mannschaft aktiv bin, ist der WM-Titel bei sehr vielen Spielern präsent.

DTTB: An wie viel vom Finale – von den Ballwechseln bis zur Atmosphäre – erinnert ihr euch nach 30 Jahren?

Fetzner: Außer dem dritten Satz ab 20:16 habe ich nicht ganz so viele Erinnerungen. Der Matchball ist natürlich extrem präsent und jederzeit abrufbar. An die Atmosphäre kann ich mich eigentlich nur nach dem Matchball erinnern.

Roßkopf: Die Atmosphäre war unglaublich, ganz klar. Der ganze Tag war unglaublich, auch weil wir an dem Tag drei Doppel spielen mussten. Wir hatten unglaublich starke Doppel vor der Brust: Jean-Philippe Gatien und Andrzej Grubba, danach das chinesische Doppel Chen Longcan/Wei Quingguang, das zuvor jahrelang nicht verloren hatte, und dann im Finale Leszek Kucharski/Zoran Kalinic. Besonders erinnere ich mich an die Ballwechsel ab 20:16. Das ganze Spiel habe ich noch nicht gesehen. Ab 20:16 kenne ich alles auswendig, auch weil das so oft im Fernsehen und auf Video wiederholt worden ist. Der beste Ballwechsel ist natürlich der bei 20:19. Top vorbereitet von Speedy, bestens beendet von mir. Alles andere war eine große Feier.

DTTB: Wie viel Emotion ist heute noch dabei, wenn ihr euch die Bilder von 1989 wieder vergegenwärtigt? Ist noch etwas von der überwältigenden Freude und Überraschung von damals übrig?

Fetzner: Es ist immer noch Gänsehaut pur, wenn ich die Bilder vom Matchball sehe. Freude und Emotionen pur.

Roßkopf: Es waren viele Emotionen, die da hochgekommen sind. Viel Freude, viel Überraschung, weil wir das erreicht haben. Es war eine riesen Feier danach. Die Wochen, die Jahre danach - Speedy und ich sitzen gerne zusammen und reden über die Zeit, aber im Endeffekt will ich meinen Spielern nicht zu viel von meiner Zeit erzählen. Sie sollen das lieber selbst erleben. Es gibt genug Spieler, die selbst viel erlebt haben und immer noch erleben.

 

Wie ist der Stellenwert des Titels für euch heute?
Fetzner:
Unverändert. Das war der größte und schönste Erfolg in meiner Karriere als Doppelspieler.
Roßkopf: Der Stellenwert heute ist für den Tischtennissport immens. Tischtennis kann nie mehr erreichen, was damals erreicht worden ist. Wir hoffen, dass wir immer wieder – wie die Nationalmannschaft aktuell – gut spielen. Aber das Medieninteresse heute ist einfach ein komplett anderes. Bundesligaspiele live zu übertragen, Europapokalspiele live zu übertragen – das ist heute undenkbar. Das kann man mit der heutigen Medienlandschaft nicht vergleichen. Deshalb ist 1989 noch in aller Munde und jeder weiß, was damals passiert ist.

DTTB: Was hat euer Weltmeister-Doppel damals ausgemacht? Welche Eigenschaften muss ein erfolgreiches WM-Duo heute haben?

Fetzner: Bei uns war es die perfekte Kombination sowohl, was die Spielstile – Rechts-Linkskombination, ein Vorbereiter und ein Vollstrecker – als auch die Charaktereigenschaften anbelangt – emotional, introvertiert, nervenstark. Genau diese Kombinationen sind heute noch erfolgreich.

Roßkopf: Für uns war damals unglaublich wichtig, ein eingespieltes Doppel zu sein. Das ist heute auch noch so. Es müssen bestimmte Spielsituation eingeübt, Beinarbeiten eintrainiert sein. Das sind Eigenschaften, die ein erfolgreiches Doppel haben muss. Damals wie heute. Eine Links-Rechts-Kombination ist optimal. Wichtig ist außerdem, dass man sich gut versteht, sich gut in den Partner einfühlen kann.

DTTB: Gegen wen würdet ihr heute gerne noch mal ein Doppel spielen – Tischtennisspieler oder sonstige Prominenz?

Fetzner: Ich würde gerne nochmals gegen unsere Doppelfinalisten von 1989 in Dortmund Kalinic/Kurcharski und gegen unsere Olympia-Endspielgegner von 1992 in Barcelona, Wang Tao/Lu Lin, spielen.

Roßkopf: Ich bin weit davon entfernt, noch irgendein Doppel oder Einzel zu spielen. Ich bin zwar mit Chen Weixing im vergangenen Jahr Senioren-Doppel-Weltmeister geworden. Das hat noch irgendwie funktioniert, aber ich bin froh, dass ich gegen keinen meiner Jungs spielen muss. Es funktioniert zwar noch, dass ich mal den Schläger hinhalte, aber ich versuche, so wenig wie möglich selbst zu spielen.

DTTB: Wer wird 30 Jahre nach euch in Budapest Doppel-Weltmeister?

Roßkopf: Wir beide können es leider nicht mehr werden. Speedy wird dort sein, ich werde dort sein, aber beide jeweils in anderen Funktionen. Ich glaube, wir haben mit Timo Boll/Patrick Franziska ein gutes, eingespieltes Doppel. Es gibt einen Favoritenkreis von zehn bis 15 Doppeln – ich weiß aktuell noch nicht, wie die Asiaten letztlich Doppel spielen werden. Xu Xin mit seinem Doppelpartner, egal ob mit Ma Long oder Fan Zhendong, werden mit Sicherheit die großen Favoriten sein. Aber es gibt viele gute Doppel: Die Japaner sind sehr stark, die Koreaner auch. Und auch unser deutsches Doppel ist sehr stark. Deshalb hoffe ich, dass Boll/Franziska sich hohe Ziele stecken, gut spielen und eine Medaille holen. Die beiden verstehen sich super und spielen ein gutes Doppel. Zusammen mit der Erfahrung von Timo und dem jugendlichen Elan von Patrick könnte das gut passen.

Fetzner: Die Chinesen sind natürlich in jeder Disziplin Favoriten – zwölf der letzten 14 Doppel-Weltmeister nach ‘89 kamen aus China – aber ich glaube auch, dass das Doppel Boll/Franziska durchaus berechtigte Chancen haben könnte.

Roßkopf: Ich bin mir sicher, dass meine komplette Mannschaft, egal ob im Einzel, Doppel oder Mixed, Ziele haben wird, die die Leute träumen lassen. Und vielleicht klappt es ja wie bei uns damals. Speedy und ich haben ja auch nie damit gerechnet, 1989 Weltmeister zu werden. Wir waren weit davon entfernt, aber haben es dann geschafft. Das soll den Jungs heute auch ein Vorbild sein.

(DTTB/DK)

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